Prater: Eine Zukunft, die keiner will?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Zum Saisonstart. Die Stadt träumt vom „Wien um 1900“-Vergnügungspark. Die Unternehmer wissen nichts davon.

Wien. Blau, grau, blaugrau. Der Himmel hinter dem Riesenrad gibt sich kurz vorm Saisonstart am Samstag unentschlossen. Unten am Baustellen-Beton ist hingegen alles klar. Die himmelblau-weißen Kulissen leuchten den Weg in die Zukunft, die Vergangenheit heißt: Willkommen im Wurstelprater, willkommen in „Wien um 1900“. 32 Tage, dann ist der neue 32 Millionen Euro teure nostalgisch thematisierte und heftig umstrittene Vorplatz fertig, 53 Tage, dann sieht ihn – EM, sei Dank – die ganze Welt. Und dann?

Und dann, meint Georg Wurz, Geschäftsführer der im Eigentum der Stadt stehenden „stadt wien marketing und prater service gmbh“, geht's weiter mit dem Motto 1900: „Die Idee ist, die Praterentwicklung anhand dieses Grundthemas durchzuziehen. Die Technik kann modern sein, Ziel ist es jedoch, den Eindruck zu vermitteln, dass es das alles schon damals gegeben haben könnte.“ Als Leitbild sollen der neue Vor- bzw. der ältere Wurstelplatz dienen. „Viele Praterunternehmer- und Unternehmerinnen“, sagt Vizebürgermeisterin Grete Laska, „begleiten den Prozess aktiv und mit großen Investitionen.“

Alles klar? Nicht ganz. „Für uns“, sagt der Sprecher des Stadt-kritischen Praterverbandes Alexander Meyer-Hiestand, dem 76 der 80 Unternehmer angehören, „ist das Thema Vorplatz abgeschlossen“. Und zwar komplett. Denn davon, dass „Wien um 1900“, dieses ursprünglich von Planer Emmanuel Mongon eingeführte Thema, tatsächlich Leitlinie für den ganzen Prater ist, wissen die Betroffenen – nichts. Nicht einmal jene, die als der Stadt verbunden gelten: „Meiner Information nach beschränkt sich das auf den Vorplatz“, sagt Michael Kny (ihm gehört u. a. der neue Luftikus beim Entrée). „Das ist mir neu, da müssen Sie die Planer fragen“, antwortet auch Riesenrad-Eigentümer Peter Petritsch. Stefan Sittler-Koidl, der mit seinen 28 Jahren zu der vom Rathaus gern zitierten „jungen Generation“ zählt, schüttelt ebenfalls den Kopf: Mit „Top Spin“ eröffnet er heuer ein psychedelisch buntes neues Fahrgeschäft – ohne Wien-Historie-Bezug. „Das ist jung und modern, das wollen die Leute.“

Ein Ort voller Missverständnisse

So froh er sei, dass die Stadt endlich Geld für den Prater in die Hand genommen habe: „Ich hoffe, dass Frau Laska uns, jetzt nachdem ihr Mammutprojekt da vorne fertig ist, wieder in Ruhe lässt.“ Der Vorplatz ein Mini-Prater, der mit dem „echten“ nichts zu tun hat? Mitnichten. Natürlich, so Wurz, könne man das Thema niemandem aufzwingen, aber „in sensiblen Zonen“ will man doch bei der Bewilligung darauf achten, dass neue oder veränderte Attraktionen nicht ins Konzept pfuschen. Auf den Präzedenzfall darf man gespannt sein.

Die Motto-Frage ist aber nicht das einzige Missverständnis mit Sprengkraft. Zu verschieden sind die Ansichten von Prater und Stadt auch über den Verkehr (braucht es mehr Gratis-Parkplätze ja oder nein?), die Kernaufgabe der Pratergesellschaft (Marketing oder Entwicklung?) – und übers Geld. Nach der großen Investition in den Vorplatz (von der Stadt kommen 15 Mio. €) fürchtet nicht nur Franz Pammer (ihm gehört u.a. „Apollo 12“), die Stadt könnte bald auf Idee kommen, Infrastrukturkosten für Straßenbeleuchtung etc. auf die Unternehmen zu wälzen. „Das wäre schlimm.“ Und das ist längst geplant. À la longue, sagt Wurz, soll sich der Prater „natürlich selbst erhalten“.

EM: Das Wetter ist wichtiger

Ob die EM hier einen erklecklichen finanziellen Beitrag leisten wird? Während man sich im Rathaus viel und großen Werbewert erwartet, zählt sich im Prater neben den Vorplatz-Betrieben (das Riesenrad erwartet plus 50.000 Gäste) fast nur die Gastronomie zu den Gewinnern: „Wir hoffen auf drei Wochen 1. Mai“, sagt Elisabeth Kolarik, die ihr Lokal „Luftburg“ gerade um einen zwei Mio. Euro-Wintergarten erweitert hat. Betreiber von Fahrgeschäften für Familien sind hingegen skeptisch: „Fußballfans fahren nicht Geisterbahn. Meine Kunden haben schon gesagt, dass sie uns während der EM meiden werden“, so Alice Kolnhofer (u.a. „Geisterschloss“). Nüchtern sieht es Karl Kolarik („Schweizerhaus“): „In Wirklichkeit ist das Wetter für uns wichtiger als die EM.“ Mal schauen, ob es diesmal himmelblau wird.

TERMINE

Am Samstag startet der Wurstelprater mit dem Schweizerhaus in die Saison. Heuer neu: Das restaurierte „Sturmboot“, „Calafatis Magischer Roter“, „Turbo“ und „Top-Spin“. Am letzten Aprilwochenendeeröffnet dann der Vorplatz mit „Miraculum“, „Luftikus“, „Vienna Airlines“ etc. [Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2008)

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