Justizminister "zornig": Drei Beamte suspendiert

Archivbild: Justitzminister Wolfgang Brandstetter
Archivbild: Justitzminister Wolfgang BrandstetterAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Der Fall eines verwahrlosten Häftlings in Krems-Stein hat erste Konsequenzen. Der Häftling selbst sagt offenbar, dass er seine Verletzung verheimlicht habe.

Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) ist "zornig" über den Fall des verwahrlosten Insassen der Justizanstalt Krems-Stein - und er hat Konsequenzen gezogen: Die drei Beamte, die als Verantwortliche infrage kommen, wurden vom Dienst suspendiert, Kontrolle und Information ans Ministerium wurden verstärkt. Außerdem setzt Brandstetter eine "größere" Reform des Maßnahmenvollzugs in Gang.

Bei den drei suspendierten Beamten soll es sich um den Traktkommandanten, den zuständigen Abteilungsleiter und den Abteilungsleiter-Stellvertreter handeln, berichtet die Austria Presseagentur. Wobei der Abteilungsleiter politisch aktiv ist: Er ist demnach in der freiheitlichen Exekutivgewerkschaft AUF und steht auf der FPÖ-Liste für die EU-Wahl. Die drei - die der Minister nicht näher bezeichnete - seien suspendiert worden, um die strafrechtlichen Ermittlungen, die bereits anhängig sind, nicht zu beeinträchtigen, betonte Brandstetter im Interview mit der Austria Presseagentur.

Häftling: "Habe Verband verheimlicht"

Die "Kronenzeitung" hat unterdessen in ihrer Donnerstagsausgabe offenbar aus Protokollen der Vernehmung des 74-Jährigen Häftlings zitiert. Soweit die Zitate publiziert wurden, erhob der Mann keine Anschuldigungen.

"Ich wurde beim Zugang in die JA Stein von einer Ärztin gefragt, ob mein Bein in Ordnung sei, da sie aus der Krankenakte, welche aus der Schweiz übermittelt wurde, gesehen hatte, dass ich Probleme hatte. Ich habe ihr geantwortet, dass mit meinem Bein alles in Ordnung sei", lautet eines der Zitate. Ein zweiter Ausschnitt hat folgenden Wortlaut: "Die Justizwachebeamten und auch die Ärzte hatten keine Möglichkeit, den langjährigen an meinem rechten Bein angebrachten Verband zu Gesicht zu bekommen."

Dann hieß es weiter: "Abschließend gebe ich an, dass weder das ärztliche Personal noch die Justizwachebeamten im Zusammenhang mit dem Sachverhalt irgendeine Schuld trifft. Ich habe den Verband verheimlicht."

Minister "betroffen und zornig"

Der Justizminister hatte sich am Nachmittag "betroffen und zornig" gezeigt. Alle Umstände dieses "wirklich erschreckenden" Falles müssten aufgeklärt werden, sagte er. Er hat ab sofort ein 14-tägiges Reporting der Vollzugsdirektion direkt ans Ministerium verfügt, um besser informiert zu sein. Und in der Vollzugsanstalt Krems-Stein gibt es jetzt engmaschigere Kontrollen - und zwar medizinisch, dienstrechtlich und bei der Fachaufsicht.

Der Fall sei aber leider symptomatisch dafür, dass es im Strafvollzug allgemein und im Maßnahmenvollzug insbesondere "massive, auch strukturelle Schwächen" gebe, die man ausmerzen müsse: "Seit ich diese Funktion habe liegt mir dieser Bereich im Magen." Deshalb zieht Brandstetter die im Regierungsprogramm enthaltene Reform des Maßnahmenvollzugs - die er eigentlich im Herbst angehen wollte - vor.

Gespräche mit Gesundheitsminister

Er setzt umgehend eine Arbeitsgruppe ein, die heuer noch die Situation evaluieren soll. Der Minister will auch externe Fachleute - etwa Gerichtspsychologen - einbeziehen. Denn "mit einer rein systemimmanenten Reorganisation ist es nicht getan". Möglicherweise werde man die Behördenstruktur ändern müssen, "ich bin für alles offen". Auch das Gesundheitsministerium wird in der Arbeitsgruppe vertreten sein, vor allem im Hinblick auf die Frage der Betreuung psychisch Beeinträchtiger nach dem Strafvollzug. Mit Minister Alois Stöger (SPÖ) hat Brandstetter am Mittwoch schon gesprochen.

Letztlich werde man auch einen "Schulterschluss in der Regierung brauchen" - auch mit Finanzminister und dem Bundeskanzler. Denn: "Die nötige Reform wird sicherlich auch Geld kosten." Zuversichtlich macht Brandstetter, dass er bei den heurigen Budgetverhandlungen schon 100 neue Planstellen für den Strafvollzug bekommen hat.

Die Sache müsse jedenfalls '"tabulos, schonungslos, ganz offen" angegangen werden, "da gibt es nichts zu beschönigen und nichts zu vertuschen". Und bei allem Verständnis für die Schwierigkeiten der Justizwache-Beamten im Dienst speziell mit psychisch Beeinträchtigten sei klar, sagt Brandstetter: "So etwas wie hier in Stein darf einfach nicht passieren."

Maßnahmenvollzug

Die Institution des Maßnahmenvollzugs ist in Österreich am 1. Jänner 1975 in Kraft getreten. Mit einer auf den Betreffenden abgestimmten Therapie sollen die als gefährlich eingestuften Straftäter insoweit "geheilt" werden, dass von ihnen im Fall ihrer Entlassung keine Gefahr mehr ausgeht. Die Realität sieht allerdings anders aus (>> Zum Bericht).

Es gibt drei Arten des Maßnahmenvollzugs. Es sind dies der Maßnahmenvollzug gegen gefährliche Rückfalltäter (Paragraf 23 StGB), gegen entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher (Paragraf 22 StGB) und gegen geistig abnorme Rechtsbrecher (Paragraf 21 StGB).

Dieser Bestimmung zufolge ist ein an sich zurechnungsfähiger Angeklagter auch dann in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen, wenn die Gefahr besteht, dass er unter dem Einfluss einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad wieder eine Straftat begeht, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.

(APA)

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