Die Forscher im Dunkeln

Rettungseinsatz fuer Hoehlenforscher
Rettungseinsatz fuer Hoehlenforscher(c) APA/Bayerisches Rotes Kreuz
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Der Unglücksfall in Deutschland lenkt den Blick auf hunderte Hobbyforscher, die sich in Österreich auf Expeditionen in Höhlen begeben.

Wien. Der verletzte deutsche Höhlenforscher, der in tausend Metern Tiefe in der Riesending-Höhle bei Berchtesgaden (Deutschland) festsitzt, hat das Interesse an der sonst wenig beachteten Höhlenforschung geweckt. Auch in Österreich hat die Speläologie (so der Fachbegriff) eine lange Tradition, der Forschungsstand sei im internationalen Vergleich sehr gut, sagt Christoph Spötl, Professor für Geologie an der Universität Innsbruck – und Präsident des Verbandes Österreichischer Höhlenforscher (VÖH).

Die größten Höhlen des Landes liegen im oberösterreichisch-steirischen bzw. im salzburgisch-deutschen Grenzgebiet. Die meisten Höhlenforscher gibt es dabei in Ostösterreich, deren Zahl überraschend hoch ist: Insgesamt verzeichnete der VÖH als Dachverband mit 1. Februar 2014 exakt 2466 Mitglieder. Mit 897 Mitgliedern ist der Landesverein für Höhlenforschung in Wien und Niederösterreich mit Abstand die weitaus größte VÖH-Teilorganisation.

Die Presse

Viele weibliche Mitglieder

Wobei freilich nicht alle Mitglieder Forscher an universitären Einrichtungen sind, im Gegenteil: Geologen wie Spötl sind die große Ausnahme, neben einigen Biologen oder Geografen üben die meisten Mitglieder keinen mit Höhlenforschung verbundenen Beruf aus. Im Prinzip, sagt Thomas Exel vom Wiener Landesverband, könne jeder Mitglied werden, Neulinge – unter den Nachwuchsforschern finden sich immer mehr Frauen – werden auf Vereinsfahrten mitgenommen und erhalten auch eine technische Ausbildung.

Was alle eint: das Interesse an der Erforschung von Neuem. Das muss es auch. Denn laut den Statuten der meisten Vereine ist es deren Aufgabe, die Forschung in und an Höhlen weiterzuführen. Oder wie es Präsident Spötl formuliert: „Der aktive Höhlenforscher ist einer, der ein Ziel hat.“

Etwa die Vermessung neu entdeckter Schächte. Denn zu Ende erforscht sind Österreichs Höhlen noch lange nicht: 14.000 bis 15.000 Höhlen sind entdeckt, vermessen und mithilfe von Katasternummern katalogisiert worden. Wie viele unentdeckte es noch gibt, weiß man nicht, aber: „Es vergeht kein Jahr, in dem nicht Dutzende Höhlen entdeckt werden“, sagt Spötl. Viele davon sind klein und eher unspektakulär.

Ab und zu ist aber doch eine spektakuläre Entdeckung dabei, wie zum Beispiel 2007, als im Toten Gebirge ein 120 Kilometer langes Höhlensystem (das längste der EU) entdeckt wurde. Derartige Entdeckungen, sagt Spötl, „spornen natürlich den Forschergeist an“.

Zentrum in Wien

Als eine Art Dokumentationszentrum für Österreich fungiert dabei das Naturhistorische Museum in Wien, in dessen geologischer Abteilung sich eine Forschergruppe intensiv mit Höhlen beschäftigt. Forschungsarbeit, „um die uns so mancher Experte im Ausland beneidet“, sagt Spötl.

Praktisch alle Expeditionen, die über den touristisch erschlossenen Schauhöhlen-Teil vieler Hohlräume hinausgehen, dienen der Erfassung des österreichischen Untergrunds – denn angesichts der großen Zahl an Höhlen in Österreich tauchen immer neue Schächte und Durchgänge, Hallen und Schlote auf, die noch nicht vollständig erfasst sind. So ändern sich auch die „Rekordlisten“ des VÖH immer wieder. Auf der Liste der Höhlen mit einer Tiefe von mehr als 200 Metern finden sich derzeit 258 Einträge. Auf jener der Höhlen, die länger als zwei Kilometer sind, 117 – und die Tendenz ist steigend, weil durch die fortschreitende Erfassung immer mehr diese Marken überschreiten.

AUF EINEN BLICK

2466 Höhlenforscher sind in Österreich vereinsmäßig organisiert. Die Vermessung und Erfassung im „Höhlenkataster“ basiert fast ausschließlich auf dem Engagement von Hobbyforschern. Durch die laufende Vermessung ändern sich die Listen der größten Höhlen des Landes ständig, derzeit gilt als längste Höhle das Schönberg-System in der Steiermark (140 Kilometer), als tiefste der Lamprechtsofen (1061 Meter) in Salzburg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2014)

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