Mit Sneakers am Straßenstrich

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Polizei, Finanzamt und Stadt Wien auf Razzia im Rotlicht der Leopoldstadt. Geheime, illegale und Pendler-Prostitution machen die Identifizierung schwer.

Wien. Mitternacht. In einer ruhigen Seitengasse nahe des Pratersterns schlendert ein Mädchen in Freizeitkleidung den Gehsteig entlang. „Da schwingt schon eine das Taschl. Ihr G'sicht kenn i schon“, ruft einer der Polizisten in einem auffällig unauffälligen Kleinwagen aus. Die Polizisten halten sie an.

Einer kontrolliert den Ausweis und überprüft per Laptop, ob sie eine Aufenthaltsgenehmigung hat; ein anderer durchsucht die Handtasche und findet, was er sucht: Kondome. Die junge Frau aus Ex-Jugoslawien ist Geheimprostituierte; eine von fünf, die bei der Razzia im zweiten Bezirk an diesem Abend erwischt werden.

Das Mädchen war ein Zufallstreffer. Eigentlich sind die Polizisten der Inspektion Pappenheimgasse hier, um ein „Massagestudio“ zu kontrollieren. Ein Tipp von der Kriminaldirektion, Verdacht auf illegale Prostitution. Die Beamten werden von einem Polizeijuristen und Mitarbeitern der Stadt Wien, des Finanzamts und der Kriminalpolizei begleitet, die Verstöße gegen Aufenthaltsberechtigung, Arbeitserlaubnis sofort ahnden. Bei Prostituierten sichten sie auch den „Deckel“, ein Dokument, das beweist, dass sie bei der verpflichtenden wöchentlichen Gesundenuntersuchung waren. Dabei ist viel High-Tech im Spiel. Per Laptop werden vor Ort die Angaben in den jeweiligen Datenbanken überprüft. Ein bis zwei Mal pro Woche finden solche „konzertierten Aktionen“ zur Kontrolle von Rotlicht- wie normalen Speiselokalen statt.

Bei dem Massagestudio hat die Gruppe Pech, die kameraüberwachte Tür bleibt geschlossen. Anders bei einem Rotlichtlokal an der Grenze zum zwanzigsten Bezirk: drei Mädchen aus dem ehemaligen Ostblock sitzen in Dessous im schwülstigen Ambiente und warten auf Freier. Nur ein junger Mann sitzt an der Bar, die heruntergekommenen Separées mit Duschkabinen sind leer.

Angst vor den EM-Freiern

„Hat alles gepasst?“, fragt der Bordellbesitzer, ein gepflegter Mittvierziger, freundlich. „Das sind heute normale Geschäftsmänner“, erzählt einer der Polizisten nebenher. „So etwas wie Prater-Strizzis gibt es seit zwanzig Jahren nicht mehr.“ Inzwischen spricht der Lokalbetreiber über seine Angst vor der EM. Gerade mit Polen, sagt er, habe er nur schlechte Erfahrungen gemacht. „Wenn die b'soffn sind, werden sie aggressiv, wollen nicht bezahlen.“ Für ihn selbst ist es aber ein teurer Abend: sieben Anzeigen nach der Gewerbeordnung.

Offizielle Bordelle wie dieses gibt es nur wenige in der Leopoldstadt. Dafür umso mehr Geheimprostitution: in Frühstückspensionen, Massagesalons, als inoffizielles „Zusatzservice“ in Sexvideokabinen oder auf der Straße, erzählt ein Polizist, der seit 30 Jahren im zweiten Bezirk Dienst macht. Anders als am Gürtel gingen hier viele Österreicherinnen auf den Strich. Um ihre Drogensucht zu finanzieren, oder „weil sie Familie haben und sie nicht anders durchbringen können“.

Und dann sind da noch die „Pendler-Prostituierten“: Frauen, oft aus demselben ungarischen Dorf, kämen am Morgen mit dem Bus, um in unscheinbaren Lokalen auf Freier zu warten. Das nachzuweisen sei aber schwer. Schließlich tragen sie keine Strapse. Schon eher Freizeitkleidung.

AUF EINEN BLICK

Ein bis zwei Mal pro Monat kontrollieren Polizei, Finanzamt und Fachgruppen der Stadt Wien gemeinsam mehrere Lokale.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2008)

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