Gastronomie: Protest gegen Allergie-Verordnung

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ab Dezember müssen Gastronomen Speisen, die Allergien hervorrufen können, kennzeichnen. Ein Wirt will Allergiker mittels speziellem Gewürz vertreiben.

Wien. Es herrscht Aufregung in der heimischen Gastronomie. Gerade habe man sich mit der Raucherregelung herumgeschlagen, klagt man, schon stehe ein neuer Stolperstein im Weg: die EU-Verordnung, die ab 13. Dezember in Kraft tritt und Gastronomen verpflichtet, bei ihren Speisen jene Zutaten zu kennzeichnen, die Allergien hervorrufen können. Man habe ja Verständnis für Allergiker, aber das gehe zu weit, lautet der Tenor bei den Gastronomen, die sich gestern, Donnerstag, bei einer Pressekonferenz des Fachverbands der Gastronomie der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) versammelten.

„Die meisten Allergiker wissen, was sie essen sollen. Wir überziehen damit die Diskussion“, meint Helmut Hinterleitner, Spartenobmann Gastronomie der WKO. Er sieht in der neuen Verordnung einen enormen bürokratischen Aufwand für die Betriebe und fürchtet, dass dadurch regionale Produkte durch industriell erzeugte und gekennzeichnete Ware ersetzt werden wird.

Wirte müssen mündlich informieren

Konkret besagt die neue Verordnung, dass Gäste in Zukunft darüber informiert werden müssen, wenn bei der Herstellung der Speisen Zutaten verwendet wurden, die in eine der 14 Hauptkategorien fallen: glutenhaltiges Getreide, Krebstiere, Eier, Fisch, Erdnüsse, Soja, Milch, Schalenfrüchte, Sellerie, Senf, Sesam, Schwefeldioxid und Sulfite, Lupine (auch Wolfsbohne) und Weichtiere wie Schnecken, Muscheln oder Tintenfische.

Wie genau diese Kennzeichnung vorgenommen wird, überlässt die EU den einzelnen Mitgliedstaaten. In Österreich hat sich das dafür zuständige Gesundheitsministerium für eine mündliche Information, die geschultes Personal voraussetzt, entschieden. Allerdings muss die Möglichkeit der mündlichen Information irgendwo (zum Beispiel in der Speisekarte) schriftlich vermerkt werden. Eine schriftliche Kennzeichnung können die Gastronomen freiwillig vornehmen. Und: Es gibt keine Verpflichtung, Speisen, die für Allergiker geeignet sind, anzubieten.

Hinzu kommt, dass sich Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) für eine von der EU nicht vorgeschriebene Kennzeichnungspflicht bei bestimmten künstlichen Süßstoffen, die vor allem in alkoholfreien Light-Getränken, enthalten sind, entschieden hat. Für diese Verordnung zeigt Hinterleitner wenig Verständnis. Er richtet hingegen zwei Forderungen an den Gesundheitsminister. Erstens fordert er eine Kennzeichnungspflicht für alle. Derzeit seien nämlich Vereinsfeste, Clubbings und ähnliche Veranstaltungen von dieser Regelung ausgenommen. „Wenn das so enorm wichtig ist, ist es in allen Bereichen wichtig“, meint Hinterleitner.

Zweitens ist ihm der Strafrahmen zu hoch. Der liege derzeit nämlich – dem Pferdefleischskandal sei Dank – bei bis zu 50.000 Euro. „Das führt jeden Betrieb in den Ruin“, so Hinterleitner.

Allergiker: Die neuen Nichtraucher?

Für die Fachgruppe Gastronomie im Wiener Wirtschaftsbund sind diese Forderungen zu wenig. „Ab Dezember kochen wir alle mit Angst. Zuerst hatten wir die Nichtraucher, jetzt die Allergiker, das kleine Glücksspiel wird auch verboten, und nächstes Jahr endet die Übergangsfrist bei der Barrierefreiheit“, sagt dessen Obmann, Peter Dobcak. Auch der Wirt des Basteibeisls, Erwin Scheiflinger, kritisiert die Regelung. „Mich ärgert, dass die Politik das verschlafen hat. Seit fünf Jahren wissen wir, dass das kommen wird, und kein Lehrling wurde daraufhin geschult. Wir wissen auch nicht, wo wir unsere Mitarbeiter schulen können. Wie soll sich das bis Dezember bei 55.000 Betrieben in Österreich ausgehen?“ Er plant deshalb eine Protestaktion: Er will ein geschmacksneutrales Gewürz kreieren, das alle Allergene enthält. „Dann schreib ich drauf: Für Allergiker ungeeignet und bin aus dem Schneider.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2014)

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