Neue alte Probleme der Justizwache

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HäftlingClemens Fabry
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Die Justizwache klagte – erneut – über Personalnot, packte vorübergehend sogar die Streikkeule aus. Am Freitag gab es nach einem Treffen im Justizressort aber versöhnliche Töne.

Die derzeit hochkochenden Probleme im Strafvollzug führten am Freitag zu einer zumindest auf den ersten Blick paradox wirkenden Zuspitzung: Anstatt demonstrativ alle Anstrengungen zu bündeln, um möglichst nicht noch weitere Skandale (Mann mit „verwesenden“ Beinen in Krems-Stein, prügelnde Justizwachebeamte in Suben, Oberösterreich) heraufzubeschwören, wurde eine Drohkulisse aufgebaut: Die VP-dominierte Justizwachegewerkschaft rief die 3100 Justizwachebeamten Österreichs zu Dienststellenversammlungen auf.

Diese fanden regen Zulauf. Auch das äußerste Mittel des Arbeitskampfes, nämlich ein Streik, wurde erwogen. Nach einem Gespräch mit VP-Justizminister Wolfgang Brandstetter waren die Wogen aber wieder geglättet.

Wie erwähnt, war das Vorgehen der Gewerkschafter aber nur auf den ersten Blick paradox. In der Tat weisen Standesvertreter seit Jahren – weitgehend ohne Erfolg – sowohl auf Personalknappheit als auch auf strukturelle Mängel im Strafvollzug und bei der Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher (Maßnahmenvollzug) hin. Wie schlimm die Lage ist, hatte Brandstetter im „Presse“-Gespräch so geschildert: „Das System ist krank.“ Es solle Reformen geben, bei denen „kein Stein auf dem anderen bleibt“.

Nun ist man dabei, eine eigene Strafvollzugssektion aufzubauen. Eine solche gab es früher bereits. Die neue Sektion soll künftig als „Generaldirektion“ für den Strafvollzug geführt werden. Und der Minister hat eine Expertengruppe mit dem Ausarbeiten eines Reformprogramms beauftragt. Schon jetzt steht fest: Das Betreuungsangebot für psychisch kranke Insassen in geschlossenen Anstalten wird verbessert werden. Und auch der Vollzug bei Jugendlichen soll bundesweit nach und nach entweder in eigene Anstalten wandern, oder aber die niederösterreichische Anstalt Gerasdorf, Österreichs einziges Jugendgefängnis, wird zu einem Zentrum ausgebaut.

Doch reibungslos geht im Strafvollzug gar nichts. Brandstetter kündigte erst im April an, in einem derzeit von der Fremdenpolizei genutzten Gebäude am Hernalser Gürtel (Wien-Josefstadt) ein neues „Kompetenzzentrum“ für jugendliche Häftlinge zu errichten. Mittlerweile ist praktisch fix – wenngleich man dies im Justizressort (noch) nicht zugibt: Aus dem neuen Jugendgefängnis wird nichts. Die Polizei braucht zumindest einen Teil des Hauses auch weiterhin. Und: Das Gebäude müsste umgebaut werden, wofür gar kein Geld da ist.

Zu viel Politik im Kleinen

Aber zurück zur Justizwache: Deren Vorsitzender Albin Simma forderte zunächst in einer Resolution – verkürzt gesagt – eben mehr Leute. Und mehr Geld. Nach dem Gespräch mit Brandstetter, an dem auch GÖD-Boss Fritz Neugebauer teilnahm, sah die (gewerkschaftliche) Welt rosiger aus. Simma meldete, der Maßnahmenvollzug werde künftig aus den Haftanstalten ausgelagert werden. Inwieweit dies tatsächlich geschehen wird, muss aber erst vorsichtig abgewartet werden.

Das Problem gewerkschaftlicher Initiativen: Die Personalvertreter liefern sich dabei je nach Fraktion interne politische Grabenkämpfe. Und schießen bei ihren Aktivitäten übers Ziel hinaus. Kaum eine Postenbestellung kommt ohne Zurufe von Personalvertretern aus. Kaum eine Straffung von Arbeitsabläufen durch die Anstaltsleiter und/oder die Wachkommandanten geht ohne Protestgeschrei über die Bühne. Daher wünschen sich Anstaltsleiter wie etwa Helene Pigl (Wien-Josefstadt) oder Bruno Sladek (Krems-Stein) längst mehr Autonomie im Management ihrer Haftanstalten.

Einen Aufreger gab es auf den Dienststellenversammlungen aber doch: Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft in der Justizanstalt Krems-Stein, Franz Ehrenberger von der Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter, hatte im ORF gesagt, er verstehe das „wahnsinnige Aufheben“ um die Vernachlässigung des Häftlings mit den kranken Beinen nicht. Die Justizwache könne nicht jedem Häftling „eine Tafel Schokolade geben“. Simma zufolge wurde nun bei den Versammlungen gefordert, diese Aussagen kollektiv zu verurteilen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2014)

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