Martin Wabl holt Kampusch als Zeugin

(c) AP (Ronald Zak)
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Ex-Richter setzt Rechtsstreit mit Kampusch-Mutter fort. Auch seine Brüder sind konflikterprobt.

GRAZ. Er selbst bezeichnet sich als „Gerechtigkeitsfanatiker“. Als solcher wird Martin Wabl am Donnerstag vor dem Grazer Zivilgericht für gehöriges (mediales) Aufsehen sorgen. Wieder einmal. Denn schon kurz nach der Entführung von Natascha Kampusch behauptete Wabl, die Mutter von Natascha sei aktiv in die Entführung involviert gewesen.

Wabls These: Um einen sexuellen Missbrauch an Natascha zu kaschieren hätte Brigitta Sirny Wolfgang Priklopil zur Entführung der damals Zehnjährigen angestiftet. Sirny klagte auf Widerruf und Unterlassung – und gewann.

Nach dem Auftauchen von Kampusch erwirkte Wabl jedoch eine Wiederaufnahme. Nach einer ersten Verhandlungsrunde Anfang April am Bezirksgericht in Gleisdorf wird der Prozess jetzt in Graz fortgesetzt. Mit einer prominenten Liste von Zeugen: Neben Ex-Kripochef Ernst Geiger, dem Psychiater Max Friedrich und Detektiv Walter Pöchhacker sind auch Natascha Kampusch selbst und ihr Vater Ludwig Koch geladen. Interessierter Beobachter des Verfahrens ist auch Ludwig Adamovich, der als Leiter der Evaluierungskommission im Fall Kampusch vor wenigen Tagen seinen zweiten Bericht an Innenminister Günther Platter übergeben hat („Die Presse“ berichtete).

„Es hat einen Tatverdacht gegen die Mutter gegeben, dem nicht nachgegangen wurde“, ist Martin Wabl überzeugt. Ein Vergleichsangebot hat er zuletzt abgelehnt. Eine Konfliktbereitschaft, die sich als Charakterzug quer durch die Familie zieht.

Fünf Brüder umfasst der aus der Oststeiermark stammende „Wabl-Clan“. Während Bernhard als Volksschuldirektor in der Südsteiermark und Matthias als Professor für Mikrobiologie und Immunologie an der University of California in San Francisco politisch nicht (mehr) öffentlich in Erscheinung treten, tauchen die drei anderen Brüder immer wieder im medialen Scheinwerferlicht auf.

So ist Martin Wabl seit 1981 auf den verschiedensten politischen Bühnen aktiv. Zunächst saß er für die SPÖ im steirischen Landtag, dann im Bundesrat. Später (1995) wechselte er zu den Grünen und stieg dort zum Landtagsklubobmann auf. Nach seinem Ausstieg 1999 kandidierte er zweimal für das Amt des Bundespräsidenten. Als Bezirksrichter wurde er 2004 vom Oberlandesgericht Graz zwangspensioniert. Seither widmet er sich noch intensiver dem Fall Kampusch. Andreas Wabl wiederum war 1986 unter den ersten Grünen Nationalratsabgeordneten und saß bis 1999 im Parlament. Typisch grüner Aktionismus wie das Schwenken einer Hakenkreuzfahne als Protest gegen den damaligen Bundespräsidenten Kurt Waldheim, war dem ausgebildeten Volksschullehrer zu dieser Zeit nicht fremd. Heute ist er Klimaschutzbeauftragter von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer.

„Wir sind Söhne der Republik“

„Man kann sich vorstellen, was bei fünf Buben los war“, erinnert sich Andreas an eine stürmische Jugendzeit im Hause Wabl. Geprägt vom Vater und dessen ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn sei „fast immer über Politik geredet worden“, sagt Christian Wabl. Der Vater habe als Waisenkind eine enge Beziehung zum Gemeinwesen gehabt. Das habe er weitergegeben, so „sind wir Söhne der Republik“, sagt Christian Wabl, der mit seiner (abgewiesenen) Feinstaub-Klage gegen die Republik in den Medien war. Vor dem Hintergrund der damals erstarkenden Sozialdemokratie und geprägt von den 1968ern sei man „als Dissident angelegt“, ergänzt Andreas Wabl. „Aber mit unterschiedlich ausgeprägter Kampfeslust“, differenziert Christian. „Es sind drei Menschen, die jedenfalls sehr selbstbewusst auftreten“, versucht die grüne Landtagsabgeordnete Edith Zitz auf Basis eigener Erfahrungen in der Zusammenarbeit eine Klammer.

KAMPUSCH, KLIMA, FEINSTAUB:Wabls an allen Fronten

Wiederaufnahme. Schon kurz nach dem Verschwinden von Natascha Kampusch hatte der damalige Bezirksrichter Martin Wabl (li.) die Mutter Brigitta Sirny der Mittäterschaft beschuldigt. Um einen sexuellen Missbrauch zu vertuschen, hätte sie Wolfgang Priklopil zur Entführung angestiftet, so Wabls These, die er heute vor Gericht beweisen will.

Wabls jüngerer Bruder Andreas (re.) war Grüner Nationalratsabgeordneter und hat sich als Klimaschutzbeauftragter der Bundesregierung zuletzt mit der Autoindustrie angelegt. Bruder Christian klagte wiederum die Republik wegen der Feinstaub-Belastung in Graz. Seine Klage wurde abgewiesen. [APA(2)]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2008)

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