Kampusch-Prozess: Zeugen belasten Nataschas Mutter

(c) AP (Markus Leodolter)
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Im Prozess gegen den Ex-Richter Wabl belasten Zeugen die Klägerin Brigitta Sirny, Kampuschs Mutter. Wabl hatte gesagt, Sirny sei in die Entführung verwickelt gewesen. Kampusch sagte unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus.

Am Donnerstag startete im Grazer Zivilgericht der Prozess im Fall Kampusch. Kampuschs Mutter Brigitta Sirny hatte den Ex-Richter Martin Wabl geklagt, weil er sie beschuldigt, an der Entführung ihrer Tochter beteiligt gewesen zu sein. Dabei wurde die Klägerin von zwei Seiten belastet: von ihrem ehemaligen Partner und Vater von Natascha, Ludwig Koch, und einer ehemaligen Nachbarin und Angestellten. Natascha Kampusch sagte auch aus, allerdings erst nach Ausschluss der Öffentlichkeit. Außerdem wurden Psychiater Max Friedrich und Ex-Polizist Ernst Geiger befragt.

Wabl: "Kein normaler Entführungsfall"

Zu Beginn der Verhandlung legte Wabl dar, wieso er nach wie vor an eine Mitschuld der Mutter von Natascha Kampusch glaubt. Unterstützt von Detektiv Walter Pöchhacker schilderte Wabl, dass er schon beim Verschwinden des Mädchens vermutet habe, es handle sich "um keinen normalen Entführungsfall", sondern "die Lösung liegt in der Familie".

Wenige Tage nach dem Verschwinden des Mädchens traf er sich mit Sirny, um seine Hilfe anzubieten. Eine Schwester von Natascha habe ihm dabei erzählt, das Mädchen habe kurz zuvor stark zugenommen und begonnen, ins Bett zu machen. "Das deutete für mich auf einen sexuellen Missbrauch hin", so Wabl. Die Polizei habe diese Richtung zwar zunächst verfolgt, aber nach einem Gutachten des Sachverständigen Max Friedrich, der keine Anzeichen für sexuellen Missbrauch vor dem Verschwinden fand, wurde diese Spur fallen gelassen. Stutzig sei er geworden, als Brigitta Sirny schon bald erklärt habe, sie habe die Hoffnung aufgegeben. "Eine Mutter gibt die Hoffnung überhaupt nicht auf", meinte der pensionierte Richter.

Vater: "Weder 100 % ja noch 100 % nein"

Ludwig Koch, Nataschas Vater, erklärte, er könne nicht sagen, ob er Wolfgang Priklopil gekannt habe - und er bezweifelte auch, dass das Sirny mit Bestimmtheit könne. Er schilderte, dass Sirny am Tag von Nataschas Verschwinden bereits eine Anzeige erstattet hatte, bevor sie ihn anrief. "Das hat mich im Nachhinein verwundert", so Koch. Über seine Ehemalige Lebensgefährtin sagte er: "Ich möchte nicht auf sie losgehen, ich möchte Klarheit". "Haben Sie den konkreten Verdacht, dass sie etwas mit der Sache zu tun hat?", fragte Richter Jürgen Schweiger. "Kann ich nicht sagen. Weder zu hundert Prozent ja noch zu hundert Prozent nein."

Zeugin: Habe Priklopil bei Sirny gesehen

Nach der Befragung von Natascha Kampusch, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, wurde eine Nachbarin und ehemalige Angestellte von Sirny befragt, die die Klägerin schwer belastete. "Ich glaube, dass sie mit der Entführung zu tun hat", meinte die Befragte. Ihrer Meinung nach sei vor der Entführung "entweder in der Nacht etwas passiert oder sie hat Natascha verkauft", so ihre Angaben. Zusätzlich gab sie an, Wolfgang Priklopil einmal im Geschäft von Brigitta Sirny gesehen zu haben.

"Zum sexuellen Missbrauch kann ich nichts sagen, ich war ja nicht dabei", meinte die Zeugin. Sie schilderte, wie am Tag vor Nataschas Verschwinden das Mädchen bis in die Nacht hinein bei ihr auf die Mutter gewartet hatte. Natascha war damals gerade von einem Ungarnausflug mit ihrem Vater zurückgekommen. Sirny sei sehr böse gewesen, weil Natascha nicht allein in der Wohnung gewartet hätte. Am nächsten Tag verschwand die Zehnjährige. Die Nachbarin fuhr zum Vater, um bei der Suche zu helfen. "Dann hab' ich sie angerufen und gesagt, dass niemand da ist, aber da hat sie schon Anzeige erstattet. Das ist mir komisch vorgekommen, ich hätte Natascha ja mitbringen können", gab die Zeugin zu bedenken.

Zur Polizei habe sie damals gesagt: "Entweder ist in der Nacht etwas passiert oder sie (Sirny, Anm.) hat Natascha verkauft." "Das klingt seltsam", gab der Richter zu bedenken. "Die Frau Sirny war immer nur auf's Geld aus", so die Nachbarin. Dem Anwalt der Klägerin wurden die Aussagen schon fast zu viel, er drohte der Zeugin mit einer Klage. "Das ist keine Tratschrunde über Frau Sirny", meinte er erbost.

Schließlich schilderte die Nachbarin noch, wie sie im Geschäft von Brigitta Sirny im Herbst 1997 zwei Männer bei einem Stromkasten gesehen hätte. Einer sei ein Bekannter ihrer Chefin gewesen, der zweite "hat mich so deppert angeschaut. Er war kleiner als ich. Seit ich die Bilder im Fernsehen gesehen habe weiß ich, es war der Priklopil", war sie überzeugt.

Friedrich: Infos von Eltern und TV 

Max Friedrich, der Natascha Kampusch auch nach ihrem Auftauchen wieder betreut hat, durfte nur über seinen damaligen Wissenstand Auskunft geben. Er erklärte, er sei beauftragt worden, ein Gutachten zu erstellen. Als Grundlage hätten ihm Gespräche mit den Eltern und eine Sendung des ORF gedient. Sein Ergebnis: Sexueller Missbrauch sei bei dem verschwundenen Mädchen nicht vorgelegen.

"Warum haben Sie nicht in der Schule nachgefragt?", wollte Martin Wabl wissen. "Weil mir das, was ich gehabt habe, gereicht hat", antwortete der Arzt. Eine ältere Freundin Nataschas hätte auch zunächst auch von ihm befragt werden sollen, "aber ich bin nicht an die Adresse herangekommen, und das Sicherheitsbüro wollte rasche Daten."

Geiger: Mutter hatte lückenhaftes Alibi 

Ernst Geiger bestätigte, dass nach dem Gutachten die Ermittlungen in Richtung sexueller Missbrauch nicht weiter gingen. "In so einem Fall kann man nur Beweggründe erforschen oder Spuren sicherstellen. Natürlich gab es erste Ermittlungen in der Familie." Der Verdacht gegen den Vater Ludwig Koch wurde aber sehr schnell fallen gelassen, "weil er ein sicheres Alibi hatte". Das von der Mutter sei lückenhafter gewesen, "das ist aber nicht ungewöhnlich", so Geiger. Nach Friedrichs Gutachten habe man aber eher in Richtung weiße Kombis ermittelt, da ein Kind angegeben hatte, Natascha sei mit so einem Auto entführt worden. Der Hinweis in Richtung Wolfgang Priklopil, den ein Hundeführer gemacht hat, "ist nicht bis zu mir vorgedrungen und wurde dann halt übersehen", so Geiger.

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