»Vielfalt erhöht die Akzeptanz«

Birgit Dieminger, die Leiterin von »Richtig essen von Anfang an«, über Beikost.

Wann ist das Konzept Baby-led Weaning (BLW) in Österreich aufgekommen?

Birgit Dieminger: Seit 2008 gibt es ein Buch von einer britischen Hebamme und Stillberaterin (Gill Rapley, Anm.), in deutscher Sprache wurde es 2013 publiziert. Anfragen kriegen wir dazu nur wenige, viel eher zur normalen Beikost. Es sollte eine Bereicherung sein und kombiniert werden. Wir empfehlen eine Kombination aus beidem.

Wie beurteilen Sie BLW?

Jedes Kind ist anders, und es gibt Kindern, die Breikost vollkommen ablehnen. Dann sollte Fingerfood unterstützt werden. Es gibt überall Vor- und Nachteile. Der Nachteil von BLW ist, dass der Beitrag zur Energie- und Nährstoffversorgung aufgrund der geringen Verzehrmengen und der eingeschränkten Eignung einiger Lebensmittel geringer ist. Vor allem Kinder, die aufgrund verzögerter Entwicklung später damit anfangen, könnten Probleme haben. Es landet viel auf dem Boden, bei Fleisch ist es auch schwierig, dass sie alle Sorten und Stücke essen. Fleisch ist als Eisen- und Zinkquelle am Beginn der Beikost besonders wichtig.

Gibt es eigentlich historische Trends bei der Babynahrung?

Empfehlungen für Beikost haben sich immer wieder geändert. Früher wurde eine bestimmte Abfolge der Breisorten empfohlen, heute gibt es das nicht mehr. Es sollte darauf geachtet werden, nährstoffreiche Lebensmittel zu geben. Auch das Wissen, dass man zucker- und salzreiche Lebensmittel im ersten Lebensjahr nicht geben soll, hat sich verbessert.

Wie lauten derzeit die aktuellen Regeln?

Man sollte im ersten Lebensjahr Produkte mit Salz und Pfeffer meiden, auch Topfen, Käse und natürlich Zucker, er versteckt sich auch in Fructose, Malzzucker, Saccharose, Schokoladenpulver oder Sirup. Vor dem sechsten Monat sollten keine Milch und Milchprodukten gegeben werden. Bei fertigen Breien soll man darauf achten, ob Öl enthalten ist. Wenn nicht, sollte man zu Hauptmahlzeiten ein bis zwei Teelöffel pflanzliches Öl pro 100Gramm Brei zumischen. Auch die Altersangabe am Etikett ist zu beachten. Was viele nicht wissen, aber wichtig ist: Man sollte immer mit den Produkten mit der jüngsten Altersangabe starten, auch wenn das Baby älter ist.

Wie sieht es mit Honig aus?

Honig ist ein rohes Produkt, er sollte aufgrund der Gefahr von Säuglingsbotulismus im ersten Jahr nicht gegeben werden. Manchmal ist es so, dass bei gekauften Produkten Honig in der Zutatenliste steht, dieser ist aber pasteurisiert, dann ist es kein Problem. Aber es verwirrt die Eltern.

Wie hoch ist die Erstickungsgefahr bei BLW?

Nüsse, die klein sind und eine ölige Oberfläche haben, sind gefährlich. Gedünstetes Gemüse ist hingegen weniger ein Problem, weil es zerdrückt werden kann. Geriebene und verarbeitete Nüsse sind aber gut in der Beikost.

Was sind die Vorteile von BLW?

Es hat sich gezeigt, dass die frühe Gewöhnung an verschiedene Geschmäcker, Aromen und Texturen die Akzeptanz neuer Lebensmittel erleichtert. Aber das kann auch mit Brei funktionieren, indem man nicht immer die gleichen Lebensmittel nimmt.

Sind eigentlich viele Eltern verunsichert?

Doch ja, wir haben schon viele Anfragen. Wir bieten auch österreichweit kostenlose Beikost-Workshops an, der Zulauf ist sehr gut.

Das Thema ist ja emotional stark besetzt.

Ja, das sehen wir schon auch. Ernährung ist ein emotionales und sehr persönliches Thema. Es ist wichtig, dass man richtige und einheitliche Information liefert, Eltern die Angst nimmt und sie stärkt, damit sie das Wissen auch in der Familie weiterverbreiten. Es ist oft so, dass die Großmutter schon sehr früh anfangen möchte, das Kind zu füttern, und Schokolade und Kekse zusteckt. Die Eltern haben aber einen anderen Zugang, sie achten mehr auf die Gesundheit. Großeltern meinen oft, es ist nicht mein eigenes Kind, jetzt darf ich, jetzt bin ich ja Großmutter.

Gibt es Studien, die zeigen, wie sich Babynahrung später auswirkt?

Untersuchungen haben gezeigt, dass Neugeborene eine angeborene Präferenz für süßen Geschmack aufweisen und bittere und saure Speisen ablehnen. Dann kommt die soziokulturelle Lernphase dazu, Kinder bevorzugen vertraute Nahrungsmittel. Wenn sie schon früher in Kontakt mit vielen Lebensmitteln kommen, erhöht sich die Präferenz langfristig. Auch das Imitieren anderer ist wichtig. Zwischen Eltern und Kindern bestehen oft Ähnlichkeiten bei Akzeptanz und Präferenz. Studien zeigen, dass man einem Kind zehn bis 16 Mal bestimmte Speisen anbieten muss, damit sie sie akzeptieren oder mögen. Viele hören aber schon nach dem dritten Mal auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.