"Presse" exklusiv. Einer jener neun Jihadisten, die mutmaßlich von Österreich aus in den Kampf ziehen wollten, wird vom Oberlandesgericht Wien als „innerstaatliche und internationale Gefährdung“ bezeichnet. Er bleibt in U-Haft.
Wien. Beim Versuch Österreich zu verlassen waren am 18. August zehn Personen festgenommen worden, neun wanderten wenig später in U-Haft. Diese neun Personen werden vom Oberlandesgericht (OLG) Wien offenbar als deutlich gefährlicher eingestuft, als bisher angenommen. Das legt eine neue Entscheidung im Fall eines aus dieser Riege stammenden Tschetschenen nahe: Dem 27-Jährigen wird bescheinigt, dass „von der aktiven Unterstützung einer religiös motivierten (sich von rationalen Argumenten daher entfernenden) und sich durch öffentlich inszenierte Gräueltaten in Szene setzenden Weltanschauung sowohl eine innerstaatliche als auch internationale Gefährdung der gesellschaftlichen Sicherheit ausgeht“.
Der Mann, der als anerkannter Flüchtling zuletzt in Niederösterreich lebte, steht laut dem der „Presse“ vorliegenden OLG-Beschluss unter dringenden Terrorverdacht. Ihm wird, so wie auch den anderen Inhaftierten, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (Strafrahmen: ein Jahr bis zehn Jahre Haft) angelastet. Konkret ist von der Terrormiliz IS die Rede. Und dem bewaffneten Jihad in Syrien.
All dies bestreitet der Verdächtige, ein gewisser Z. Er sagte zuletzt aus, er habe Österreich nur verlassen wollen, um nach Bulgarien auf Urlaub zu fahren. Ein anderer Mann aber, ein ebenfalls seit Ende August inhaftierter Verdächtiger türkischer Herkunft, hat aber im Verhör „ausgepackt“. Über die von ihm für junge Islamisten organisierten Reisen in Richtung Syrien erklärte er: „Die Sache, dass diese Personen mit mir in die Türkei gefahren zu sind, um Urlaub zu machen, glaubt niemand.“
„Tief verwurzelte Gesinnung“
Vielmehr gehen Österreichs Staatsschützer (nicht zuletzt nach Telefonüberwachungen) nach wie vor davon aus, dass sich die Verdächtigen in die syrischen Kriegsgebiete durchschlagen wollten. Das OLG liefert nun dem Verfassungsschutz Rückendeckung.
Die U-Haft bei Z. müsse wegen Fluchtgefahr sein, „weil der Beschuldigte sich zumindest auf längere Zeit von Österreich nach Syrien in den Einflussbereich einer eine internationale Gefahr darstellenden terroristischen Vereinigung begeben wollte.“ Auch an anderer Stelle fällt die immerhin von einem unabhängigen Drei-Richter-Senat (Vorsitz: Dietmar Krenn) getroffene Entscheidung bitter für den jungen Tschetschenen aus: „Aufgrund der zwangsläufig anzunehmenden tief verwurzelten religiösen und politischen Gesinnung ist anzunehmen, dass der Beschuldigte auf freiem Fuß (...) eine weitere strafbare Handlung begehen würde (...).“
Der Verteidiger von Z., der Wiener Rechtsanwalt Wolfgang Blaschitz, erklärte der „Presse“: „Ich werde diese Entscheidung mit Sicherheit beim Obersten Gerichtshof bekämpfen, zumal im Rahmen der Entscheidung des OLG Wien eigentlich alles reine Spekulation ist.“ Blaschitz denkt an eine Beschwerde wegen Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit.
Demgegenüber untermauert das OLG in dem – die U-Haft stützenden – Beschluss die Notwendigkeit einer U-Haft. Die „Bedeutung der Sache“, wie sich die Richter ausdrücken, wiege schwer. Sie dürfe „keinesfalls losgelöst vom insgesamt enormen innerstaatlichen und internationalen Störwert der kriminellen Aktivitäten betrachtet“ werden. Indessen muss das Gros der neun Inhaftierten noch auf kommenden Montag (6. Oktober) warten. An dem Tag finden Haftprüfungen statt.
>> Was tun gegen Radikalisierung? Diskutieren Sie mit im Themenforum
("Die Presse", Print-Ausgabe, 2. Oktober 2014)