Schneeerlebniswelt in Aspern: Von der U-Bahn auf die Piste

(c) Stanislav Jenis
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Bis Weihnachten soll in der Seestadt Aspern eine künstliche Schneeerlebniswelt entstehen. So soll Wiener Kindern Wintersport in der Stadt schmackhaft gemacht werden.

Alle sechs Minuten frisst sich die U2 durch das Rapsfeld. Im weiten Bogen nimmt sie den letzten Kilometer bis zur Seestadt. Nur einen Steinwurf neben der neuen U-Bahn-Station Aspern Nord, auf einem Erdhügel, steht Martin Freiberger und zeichnet Ellipsen in die Luft. Zu seiner Linken, erzählt der Unternehmer, soll demnächst eine Skipiste entstehen, weiter rechts eine Rodelbahn und drumherum eine Langlaufloipe. Wetterunabhängig, alles aus Kunststoff. Wenn der 43-Jährige von seiner Schneeerlebniswelt erzählt, dann gerät er ins Schwärmen. „In dieser Kombination gibt es das noch nirgendwo auf der Welt“, sagt Freiberger. Bis Weihnachten soll die künstliche Skiarena auf dem ehemaligen Flugfeld ihre Pforten öffnen. Noch wuchern hier Disteln. Eine Erdmaus blinzelt dazwischen hervor und sprintet durch das Gestrüpp von dannen.

Obwohl bereits die ersten Bewohner in der Seestadt Quartier beziehen, wird es bis zur endgültigen Fertigstellung des neuen Stadtteils im Osten Wiens noch 14 Jahre dauern. Doch das neue Areal, das einmal 20.000 Einwohner beherbergen soll, ruft schon jetzt die Freizeitindustrie auf den Plan. Die mit Abstand kühnste Idee: ein gigantisches Sportzentrum auf 160.000 Quadratmetern, um 200Millionen Euro. Ob und wann das Megaprojekt für Freizeit- und Spitzensportler eröffnet wird, ist noch unklar. Die Stadtplaner von Aspern haben unlängst im „Falter“ leise Zweifel an der Realisierbarkeit des Sporttempels anklingen lassen.

In zwei Wochen kommen die Bagger. Freibergers Skiarena ist um etliche Dimensionen kleiner gedacht, dafür hat er einen fixen Zeitplan. In zwei Wochen sollen Bagger auffahren und mit dem Aushubmaterial des nahen Aspernsees eine Rampe formen. 80 Meter lang und 70 Meter breit soll die Piste werden, beschichtet mit Kunststoffnoppen, die sich wie Schnee anfühlen. Im Prinzip, meint Freiberger, könnte man dann sogar im Hochsommer Ski fahren. „Aber im August werden wohl keine Hundertschaften kommen.“ Daher soll die Arena in der warmen Jahreszeit zu einem Freestylepark für Skateboarder umgebaut werden.

Der Wiener ist ausgebildeter Skilehrer. Seit 25 Jahren bringt er Kindern bei, wie sie auf zwei Brettern über die Piste wedeln. Doch seit geraumer Zeit dünnt sich Freibergers Kundschaft aus: „In den Siebzigerjahren wurden die Kinder noch mit Skiern an den Füßen geboren. Davon kann heute keine Rede mehr sein.“ Zu verlockend sei das Alternativprogramm auf der Couch: Facebook und Playstation. „Die Anmeldungen zu Skikursen sind stark rückläufig“, klagt Freiberger. Er kennt die Argumente der Eltern: die weiten Anfahrtswege zu den Skigebieten auf dem Semmering oder der Hohen Wand, die hohen Kosten für Ausrüstung und Liftkarten. Mit der Kunststoffpiste gleich neben der U-Bahn soll es künftig keine Ausreden mehr geben. Mit acht Euro pro Tag sind die Ticketpreise vergleichsweise günstig. Freiberger rechnet mit 500 Besuchern pro Tag.

Keine Alternative für Profis. Freilich: Zu hohe sportliche Erwartungen an die Plastikpiste dürfe man nicht stellen. „Für jemanden, der sich normalerweise über die Planai schwingt, wird das unbefriedigend sein“, räumt Freiberger ein. Das Zielpublikum seien Kinder, die zum ersten Mal auf zwei Brettern stehen. Daneben soll es eine Zipfelbobbahn und eine Snowboardrampe geben. Und eine Holzhütte mit Punsch für die Erwachsenen: „Ein Skikurs ist ja auch eine Form von Kinderaufbewahrung“, sagt Freiberger. Eltern zahlen einen reduzierten Preis – als Begleitpersonen. Die Schneeerlebniswelt soll in erster Linie ein Kindervergnügen sein.

Ganz neu ist die Idee mit der Plastikpiste jedoch nicht. In Budapest, erzählt Freiberger, habe man schon zu Zeiten des Eisernen Vorhangs mit Skiabfahrten auf Kunststoffmatten experimentiert. Auch die Schanzen für Skispringer sind aus demselben Material gefertigt. Schon im Vorjahr hat Freiberger in Penzing eine Minipiste errichtet, als Teststrecke. Nun wagt er den großen Sprung.

Das Grundstück in Aspern hat er von der Stadt gepachtet, „de facto kostet mich das nichts“. Die Stadtregierung stünde voll hinter seinem Projekt; dass er Verwendung für das überschüssige Aushubmaterial des künstlichen Sees habe, käme den Planungsverantwortlichen gelegen, erzählt er. Nur in einem Punkt holte sich der Skiunternehmer eine Abfuhr: „Es gibt von der Stadt kein Geld für das Projekt.“ Auch von den Banken kam Ablehnung: „Es ist derzeit nahezu unmöglich, einen Kredit zu bekommen. Erst recht für ein Projekt wie dieses.“

Fast 100.000Euro von der Crowd. Dennoch ist die Finanzierung mittlerweile gesichert. Rund 700.000 Euro soll die Anlage kosten, das meiste davon stemmen Großinvestoren, die Freiberger nicht namentlich nennen will. Zudem hat er über eine Crowdfounding-Kampagne fast 100.000Euro aufgestellt. Sein Versprechen: Innerhalb von drei Jahren würde die Anlage Gewinne abwerfen, in sieben Jahren würde sich die Investition in einen Genussschein sogar verdoppeln. Ob die Investoren auf ihre Kosten kommen, wird sich noch zeigen. Eines bekommen sie jedenfalls garantiert: Gratistickets zum Skifahren.

Plastikpiste

Martin Freiberger ist Skilehrer und Unternehmer. Bis Weihnachten will er nahe der Seestadt Aspern auf 5000meine Kunststoffskipiste eröffnen.

Der Bau kostet 700.000 Euro, ein Teil wurde über Crowdfounding lukriert. Die Tagestickets kosten acht Euro, Freiberger rechnet mit 500 Besuchern pro Tag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2014)

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