Kriminal-Statistik aufpoliert? Aus 46.000 wurde ein Delikt

Symbolbild: In der Kriminalitätsstatistik wurden 46.000 Delikte zu einem.
Symbolbild: In der Kriminalitätsstatistik wurden 46.000 Delikte zu einem.(c) APA (Helmut Fohringer)
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Ein Betrüger hat mit einer Aktion 46.000 Menschen geschädigt - in der Kriminal-Statistik 2004 wurde das Verbrechen als ein Fall gewertet. Der damalige Streit um die Zählweise sorgt nun für Aufregung.

Aufregung um eine angeblich getürkte Kriminalstatistik: Laut "Kronen-Zeitung" und "Heute" (Donnerstag-Ausgaben) wurde im Jahr 2004 ein Großbetrug mit rund 46.000 Einzeldelikten in der Statistik als eine einzige Straftat erfasst - auf Wunsch des Büros des Innenministers und entgegen der Ansicht des damaligen Chefs des Bundeskriminalamts (BK), Herwig Haidinger. Nach BK-Angaben von heute, Donnerstag, ging es um ein von einem Täter geschaltetes Zeitungsinserat mit einem Jobangebot, in dessen Folge mehr als 40.000 Personen geringe Geldbeträge auf ein Konto einzahlten, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten.

Haidinger hat sich dafür aussprochen, in diesem Betrugsfall aus dem Bereich der Wiener Polizei sämtliche Einzeldelikte zu erfassen - entgegen der Vorgangsweise im Landeskriminalamt Wien, die sich offenbar mit den Wünschen des Ministerbüros deckte. Von einer Besprechung im Kabinett des damaligen Innenministers Ernst Strasser (ÖVP) fertigte Haidinger ein Gedächtnisprotokoll an, aus dem die "Krone" so zitierte: "Diese Vorgangsweise durch das Kriminalamt Wien sehe ich als erlasswidrig an." Strassers stellvertretender Kabinettschef hat demnach erklärt, dass es einen "Auslegungsspielraum" gebe, und dieser "könne eben zu einem anderen Ergebnis führen".

Das Papier hat Haidinger nach eigenen Angaben vor einiger Zeit dem im März eingesetzten parlamentarischen Untersuchungsausschuss übermittelt, der die Vorwürfe Haidingers - es geht um angeblichen parteipolitischen Machtmissbrauch im Innenministerium - überprüfte. Heute soll der U-Ausschuss seine letzte Sitzung haben. Haidinger, dessen Vertrag als BK-Direktor im Februar dieses Jahres auslief und nicht mehr verlängert wurde, ist seither an der Sicherheitsakademie tätig.

"Ich habe das Papier auf dem Dienstweg von der Sicherheitsakademie an den Untersuchungsausschuss übermittelt", sagte Haidinger der APA. Es habe sich um eine von tausenden Unterlagen gehandelt. Das Papier sei von der Direktion der Sicherheitsakademie an die Clearing-Stelle des Bundeskriminalamts und jene des Innenministeriums gegangen, ehe es den Ausschuss erreichte. Inhaltlich wollte Haidinger keine weitere Angaben zu dem Protokoll machen. Über den Bericht in der "Krone" sei er am Mittwochabend von einem Freund aufmerksam gemacht worden.

19 Euro für Kugelschreiber und Zettel

Im konkreten Kriminalfall haben, wie BK-Sprecher Helmut Greiner erläuterte, auf in dem Zeitungsinserat offerierte Angebot für Heimarbeit tausende Menschen 18 oder 19 Euro gezahlt und dafür außer Unterlagen und einem Kugelschreiber nichts gekriegt. Da es sich um ein einziges Inserat handelte, wurde der Fall statistisch als ein einziger erfasst.

Die Regeln der Statistik

In einer Aussendung führte das BK gleich weitere Beispiele an, um das Vorgehen der Statistiker begreiflich zu machen: Werden in einem Haus drei Wohnungen aufgebrochen, so werden drei Delikte gespeichert, unabhängig davon, ob letztendlich ein oder mehrere Verdächtige ermittelt werden. Wenn bei einem Einbruch in ein Einfamilienhaus auch das Auto in der Garage aufgebrochen wird, zählt es als eine Tathandlung. Bricht eine Bande von 23 Tätern in einer Nacht 200 Autos auf und stiehlt daraus Wertgegenstände, werden 200 Tathandlungen in die Statistik eingetragen. Und wenn ein Betrunkener auf dem Heimweg zehn Schneestangen ausreißt, findet dies als eine einzige Tat Eingang in die Statistik.

Überhaupt keine Freude hat man naturgemäß in der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit. "Aus aktuellem Anlass möchte ich auch besonders darauf hinweisen, dass einerseits Darstellungen wie sogenannte Gedächtnisprotokolle, die im Nachhinein verfasst werden, natürlich keine ausreichenden Beweise sind, um ein Fehlverhalten zu belegen", erklärte Generaldirektor Elmar Marent in einer Aussendung, in der er sich zunächst zur Suspendierung von Oberst Roland Frühwirth von der Wiener Polizei äußerte.

Politischer Schlagabtausch

Die Gerüchte haben - wie nicht anders zu erwarten in Wahlkampfzeiten - zu zahlreichen Reaktionen der politischen Parteien geführt. Die SPÖ sieht ihren Verdacht, dass jahrelang mit falschen Zahlen gearbeitet wurde, bestätigt und verlangt von Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) eine Klarstellung. Die Angesprochene antwortet umgehend: "Wenn die persönlichen Ergüsse eines ehemaligen Direktors des Bundeskriminalamts, der in einem Rundumschlag einen Rachefeldzug gegen das Innenministerium führt, als Grundlage für unsachliche Verunsicherungs-Berichterstattung herangezogen werden, dann fehlt mir dazu jedes Verständnis."

Die ÖVP bezichtigte die SPÖ, ein schmutzige Kampagne gegen die Exekutive zu betreiben und durch die Verbreitung falscher Tatsachen unnötig Angst in der Bevölkerung zu schüren. Die FCG-Polizeigewerkschaft sieht das Ansehen der Polizei durch unwahre Behauptungen beschmutzt. Die ÖVP sei zur "österreichischen Manipulationspartei geworden", erklärte die FPÖ. Das BZÖ ortet einen Fall von Amtsmissbrauch.

(APA)

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