Datenschutz: Ärger mit Gemeindebau-Umfrage

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Die Fragebögen der größten Gemeindebau-Befragung der Geschichte sind mit einem Strichcode versehen: Selbst wenn der Befragte anonym bleiben will, lässt sich seine Identität rausfinden.

WIEN. Die größte Befragung, die es in der Geschichte der Stadt Wien je gab, wird für den Auftraggeber zum Problem. Ursprünglich wollte Wiener Wohnen Stimmung, Probleme und das subjektive Sicherheitsgefühl seiner Mieter erheben und hatte Fragebögen an alle 220.000 Wiener Gemeindebau-Wohnungen gesandt – auch mit der Möglichkeit, Fragen, Wünsche und Beschwerden anonym zu äußern; beispielsweise für Mieter, die befürchten, dass bei Beschwerden Konsequenzen durch Wiener Wohnen drohen.

Nachdem bereits vor einer Woche erste Zweifel aufkamen, ob die Anonymität wirklich eingehalten wird, haben Datenschützer von quintessenz nun nachgewiesen: Auf dem Fragebogen befindet sich ein Strichcode, den die Datenschützer mit einem professionellen Barcode-Lesegerät ausgewertet haben.

Das Ergebnis: Jeder Fragebogen, den ein Mieter an Wiener Wohnen retourniert, enthält die volle Kundennummer des Mieters – und damit dessen Adresse, Telefonnummer, Geburtsdatum etc. Die Brisanz: Wiener Wohnen verfügt über die Identität des Absenders, selbst wenn dieser Mieter den Fragebogen „anonym“, also ohne Angabe von Namen oder Adresse, ausgefüllt hat. „Damit ist jeder Fragebogen eindeutig zuordenbar und rückverfolgbar. Die versprochene Anonymität ist Makulatur“, so die Datenschützer von quintessenz. Fazit: Wer also glaubt, dass er völlig anonym der Stadt die Meinung sagen kann, der irrt.

Verdrehung der Tatsachen?

Ursprünglich hatte Wiener Wohnen in der Frage des Strichcodes am Antwortformular so argumentiert: Der diene nur der Zuordnung zu den Verwaltungssprengeln. Immerhin müsse man wissen, in welchem Gebiet Probleme auftreten, um sie dort gezielt bekämpfen zu können.

Nach den jetzigen quintessenz-Aussagen ist man im Büro von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig empört: „Das ist eine völlige Verdrehung der Tatsachen“, heißt es gegenüber der „Presse“. Die Befragung der Mieter von Wiener Wohnen sei nie als anonyme Befragung verkauft worden: „Schließlich werden die Mieter im Fragebogen persönlich mit Namen angeschrieben.“ Nachsatz: „Wir wollen direkt mit den Mietern in Kontakt treten.“ Wenn in einem Fragebogen von Problemen berichtet wird, müsse man schließlich wissen, wo genau in Wien es z. B. Probleme mit Lärm von Lokalen oder einer Straße gebe: „Nur eine anonyme Statistik zu erstellen, wo wir sagen: Es gibt 80Prozent Wohnzufriedenheit, ist zu wenig. Das löst die lokalen Probleme nicht.“

Und der Hinweis am Formular, dass Beschwerden auf Wunsch auch anonym abgegeben werden können? „Das ist trotzdem möglich“, beteuert das Wohnbau-Ressort: „Datensätze und Fragebogen werden dann getrennt voneinander erhoben.“ Wiener Wohnen garantiere, dass die Anonymität gewahrt bleibt – „auch wenn ich den Fragebogen theoretisch zuordnen könnte“.

Für Wiener Wohnen ist die Datenschutz-Diskussion aber nur ein Sturm im Wasserglas: „90 Prozent der Mieter geben Namen, Adresse und Telefonnummer an – weil sie persönliche Anliegen in ihrem Umfeld haben und möchten, dass Wiener Wohnen diese Probleme vor der Haustüre beseitigt.“

Die größte Umfrage in der Geschichte der Stadt (220.000 Wiener Gemeindewohnungen) über Probleme und Sorgen im Wiener Gemeindebau sorgt für Ärger. Das Versprechen, dass Mieter der Stadt auch völlig anonym die Meinung sagen können, hält nicht, wie Datenschützer nun nachgewiesen haben: Auf dem Antwortformular findet sich ein Code, der den Absender identifiziert; selbst wenn dieser anonym bleiben will.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2008)

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