Aus für die Ring-Runde: Ende einer Ära

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ringlinien wien(c) Clemens Fabry
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Mit dem Aus der Ringlinien geht eine lange Tradition zu Ende. Oder? Die ÖVP fordert den Erhalt einer Ringlinie und rechnet mit mehr Reisebus-Verkehr.

Wien. Wie alt muss man eigentlich werden, ehe man als „Institution“ gilt? Nicht unbedingt sehr alt, wie die „Ringlinien“, die Straßenbahnen 1 und 2, beweisen. Es reicht, wenn die Wiener glauben, die Ringrunde habe es „immer schon“ gegeben. Das hört man jetzt vermehrt, meist klingt es melancholisch. Jetzt, da die beiden Straßenbahnlinien nur noch wenige Tage ihre Rund-um-den-Ring-Strecke absolvieren, ehe die Wiener Linien sie ab 26. Oktober auf neue Routen schicken.

Da packt manch einen die Wehmut, die Wiener VP ärgert das Aus so sehr, dass sie am Dienstag fast geschlossen ausgerückt ist und mit Transparenten („Nein zur Einstellung der Ringlinien“) protestiert hat. Zumindest in eine Richtung, so Klubchef Matthias Tschirf, müsse man diese „100 Jahre alte, gute Tradition“ beibehalten. Für die Touristen. Und die Wiener. City-Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel, Veränderungen prinzipiell nicht gerade zugeneigt, sprach von „einer liebenswürdigen Institution, die ich seit meiner Kindheit kenne“.

Unfallrisiko senken

Wenn's denn so wäre. Tatsächlich ist die vermeintlich lange Tradition der Ringlinien erstaunlich kurz: Die Linie 2 nahm erst 1985 die Ringrunde auf, die Linie 1 folgte im Juni 1986. „Davor hat es den Kreiserlverkehr nie gegeben“, sagt Helmut Portele, Gründer des „Wiener Tramwaymuseums“. Eine lange Geschichte habe die „neue“ Führung des „Einser“ und „Zweiers“ als „Durchgangslinien“ (von einem Stadtteil über den Ring in einen andern Stadtteil). „So sind die Straßenbahnen früher immer geführt worden.“ Dann aber wurden die Linien 1 und 2 im Kreis geschickt, um das Unfallrisiko am Ring zu senken: Je seltener Straßenbahnen vom Ring abbiegen, so die Überlegung damals, umso seltener kommt es zu Unfällen mit Autos.

Die ÖVP befürchtet, dass die Touristen nun vermehrt in Bussen die Sehenswürdigkeiten entlang des Rings abfahren. Auch die Wiener würden wieder aufs Auto umsteigen. „Eines Tages wird man bereuen, dass man diese Attraktion eingestellt hat“, glaubt Stenzel.

Die Wiener Linien sehen das anders. Die Linien 1 und 2 seien von den Fahrgästen nicht wie erwartet angenommen worden. Für die Änderung der Streckenführung habe es mehrere Gründe gegeben: 1er und 2er hätten zwei lange Stehzeiten gehabt, die auf Kritik gestoßen sind. „Das ist nicht im Sinn eines guten öffentlichen Verkehrsmittels“, sagt Pressesprecher Michael Zentner.

Analysen der Verkehrsströme und Kundenwünsche hätten ergeben, dass die Wiener Umsteigen sehr stark stört. Sie wollen von der Vorstadt direkt in die City kommen. Diesen Bedenken entspricht die künftige Linienführung, die übrigens – laut Studie des Instituts für Raumplanung – 700.000 zusätzliche Fahrgäste jährlich bringen werde.

Buchstaben verschwinden

Für das Jahr 2009 sind dann auch eine Verlängerung des 71er, der bisher keine U-Bahn-Anbindung hatte, bis zur Börse vorgesehen (Linie 4). Und der bisherige D-Wagen wird ebenfalls im Verlauf des Jahres 2009 umbenannt (Linie 3). Die Linienführung bleibt vorerst unverändert – zumindest bis zur Fertigstellung des neuen Hauptbahnhofes. Die Buchstaben verschwinden. Auch der O bekommt in absehbarer Zeit eine Nummer.

Während die Vorbereitung für die neuen Ringlinien läuft, appelliert TU-Professor Hermann Knoflacher, der Vorsitzender des Fahrgastbeirates ist, an die Wiener Linien, neue Verbindungen zu schaffen. „Man kann den 13er als Straßenbahn führen, oder jenseits der Donau neue Linien schaffen.“ Beim 13er winken die Wiener Linien – noch – ab. Da gebe es keine Pläne; für eine Straßenbahn seien die Steigungen zu stark. Was aber kommt, sind ein 25er und ein verlängerter 26er, die beide zwischen den Wachstumsbezirken Floridsdorf und Donaustadt fahren werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2008)

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