Fall Bakary J.: Härtere Strafen für Folterpolizisten gefordert

(c) Illustration: Vinenz Schüller
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Vier Beamte misshandelten einen Schubhäftling und kamen dienstrechtlich mit Geldstrafen davon. Der Verwaltungs-Gerichtshof fordert höhere Strafen – mindestens einer muss gehen, eher sogar alle.

WIEN. Es war Folter, und das mitten in Wien, was sich am 7. April 2006 in einer Lagerhalle am Handelskai abspielte: Drei Polizisten der Sondereinheit Wega prügelten und traten auf den gambischen Schubhäftling Bakary J. ein. Sie drohten ihm an, ihn umzubringen, schleiften ihn durch die Halle und fuhren ihn mit einem Auto an. Ein vierter Beamter sorgte dafür, dass – außer ihm selbst – niemand zusah.

Bakary J., der sich zuvor seiner Abschiebung widersetzt hatte, überstand die „Sonderbehandlung“ mit schweren Verletzungen an Kopf, Wirbelsäule, Schulter, Arm, Hüften und psychisch traumatisiert. Was seinen Peinigern widerfuhr, löste ähnlich große Fassungslosigkeit aus wie das, was sie angestellt hatten. Vom Gericht wurden sie, unter der Last der Beweise geständig, wegen Quälens eines Gefangenen zu bedingten Haftstrafen verurteilt. Als Disziplinarstrafen fassten sie fünf Monatsbezüge Geldstrafe für den Vorgesetzten, vier für die beiden anderen Prügelpolizisten und drei für den Zuschauer und Mitorganisator aus. Und blieben ansonsten, wenn auch dem direkten Kontakt zum Bürger entzogen, im Dienst.

Das wird sich nun ändern. Der Verwaltungsgerichtshof setzt einem schleißigen Umgang mit Misshandlungsvorwürfen, wie er den Sicherheitsbehörden in Österreich immer wieder vorgeworfen wird, ein Ende. Über Beschwerde des Disziplinaranwalts, der – wie der Menschenrechtsbeirat – die dienstrechtlichen Sanktionen für zu mild hielt, befasste er sich mit dem Fall. Ergebnis: Die Strafen müssen verschärft werden.

Das kann zumindest für den Chef des Quartetts nur die Entlassung bedeuten, sind doch die fünf Monatsgehälter die letzte Vorstufe zur Höchststrafe. Wahrscheinlich muss die zur erneuten Entscheidung berufene Disziplinarbehörde auch die drei anderen entlassen: Der VwGH klingt nicht so, als hielte er eine um ein oder zwei Monatsbezüge erhöhte Geldstrafe für ausreichend.

Folter ist keine leichte Tat

Der Gerichtshof wirft der Behörde vor, die Schwere der Taten viel zu gering eingeschätzt zu haben: Zu berücksichtigen sei, dass die Polizisten eine Scheinhinrichtung vorgenommen hätten, dass Folter auch durch eine UN-Konvention und die Europäische Menschenrechtskonvention verboten ist. Die Geständnisse wurden zu Unrecht als mildernd berücksichtigt: Die vier hatten ausgemacht, sie würden J.s Verletzungen als Folgen eines Fluchtversuchs hinstellen. Dass die Beamten derlei Behauptungen dann bei Gericht nicht aufrechterhielten, war laut VwGH „bloß eine Folge der Beweislage zu diesem Zeitpunkt“.

Die Disziplinarbehörde wird die Verlässlichkeit der Beamten genauer prüfen müssen. „Hiebei kann die Einschätzung der belangten Behörde, die Mitbeteiligten seien ,nicht von gewalttätiger Natur‘, angesichts der Eigenart der Dienstpflichtverletzungen ohne Weiteres nicht nachvollzogen werden“, so der VwGH (2007/09/0320). Der Gerichtshof tritt auch ausdrücklich dem Versuch entgegen, das Verhalten des vierten Mannes in günstigerem Licht darzustellen als jenes der drei, die J. physisch misshandelten.

Menschenrechtsbeirat bestätigt

Univ.-Prof. Gabriele KucskoStadlmayer, Spezialistin für Beamtendienstrecht und Vizevorsitzende des Menschenrechtsbeirats, begrüßt es, dass der VwGH so klare Worte über die schweren polizeilichen Misshandlungen, nicht weniger als verabredete Folter, gefunden hat. Auch der Menschenrechtsbeirat sieht sich in seiner Arbeit bestätigt. Er hatte dem Innenministerium empfohlen, „unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten auf die Entlassung der verurteilten Beamten hinzuwirken“.

Im Vorjahr hatte der VwGH in einer Disziplinarsache für Überraschung gesorgt: Er verbot der Post, eine stehlende Schalterbeamtin kurzerhand zu entlassen. Er verlangte zu prüfen, ob die Entlassung nötig ist, um die Frau von Straftaten abzuhalten, und ob sie woanders als am Schalter eingesetzt werden könne (eine Gesetzesnovelle, wonach künftig nur noch auf die bisherige Verwendung abzustellen ist, ist in Vorbereitung). Von solchen Alternativen ist im neuen Erkenntnis keine Rede mehr. Vielmehr betont der VwGH „zur Vermeidung von Missverständnissen“: Es sei nicht ausgeschlossen, schon bei der ersten Dienstpflichtverletzung die Entlassung zu verfügen, wenn sie „wie im vorliegenden Fall sehr schwer ist“.

J., wegen Drogenbesitzes verurteilt, ist noch in Österreich; was aus dem aufrechten Aufenthaltsverbot wird, ist ungewiss. Über eine Entschädigung wird noch verhandelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2008)

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