Attersee: Schwarze Brücke in den Tiefenrausch

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Der Mythos Steilwand verführt Taucher zum Grenzgang. Seit 2005 sind dabei zehn Menschen ums Leben gekommen. Nun werden strengere Zugangskontrollen gelten. Eine Sperre für Taucher ist aber nicht im Gespräch.

LINZ. „Hier war mein letzter Tauchgang. Passt auf, es könnte auch euer letzter Tauchgang sein.“ Florian M. war 26, als er starb. An dem Kreuz, das an ihn erinnert, an dieser Inschrift muss jeder vorbei, der hier tauchen will. Und es ist nicht das einzige Kreuz, viele Leben gingen an dieser Stelle des Attersees zu Ende.

Es ist der Einstieg Nummer zwölf, die Schwarze Brücke, eine mächtige Steilwand unter Wasser, an der das einfallende Licht sich am Fels spiegelt, und das bis in eine Tiefe von 100 Metern.

Bleigürtel, Trockenanzüge, die keinen Tropfen Wasser durch das Neopren lassen, und Tauchflaschen liegen wie aufgefädelt am schmalen Rand der Uferstraße. Dahinter Minivans, Wohnmobile und Kombis der Taucher. Etwa 30 von ihnen wagen sich an schönen Tagen in die Einstiegsstelle Nummer zwölf zwischen Weyregg und Steinbach. Die Kreuze machen ihnen keine Angst. Wer Angst hat, geht hier nicht ins Wasser.

Ein paar Kilometer entfernt, an einer flach abfallenden Uferstelle, taucht eine Gruppe Anfänger das erste Mal ab. Orange Blätter schweben unter der Wasseroberfläche. 16 Grad Celsius – kein Problem mit der richtigen Ausrüstung.

Gefährlichstes Tauchrevier

Die Ausbildung hier ist eine der besten, denn der Attersee bietet kein „Easy Diving“. Wer es hier kann, so sagt man, der kann es überall. Im Herbst und Winter ist die Sicht im See besonders gut.

Tiefe und Sicht: Das sind die Gründe für den Ruf des oberösterreichischen Attersees als bestes Süßwassertauchrevier in Europa. Sie sind es auch, die Taucher in die Tiefe locken und deshalb auch für den Ruf als eines der gefährlichsten Tauchgebiete verantwortlich sind.

Allerdings, darin sind sich die Experten einig, ist in Wahrheit etwas anderes der Ursprung der regelmäßigen Tragödien in den Tiefen des Sees: „Gefährlich ist nicht der See, sondern die Selbstüberschätzung“, sagt Robert Eder von der Tauchschule Nautilus. Seit 2005 gab es zehn Todesopfer an der Schwarzen Brücke, allein in diesem Jahr starben an der berüchtigten Steilwand vier Menschen.

Mit Pressluft gibt es eine goldene Regel: „30 Meter sind genug.“ Mit den Atemgasen des immer beliebteren Technischen Tauchens ist diese Regel außer Kraft gesetzt. Das Risiko für all jene, die neben den Möglichkeiten des Technischen Tauchens (man kann länger unten bleiben und tiefer gehen) nicht auch über mehr Routine und Wissen verfügen, ist damit eher gestiegen. Fehler und Panikreaktionen in mehr als 30 Metern Tiefe sind meist tödlich.

Im Rausch der Tiefe

Ein weiteres Problem: Der Grat, an dem die Schwelle zur Lebensgefahr überschritten wird, ist schmal. „Wenn die Sicht gut ist, neigt man dazu, tiefer zu tauchen, man hat einfach ein besseres Gefühl als bei trübem Wasser.“

Schon in mittleren Tiefen kann es beim Sporttauchen zu ersten Symptomen des Tiefenrausches kommen. Der narkotische Zustand, der dann eintritt, ist vergleichbar mit einem durch Alkohol ausgelösten Rausch. „Man wird mutiger, geht über seine Grenzen, verliert das Urteilsvermögen, die Motorik ist eingeschränkt“, zählt Eder auf.

In diesem Zustand werden Atemregler verloren, der Inflator, ein Knopf, der für Auftrieb sorgen könnte, wird nicht mehr gefunden, man kommt nicht mehr nach oben. Fast alle Opfer der Schwarzen Brücke starben durch Ertrinken.

Keine Toten im See

Entgegen vielen Gerüchten gibt es derzeit keine toten Taucher im Attersee: Alle wurde geborgen. Der letzte erst nach drei Jahren im kalten See. Auch Tauchlehrer Eder ist Rettungstaucher bei der Feuerwehr und hat selbst schon viele Verunglückte aus dem Attersee geholt. Die Toten, auch wenn sie erst nach Jahren gefunden werden, sind durch das kühle Wasser und den Neoprenanzug fast unversehrt, bis sie an die Oberfläche gebracht werden. Verunglückte, die den Aufstieg aus eigener Kraft schaffen, müssen in die Dekompressionskammer im benachbarten Traunstein geflogen werden.

Schon vor etwa 15 Jahren stand wegen einer Serie von Tauchunfällen die Sperre des Attersees im Raum. Dazu kam es nicht: Stattdessen wurde viel in Infrastruktur, zum Beispiel in Informationen zu den Einstiegsstellen und eine bessere Vernetzung der Tauchschulen, investiert.

Strengere Zugangsregeln

Nun droht die Situation wieder zu kippen. Jede Bergung, jeder Rettungseinsatz birgt auch ein Risiko für die Helfer. Deshalb soll es noch vor dem Start in die nächste Tauchsaison einen reglementierten Zugang geben, sagt der für Einsatzkräfte zuständige Landesrat Josef Stockinger (ÖVP). Erstens solle es demnach ein Voranmeldesystem geben, damit immer klar ist, wer gerade an der Schwarzen Brücke taucht. Zweitens müsse ein Versicherungssystem dafür sorgen, dass die zum Teil erheblichen Folgekosten für Bergung und Rettung gedeckt sind. Drittens sollen Taucher eine Grundausbildung nachweisen können. Verstöße werden mit „empfindlichen Strafen“ geahndet. All diese Maßnahmen gelten nur für das Tauchen an der Schwarzen Brücke. Hier sei es notwendig, sagt Stockinger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2008)

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