Österreich: Kinderpornografie gesellschaftsfähig?

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Vor allem in der Oberschicht wird Kinderpornografie konsumiert. Konsum und Verbreitung finden oft auch am Arbeitsplatz statt. Das Unrechts-Bewusstsein fehlt, die Verfolgung ist schwierig.

Wien (hie). Immer mehr Männer sehen sich Kinderpornos an und sind zunehmend bereit, diese selbst zu erzeugen. Und wer ist schuld daran? Vor allem das Internet, stellen Mitglieder des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie (ÖBVP) fest. Schätzungen zufolge gibt es in Österreich zwischen 5000 und 10.000 Nutzer von Kinderpornografie.

Das Alarmierende: Konsum und Verbreitung von pornografischen Bildern und Videos mit Minderjährigen finden immer seltener im stillen Kämmerlein, sondern oft auch am Arbeitsplatz statt. „Das Unrechtsbewusstsein nimmt ab“, erklärte Joni Brem von der Männerberatungsstelle Wien im Zuge eines Expertengesprächs. Kinderpornografie stoße auf immer breitere Akzeptanz, wie ÖBVP-Präsidentin Eva Mückstein weiß: „Pädosexualität wird zunehmend gesellschaftsfähig.“

Täter meist aus der Oberschicht

Die Täter sind ausschließlich männlich und stammen meist aus gesellschaftlich höheren Schichten, wo der geschulte Umgang mit dem Internet Regel ist. „IT-Experten, Ärzte und auch Polizisten greifen zu einschlägigem Material“, berichtet Brem. Der Konsum von Kinderpornografie steigt mit der Nutzung des Internets.

Auch die Bereitschaft der Konsumenten, selbst Material zu erzeugen, wird durch das Internet begünstigt: Weil sie ihre Identität unter Verschluss halten können, ist es für Täter leichter möglich, Mädchen zu Handlungen zu überreden und sich zum Beispiel vor ihrer Webcam nackt auszuziehen.

Einerseits sei ein Trend zur Bagatellisierung in der Gesellschaft zu finden, so die Meinung der Experten. Aber auch das Gesetz lasse Täter oft ungestraft davonkommen. So ist es etwa nicht strafbar, sich im Internet kinderpornografisches Material anzusehen. Erst das Herunterladen kann geahndet werden. Unzureichendes Beweismaterial verhindert oft, dass ein Täter zur Rechenschaft gezogen wird.

Brem spricht von sogenannten „Off-Hands-Delikten“: Nur ein geringer Prozentsatz der Männer, die sich Bilder und Videos im Internet ansehen, würde demnach tatsächlich ein Kind missbrauchen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2008)

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