Buchautor wirft Ärzten "Korrupte Medizin" vor

Symbolbild: Korrupte Medizin?
Symbolbild: Korrupte Medizin?(c) www.BilderBox.com (Bilderbox.com)
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Die Pharma-Industrie konzentriert sich mehr auf das Ködern von Ärzten als auf Innovation seiner Produkte, schreibt Hans Weiss in seinem neuen Buch. Die Mediziner machen sich zu Komplizen der Firmen.

Wie stark können Pharma-Unternehmen die Ärzte beeinflussen? Dieser Frage geht der Autor Hans Weiss in seinem Buch "Korrupte Medizin. Ärzte als Komplizen der Konzerne" nach. Für Weiss kein neues Thema, hat er doch schon vor 25 Jahren als Co-Autor das Buch "Bittere Pillen" verfasst. Für die zum Teil verdeckte Recherche absolvierte Weiss laut seinen Angaben die Ausbildung zum Pharmareferenten und trat unter falschem Namen und unter anderem als Pharma-Consultant und Arzt auf. Die Reaktionen vielen unterschiedlich aus, von "Pauschalverurteilung" (so Walter Dorner von der Ärztekammer) bis prinzipiell positiv, weil es "mögliche Korruptionsbereiche" aufzeige (so der Wiener AKH-Chef Reinhard Krepler).

Die Thesen von Weiss in aller Kürze: "Die Pharmakonzerne haben sehr viel Geld." "Geld ist verführerisch." "Ärzte gelten als unabhängig." "Je einflussreicher ein Arzt ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er von einem oder mehreren Pharmakonzernen dafür bezahlt wird, dass er nebenbei als Berater oder Vortragender oder Studienleiter tätig ist." Er analysiert - aus seiner Sicht - auch eine ganze Reihe bekanntgewordener Pharma-Flops der vergangenen Jahre.

Marketing statt Innovation

Mangelnde Innovationen - so der Autor - würden die Pharmakonzerne mit immer aggressiverem Marketing zu kompensieren versuchen. Einladungen, Honorare für Meinungsbildner, Einflussnahme auf die Erstellung von Diagnose- und Behandlungsleitlinien bis zur Klassifikation von Ärzten nach ihrem Verschreibungsverhalten - es rieche ständig nach Korruption. Der Autor, der auch an einem Pharmamarketing-Kongress teilnahm: "Alle Anstrengungen der Pharmabranche kreisen um den Arzt. Er ist die Zielperson." Da allerdings Werbung für rezeptpflichtige Medikamente in Österreich verboten ist, ist das Bemühen um die verschreibenden Ärzte natürlich der Ausweg.

Allerdings, Weiss zieht auch Schlüsse, die möglicherweise falsch sind. So wirft er einem bekannten Wiener Onkologen vor, dass er sich für ein Magazin mit einem Krebsmedikament abfotografieren ließ. Das war im Jahr 2005. Dahinter stand aber keinesfalls eine mit Werbung in Verbindung stehende Aktivität. Der Mediziner hatte am 8. August 2005 der Tageszeitung "Der Standard" und der APA ein Interview gegeben, in dem er auf die möglichen Finanzierungsprobleme für die neuesten, hoch wirksamen und kostspieligen Medikamente der "zielgerichteten" Krebstherapie hinwies. In dem Magazin wurde das dann bebildert. Bei dem Interview war es jedenfalls ausschließlich um die Sorgen des Arztes gegangen, dass die Politik nicht mehr genug Geld für die Medikamente bereitstellen könnte. Und niemand wird sich einer oft mit erheblichen Nebenwirkungen behafteten Krebstherapie unterziehen, wenn dies nicht unumgänglich wäre.

Neun Psychiatern - einem davon in Wien - bot Weiss unter dem Deckmantel als Pharma-Consultant die Durchführung einer Studie an, in der Patienten mit Depressionen entweder mit einem Scheinmedikament oder einem echten Arzneimittel behandelt werden sollten. Der Wiener Arzt - so der Autor - zeigte sich interessiert. Weiss sieht das als Verstoß gegen ethische Grundsätze, wonach bei schweren Erkrankungen immer die Standardtherapie als Vergleich - und kein Placebo - verwendet werden darf. Auch um Geld soll es dabei gegangen sein. Der genannte Arzt zu den Vorwürfen gegenüber der APA: "Wir machen nur Studien, die vom Spital und von der Ethikkommission genehmigt worden sind. Placebokontrollierte Studien werden auch von den Zulassungsbehörden verlangt."

Mediziner unterstreichen Transparenz

Am Ende des Buches finden sich fast 20 Seiten mit "Disclosure Statements", also Informationen, welche prominenten Ärzte welche klinischen Studien für welche Pharmaunternehmen durchgeführt haben oder für wen sie als Berater tätig waren. Die Informationen stammen zum Teil aus Publikationen der Betroffenen. Einer der genannten Kliniker: "Diese Angaben sind das Gegenteil von dem, was da impliziert wird. Sie sind ein Werkzeug, mit dem mehr Transparenz erzeugt wird." Wissenschaftliche Zeitschriften etc. verlangen solche Statements, damit mögliche Interessenskonflikte dargelegt werden.

Ähnlich argumentiert die Medizinische Universität Wien (MedUni Wien): Die Wissenschaft basiere in der Heilkunde auch auf einer Kooperation zwischen Ärzten und Pharmaindustrie. "In der Medizin sind in den letzten wenigen Jahren äußerst effektive Substanzen entwickelt worden, die Leben verlängert haben. Ohne eine enge Kooperation zwischen Universitäten und der Pharmaindustrie wäre unter Beachtung der internationalen Richtlinien nicht möglich gewesen. Somit kommt diese Wechselseitigkeit nicht nur der Wahrnehmung der Aufgabe der medizinischen Universitäten entgegen, sondern kommt auch direkt kranken Menschen zugute."

Die Ärztekammer will nicht nur gegen schwarze Schafe vorgehen, sondern auch den Staat in die Pflicht nehmen, der gerade in den vergangenen Jahren die Drittmittel-Forschung an den medizinischen Universitäten forciert habe, so Kammerpräsident Walter Dorner. Es liege daher an der öffentlichen Hand, sich wieder mehr in der Wissenschaft zu engagieren. Auch die laufende ärztliche Fortbildung sei ohne die Rückkoppelungseffekte mit der Pharma-Industrie undenkbar, führte Dorner weiter aus. Trotzdem, so Dorner: "Man muss alles daran setzen, um den Vorwürfen gezielt den Boden zu entziehen!" Das Thema sei jedenfalls zu wichtig, um es "mit skandalisierenden Verallgemeinerungen abzuhandeln und damit einen gesamten Berufsstand zu diskreditieren."

Pharmaindustrie: "Oberflächlich"

"Herr Weiss ist ein altbekannter Pharma- und Ärztekritiker. Man muss aber sagen, er verdient auch Geld am Gesundheitswesen. Seine Behauptungen sind sehr pauschal und sehr oberflächlich", erklärte der Generalsekretär des Verbandes der pharmazeutischen Industrie (Pharmig), Jan Oliver Huber. "Wenn er seriösen Journalismus machen will, kann er sich jederzeit direkt an Ärzte oder die Pharmaindustrie wenden und sie ansprechen."

Buchtipp:

"Korrupte Medizin: Ärzte als Komplizen der Konzerne", Hans Weiss, Kiepenheuer & Witsch Verlag; ISBN-10: 3462040375; ISBN-13: 978-3462040371

(APA/Red.)

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