Inside ÖBB: So funktioniert die Notzentrale

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Am Westbahnhof überwachen die ÖBB ihre Züge zentral. Im Notfall wird die Verantwortung regional geteilt. 4000 Vorfälle werden der Verkehrsleitzentrale jedes Jahr gemeldet.

Wien.Konzentrierte Stille erfüllt den weiten Raum mit der niedrigen Decke. Neben dem spärlichen Licht des Herbstmorgens sind die Monitore die einzige Lichtquelle. Zehn Stück hat jeder der vierundzwanzig Mitarbeiter vor sich stehen, hier in der Verkehrsleitzentrale der ÖBB. Auf den Bildschirmen ein Gewirr von schrägen bunten Linien – die Zeit-Weg-Diagramme sämtlicher Züge, die gerade in Österreich unterwegs sind. In einem unscheinbaren Gebäude am Wiener Westbahnhof, eingeklemmt zwischen dem Gleiskörper und einem Parkhaus, schlägt seit 2005 das digitale Herz der ÖBB.

Eingespieltes Notfallsystem

Rund um die Uhr wird der heimische Eisenbahnverkehr hier überwacht. Normalerweise eine Routineaufgabe. Erst in Notfällen wird es hektisch – wie in der Nacht auf den 14. November, als ein Autofahrer bei Traismauer nach einem Unfall auf den Schienen landete und von einem Zug getötet wurde. Inzwischen ist klar: Der Notruf kam zu spät, der Mann hätte nicht mehr gerettet werden können. Trotz der eingespielten Notfallorganisation der Bundesbahnen.

„Die Verkehrsleitzentrale ist die Spitze unseres bundesweiten Systems“, erklärt Norbert Pausch, Leiter des Geschäftsbereichs Netzbetrieb bei der ÖBB Infrastruktur AG. „Bei einem Unglücksfall kommt aber den regionalen Notfallleitern die zentrale koordinierende Rolle zu.“ Einen Notfallleiter gibt es in jeder der fünf regionalen Verkehrsleitungen. Letztere sind jeweils für einen bestimmten Abschnitt des österreichischen Eisenbahnnetzes verantwortlich.

Die Verkehrsleitung Ost etwa sitzt in der Wiener Nordbahnstraße. Die anderen finden sich in Linz, Salzburg, Innsbruck und Villach. „Die Verkehrsleitungen stehen mit allen Zügen über Funk in Verbindung“, sagt Pausch. „Auch Einsatzorganisationen wie Rettung und Polizei können den Notfallleiter direkt erreichen.“ Dafür gibt es eine eigene Notrufnummer, die aber – um Missbrauch zu vermeiden – nicht veröffentlicht wird.

4000 Vorfälle im Jahr

„Im Optimalfall kann die Verkehrsleitung einen Zug in Sekundenschnelle anhalten“, so Pausch. „Der Notfallleiter dreht sich zum Disponenten um und gibt ihm die Daten durch. Der setzt sofort ein Nothaltsignal an alle Züge im Sektor ab.“ Danach wird der Fahrdienstleiter im nächsten besetzten Bahnhof informiert. Dieser muss dann weitere Maßnahmen durchführen, wie etwa die Erdung einer unterbrochenen Oberleitung.

4000 Vorfälle werden der Verkehrsleitzentrale jedes Jahr gemeldet. Die meisten sind allerdings keine schweren Unglücke. „Oft“, ärgert sich Pausch, „hat nur ein Witzbold ein paar Kieselsteine auf die Schienen gelegt.“

Auf einen Blick

Nach dem Unglück von Traismauer – ein verunfalltes Auto wurde von einem Zug erfasst – wurde das Notfallmanagement der ÖBB kritisiert. Mittlerweile weiß man: Die Bahn trifft keine Schuld.

Im Unglücksfall wird eine der fünf regionalen Verkehrsleitungen aktiv. In der Zentrale am Westbahnhof laufen alle Infos zusammen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2008)

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