Cross-Border-Leasing: Wien zittert um Risikomillionen

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Die US-Finanzkrise verschärft den Druck auf die Stadt, Experten fordern den Ausstieg aus Verträgen. Auch die Wiener Rathaus-Opposition schlägt Alarm.

Wien. Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner (SPÖ) zeigte sich Ende Jänner im Gemeinderat noch unwissend: Nein, es seien bislang keine Investoren aus den USA an Wien herangetreten, um Cross-Border-Leasing-Verträge zu verändern oder aufzulösen. Zwei Wochen später war alles anders. Da wurde bekannt, dass die Wiener Stadtwerke bereits zwei dieser umstrittenen Finanzierungsverträge (siehe Bericht unten) aufgelöst haben – einen davon schon 2006, einen vor wenigen Wochen. Und gestern, Dienstag, gab die Stadt Wien bekannt, dass der CBL-Vertrag über das Wiener Rechenzentrum im Einvernehmen mit dem US-Investor aufgelöst wird.

Die Stadt Wien und ihre Töchter haben es offenbar jetzt eilig, dem einst hochgelobten Cross-Border-Leasing den Rücken zu kehren. In den Neunzigerjahren war CBL in ganz Europa ein beliebtes Finanzierungsmittel, um zu Geld zu kommen. In Wien wurden neben dem Rechenzentrum Teile des Kanalnetzes, Straßenbahn- und U-Bahn-Garnituren an US-Investoren verleast, die Stadt erhielt dafür Geld (Barwertvorteil). Angesichts der weltweiten Finanzkrise ist aber jetzt Feuer am Dach.

„Aussteigen aus den Verträgen – und das sofort“, rät der CBL-Experte Werner Rügemer, Professor an der Uni Köln und Autor eines Buches über Cross-Border-Leasing. Und gegenüber der „Presse“ rät Rügemer auch, nicht mehr zu zahlen und gemeinsam mit anderen Städten Europas, die CBL-Verträge mit den USA abgeschlossen haben, wegen Falschberatung zu klagen.

Auch die Wiener Rathausopposition schlägt Alarm. „Die Stadt soll unverzüglich mit den US-Investoren Kontakt aufnehmen und die verbliebenen drei Verträge auflösen“, sagt Martin Margulies, Finanzsprecher der Wiener Grünen. Auch wenn dies alle finanziellen Vorteile, die beim Abschluss der Scheingeschäfte erzielt wurden, wieder zunichtemache. Nur so könne man drohende größere Verluste abwenden.

Häupl: Kein Geld verloren

Bürgermeister Michael Häupl wollte allerdings am Dienstag von einer Gefahr nichts wissen: „Um das klarzustellen: Wir haben mit diesen Geschäften Geld eingenommen. Wir haben nichts verloren, wie uns jetzt unterstellt wird.“ Und auch Brauner betonte, dass die Experten der Stadt die weitere Entwicklung genau beobachteten.

Tatsächlich hält sich der Schaden derzeit noch in Grenzen. Denn von den sechs durchgeführten Leasing-Geschäften lukrierten Stadt und Wiener Linien in den letzten Jahren rund 100 Millionen Euro, die zu einem großen Teil wieder investiert wurden. Jetzt aber ginge der Stadt durch die vorzeitigen Auflösungen der Verträge Geld in Höhe von mindestens 25 Millionen Euro verloren, so die Grünen.

Das Hauptproblem sind derzeit die Besicherungen der Leasing-Geschäfte. Denn vertraglich ist festgelegt, dass die Stadt Geld in Depots in US-Banken und Versicherungen anzulegen hat. Der größte Teil davon war bei Finanz- oder Versicherungsinstituten wie Freddie Mac und AIG angelegt; letzteres ist jetzt in die Pleite geschlittert. Da diese Institute mittlerweile auch schlechter bewertet (geratet) sind, muss die Stadt Wien neue Besicherungen finden. „Das ist teuer“, sagt Margulies. Die Besicherung der noch offenen Verträge könne die Stadt 70 Mio. Euro kosten. Und auch Rügemer weist auf finanzielle Gefahren hin: „Die öffentliche Hand muss zusätzliche Sicherheiten bieten oder auf eigene Kosten die Bank austauschen.“

Resümee der Opposition: Die US-Investoren stünden derzeit unter großem Druck der US-Justiz, solche Geschäfte vorzeitig zu beenden. Sie warteten daher nur auf Fehler von Gemeinden (etwa rechtlich fehlerhafte Besicherungen), um günstig aussteigen zu können. Wenn alles schieflaufe, würde das die Stadt 300 Millionen Dollar kosten.

AIG, Seite 15; Kommentar, Seite 27

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2009)

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