Gastronomie: Wenn die Sperrstunde bleibt

(c) FABRY Clemens
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Über Lokaleröffnungen wird viel geredet, es gibt aber auch die andere Seite – von der Schließung bis zum Neustart, wie bei „Kim kocht“, Theatercafé und Vincent.

Wien. Es ist ein Kommen und Gehen. Nicht allzu oft kommt das Gehen schon vor dem Kommen, wie zuletzt beim geplanten Club Jessas in der Wiener Innenstadt (siehe links). Doch während in der Bundeshauptstadt beinahe täglich neue Lokale – vom Restaurant über die Imbissstube bis zum Café – aufsperren, gibt es laufend auch jene, die gehen. Oder mit einem Konkursverfahren einen zweiten Anlauf wagen. Meist passiert das still und heimlich. Wenn es sich um mehr oder weniger prominente Gaststätten – inklusive der Menschen dahinter – handelt, sieht die Sache aber anders aus.

Jüngstes Beispiel ist die asiatische Spitzenköchin Sohyi Kim, die vor nur wenigen Tagen ihr „Kim kocht“-Studio inklusive Shop und Weinbar am Wiener Naschmarkt geschlossen hat. Über das Warum spricht sie nicht gern. „Muss man immer einen Grund haben? Es ist ein Kommen und Gehen, gerade auf einem Markt“, meint sie zur „Presse.“ Nur so viel: Sie will sich verstärkt auf ihr Engagement beim Merkur am Hohen Markt konzentrieren und sich auch mehr um ihre Familie kümmern. Die 49-Jährige hat einen Adoptivsohn. Und ab 2015 sei etwas Neues bei Merkur geplant.

Nur ein paar Schritte weiter stehen Gäste ebenfalls vor verschlossenen Türen. Das Theatercafé erfindet sich gerade wieder neu. Philipp Prodinger, der mittlerweile vierte Betreiber, will am 5. November mit neuem Konzept und neuem Partner wiedereröffnen. Gemeinsam mit den Betreibern der bunten Burgerbude Chiq Chaq auf der Nussdorfer Straße will er ein jüngeres Publikum ansprechen, etwa mit einem neuen Barbereich im hinteren Teil. „Die Lage ist großartig, aber trotzdem ist das Lokal seit 2006 ein schwieriger Fall. Der Naschmarkt hat sich irrsinnig verändert“, sagt Prodinger. Außerdem spüre er den Wegfall der einst beinahe täglichen Musicals im benachbarten Theater an der Wien. „Jetzt gibt es im Jahr vielleicht 70 Spieltage.“

Die Branche wächst dennoch leicht

Von einem Rückgang der Wiener Lokalszene kann dennoch nicht die Rede sein. Im Gegenteil. Ende September zählt die Wiener Wirtschaftskammer 5455 Lokale (vom Haubenrestaurant bis zum Tschocherl). „Darunter befinden sich 999 Zugänge und 824 Abgänge“, sagt Spartenobmann Josef Bitzinger. Ein Blick in die Statistik zeigt, dass auch in den vergangenen Jahren meist rund 800 Schließungen etwa 1000 Neueröffnungen gegenüberstanden. Die Branche wächst also leicht.

Insolvenz anmelden müssen jährlich rund 100 Lokale. „Verglichen mit anderen Branchen befindet sich das Insolvenzaufkommen im unteren Durchschnitt“, so Bitzinger, der zwei Dinge festhalten will. Erstens: Ohne Emotion und Leidenschaft gehe hier gar nichts. Die Gastronomie sei keine besonders ertragreiche Branche. Zweitens: „Die einzige Konstante ist der Wandel.“

Dass der Wandel auch teuer werden kann, weiß Frank Gruber, Inhaber des Haubenrestaurants Vincent im zweiten Bezirk. Im Vincent gingen schon einige große Köche ein und aus – etwa Peter Zinter, Harald Riedl, Meinrad Neukircher; aktuell kocht hier Alexander Mayer. Gruber musste dieser Tage dennoch Insolvenz anmelden. Von einem Ausbleiben der Gäste will er nicht reden. Viel eher gab es eine Reihung unglücklicher Zufälle in Finanzdingen. „Ich habe mein Konto 2012 von einem relativ hohen, aber abgesicherten Minus auf null gestellt. Dabei wurden ein paar Details übersehen. Das Finanzamt hat das als Gewinn verbucht und eine sechsstellige Summe gefordert. Außerdem war noch ein höherer Krankenkassenbeitrag zu zahlen.“ Gruber, der eigentlich schon in Pension sein könnte, hofft, dass der Sanierungsplan gut läuft und er im kommenden Jahr einen Nachfolger findet.

Klar ist, dass Kochen auf hohem Niveau hohe Ausgaben fordert, die selten eins zu eins an den Gast weitergegeben werden können. Im internationalen Vergleich lässt es sich in Österreich immer noch günstig essen – auch in der Topgastronomie. Gruber macht für seine schlechte finanzielle Situation aber auch den Küchenchefwechsel verantwortlich. „So etwas ist teuer.“ Er sei dadurch aus der Gault-Millau-Bewertung gefallen, was zu weniger Gästen führte. „Früher hat man gesagt, wenn man eine Haube verliert, kostet dich das 50.000 bis 100.000 Schilling im Jahr. Heute bewegt sich das bei 50.000 Euro“, so Gruber, der das Lokal seit 1974 betreibt. Er glaubt, dass die gehobene Gastronomie in Zukunft nicht mehr ohne Unterstützung – „ich will es nicht Sponsoring nennen“ – auskommen wird.

Das viel zitierte Beisl als Krisengewinner ist aber auch keine Garantie für gastronomischen Erfolg. Da spielen viele Faktoren mit, meint Bitzinger, der neben einem gutbürgerlichen Gasthaus, dem Augustinerkeller, auch zwei Würstelstände betreibt. „Ein kleiner Betrieb ist nicht automatisch eine Goldgrube, dahinter steckt auch ein hoher Aufwand. Aber meine Würstelstände sind heuer nicht schlecht gegangen. Man kann um wenig Geld auch ein Lebensgefühl und Qualität vermitteln“, sagt er. Nachsatz: „Der Wiener ist ein Schnäppchenjäger.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2014)

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