Fall Bakary J.: Wird Folterskandal neu geprüft?

Es soll Widersprüche zwischen der damaligen ärztlichen Dokumentation der Verletzungen und diesem Bild geben.
Es soll Widersprüche zwischen der damaligen ärztlichen Dokumentation der Verletzungen und diesem Bild geben.APA
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Die drei Polizisten, die im April 2006 in einer Wiener Lagerhalle den afrikanischen Schubhäftling Bakary J. misshandelt haben, wollen eine Wiederaufnahme ihres Strafverfahrens.

Es mutet an, als werde versucht, das Rad der Zeit zurückzudrehen, als solle Geschehenes ungeschehen gemacht werden: Die drei Polizisten der Sondereinheit Wega, die am 6. April 2006 den aus Gambia stammenden Schubhäftling Bakary J. nach einem misslungenen Abschiebeversuch laut rechtskräftigem Urteil schwer misshandelt haben, streben nun eine Wiederaufnahme ihres Strafverfahrens an. Am Montag traten zwei der drei Männer (beide derzeit nach eigenen Angaben beschäftigungslos) in Wien via Pressekonferenz an die Öffentlichkeit.

Flankiert von der Anwältin Maria Zehetbauer und dem pensionierten Herzchirurgen Georg S. Kobinia erklärten Heinz M. und Christian St., dass ihr Geständnis im Prozess – Anklage: Quälen eines Gefangenen – falsch gewesen sei. Sie sprachen damit auch im Namen des dritten damals an den Misshandlungen unmittelbar beteiligten Polizisten. Dieser war aber nicht anwesend. Es hieß, er wolle wegen seiner neuen Tätigkeit bei einer Sicherheitsfirma nicht öffentlich auftreten.

Im Prozess waren alle drei zu der denkbar milden Strafe von je acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Ein vierter Mann, nämlich ein Polizist, der damals in einer Lagerhalle in Wien-Leopoldstadt als Aufpasser fungierte, wurde zu sechs Monaten bedingt verurteilt. Von ihm gibt es keinen Geständnis-Widerruf. Er will auch keine Wiederaufnahme.

Damit stellt sich natürlich die Frage, warum die drei unmittelbaren Täter etwas Falsches zugegeben haben sollen. Dies wurde nun von der immer wieder forsch zum Mikrofon greifenden, ihre Mandanten schützenden Anwältin so erklärt: „Sie standen unter Druck und hatten Angst vor dem Gefängnis.“ Zudem habe es einen Deal mit der Polizeiführung gegeben (Namen wurde nun aber nicht genannt). Demnach sei den Wega-Beamten der Verbleib im Polizeidienst versprochen worden, sollten die Urteile einigermaßen milde ausfallen. Zur Erklärung: In der Regel wird ein Geständnis als wesentlicher Milderungsgrund gewertet.

Fest steht, dass einer der vier Männer, der damalige Aufpasser, nach wie vor bei der Polizei ist, die drei unmittelbaren Täter sind zwar entlassen, aber es dauerte – unter Einschaltung des Verwaltungsgerichtshofes und unter herber Kritik von Menschenrechtlern – sechs Jahre, bis die Suspendierung endlich „durch“ war.

Opfer wurde schwer verletzt

Bleibt die medizinische Seite: Bei J. – er lebt nach wie vor in Österreich – wurden damals schwere Verletzungen, eine Fraktur des Stirnbeins und des rechten Jochbeins festgestellt. Hier kommt nun der eigens engagierte Chirurg Kobinia ins Spiel: Er kann dem Trio aber nur leichte Rückendeckung geben. Immerhin erklärte er, dass es Widersprüche zwischen der damaligen ärztlichen Dokumentation der Verletzungen und jenem Bild (Handyfoto der Ehefrau von J.) gebe, das bis heute immer wieder in Medien auftaucht: Es zeigt das dramatisch geschwollene Gesicht des Opfers.

Ob denn dieses Bild vielleicht zu einem „anderen Zeitpunkt“ aufgenommen worden sein könnte? Diese Frage stellt der Mediziner in den Raum, beantwortet sie aber nicht. Die Unterstellung, dass es sich gar um eine Verletzung handeln könnte, die sich J. später selber zugefügt habe, spricht niemand aus. Die Beamten sagen, der Mann sei bei einem Versuch, aus dem Polizeifahrzeug zu fliehen, eingeholt und zu Sturz gebracht worden. So könnte die Schädelverletzung entstanden sein. Von Folter in der Lagerhalle könne keine Rede sein. Ebendort habe man nur die Hände von J. gefesselt.

Anzeige wegen Verleumdung

Im – schon Mitte Oktober eingebrachten – Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens, werde J. nachgesagt, dass dieser „offensichtlich die Unwahrheit gesagt“ habe, erklärt indes der Anwalt von Bakary J., Nikolaus Rast, der „Presse“. Daher brachte Rast bereits umgehend Verleumdungsanzeige gegen die drei Ex-Beamten ein.
Klar ist: Wenn nun im Wiederaufnahmeantrag keine klaren neuen Tatsachen/Beweise vorgebracht werden, stehen die Chancen, dass der Prozess neu aufgerollt wird, denkbar schlecht. Zumindest im Rahmen der aktuellen Pressekonferenz wurden keine neuen Entlastungsmomente enthüllt.

ENTSCHÄDIGUNG DES OPFERS

Die finanzielle Seite des Falles, der auch der Polizeiführung Kritik wegen halbherziger Konsequenzen eingetragen hatte (spät aber doch entschuldigte sich das Innenressort bei Bakary J.), bildet offensichtlich das eigentliche Motiv für das Bestreben nach einer Wiederaufnahme. Die Beamten stehen wegen des Entschädigungsbegehrens des Opfers mit dem Rücken zur Wand. Anwältin Maria Zehetbauer spricht von fragwürdigen und „exorbitanten Schadenersatzfordungen“.

750.000 Euro hatte J. ursprünglich von der Republik gefordert. 2013 floss eine Akontozahlung von 110.000 Euro an J. Mehr will die Generalprokuratur ohne gerichtlichen Titel nicht zahlen. Derzeit ist daher eine Amtshaftungsklage gegen die Republik anhängig. Darin fordert J. 385.000 Euro und eine monatliche Rente von tausend Euro brutto. Die Republik hat damit begonnen, sich das bereits ausbezahlte Geld von den Beamten zurückzuholen. Eine Regressklage beim Arbeitsgericht ist bereits anhängig.

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