Stadtplanung: Wie viel Macht haben die Bauträger?

Analyse. Warum Bürgerinitiativen überzeugt sind, dass bei den Planungsentscheidungen des Wiener Rathauses die Interessen der Bürger nur minimal einfließen, die der Investoren aber sehr wohl berücksichtigt werden.

Wien. Auch wenn das von den Grünen geführte Stadtplanungsressort immer wieder die Einbindung und die Mitarbeit von Bürgern beschwört, stehen Anrainer-Initiativen den Planungsexperten und Planungspolitikern mehr als skeptisch gegenüber. Der Grund: Wenn überhaupt, dann enden Gespräche über Bauprojekte mit mickrigen Ergebnissen für die Initiativen. Und immer öfter stellt sich heraus, dass dagegen die Wünsche des Investors, also des Bauträgers, im Rathaus auf offene Ohren stoßen.

Auch bei der im September abgehaltenen Perspektivenwerkstatt Liesing, bei der die Stadt den Dialog mit den Bewohnern des 23.Bezirks suchte, gab es einen großen Schönheitsfehler: Von den Bauprojekten, zu denen die Bürger ihre Meinung abgeben sollten, war ein Drittel bereits mit dem Attribut versehen: „Bereits vor Baubeginn.“ Das heißt, die Entscheidung ist schon längst gefallen. Frustrierend für so manche Bürgerbewegung.

Im Folgenden das Beispiel einer Anrainer-Initiative, die sich gegen die ungewöhnlich hohe Verbauung auf dem Nachbargrundstück wehrte, gegen Bauträger und Rathaus aber kaum eine Chance hatte: Südlich von Alterlaa hatte die Buwog erst vor etwa vier Jahren Reihenhäuser errichtet. Als diese verkauft waren, gab der Bauträger bekannt, dass er – entgegen früherer Aussagen – auf dem Nachbargrundstück (Meischlgasse) ein Projekt in dreifacher Höhe errichten wolle (Bauklasse VI). Zuerst musste die Flächenumwidmung gemacht werden. Es gab erste Anrainerproteste, es gab negative Expertengutachten, und es gab sogar ein Njet des – rot geführten – Bezirks. Dann folgten Gespräche zwischen den Anrainern und der Stadt. Ergebnis: Es wurde zwar um eine Bauklasse reduziert, aber laut Bauexperten hat der Bauträger über die Hintertür die Möglichkeit, ohnehin wieder so hoch zu bauen. Außerdem kann er mittlerweile dichter bauen als geplant: Für die Buwog also ein Erfolg.

Offener Brief an Gemeinderäte

Großer Ärger herrschte bei den Anrainern, als der grüne Planungssprecher, Christoph Chorherr, den Bau im Gemeinderat als großen Kompromiss anpries. Die Gerüchtebörse in diesem Fall ist jedenfalls besonders lebhaft: So wird erzählt, dass bei der ersten Präsentation der Buwog-Projektpläne ein Vertreter der MA21 (Stadtplanung) dabei gewesen sei, der massiv für das Projekt eingetreten sei. „Ich dachte, das ist ein Verkäufer der Buwog“, sagt ein Teilnehmer. Ebendiesem MA-Mitarbeiter wurde Anfang des Jahres in einem offenen Brief an alle Gemeinderäte indirekt große Nähe zu einem Bauträger vorgeworfen. Reaktion im Rathaus: null. Ganz in der Nähe des umstrittenen Projekts wird derzeit gebaut – Bauklasse zwei, also niedrig. „Warum geht das bei uns nicht?“, fragt die Meischlgasse-Initiative. Ein weiterer Widerspruch: Das ganze Areal südlich von Alterlaa (In der Wiesen) wird derzeit in der Rathaus-Planungsabteilung bearbeitet, und es werden Gesamtkonzepte entwickelt. Nur für das kleine Buwog-Grundstück wurde schon längst die Flächenwidmung entschieden und dem Bauträger grünes Licht gegeben. Warum?

Kein Wunder also, dass die Anrainer den Vorwurf von Mauscheleien zwischen Bauträger und Rathaus äußern. Dass der langjährige Chef des Bauträgers inzwischen zu einer im Einflussbereich der Stadt stehenden Aspern-Firma gewechselt ist und dort eine wichtige Rolle spielt, hat mit alldem aber sicher nichts zu tun, auch wenn es die Anrainer anders sehen. (g.b.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.