Alijew-Mordanklage: Betäubt – erdrosselt – verscharrt

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In einer umfangreichen Anklageschrift wird dem früheren kasachischen Botschafter Rachat Alijew Doppelmord vorgeworfen. Erst ein „Verrat“ brachte die Ermittler weiter.

Wien. Unter der trockenen Aktenzahl 602 Hv 4/14b - 2810 liegt seit Neuestem eine Anklageschrift vor, die – aus internationaler Sicht – den wohl brisantesten Strafprozess des neuen Jahres bringen wird: Auf gezählten 116 Seiten listet die Wiener Staatsanwältin Bettina Wallner detailliert auf, warum der frühere Botschafter Kasachstans in Wien, Rachat Alijew (mittlerweile trägt der 52-Jährige den Namen Shoraz, bekannt ist er aber unter dem alten Namen), zwei Bankmanager ermordet habe. Nun liegt es an Richter Andreas Böhm vom Straflandesgericht Wien, jene Verhandlungstage festzusetzen, an denen sich der seit Juni 2014 in Wien in U-Haft sitzende Ex-Diplomat vor Geschworenen verantworten muss.

Nicht nur Alijew, auch der Exleiter des kasachischen Geheimdiensts KNB, Alnur Mussajew (61), und Vadim K. (42), ein ehemaliger Mitarbeiter Alijews, sind wegen Mordes angeklagt – Alijew und K. überdies wegen etlicher anderer Vorwürfe wie etwa schwerer Erpressung. Das Trio habe „in Almaty/Kasachstan [. . .] am 9. Februar 2007 [. . .] im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter Zholdas Timralijew und Aybar Khasenov getötet“.

„Stark sedierende Substanzen“

Und zwar, „indem DDr. Rachat Shoraz (er studierte Medizin und Wirtschaft, Anm.) ihnen ein ihre Beweglichkeit stark herabsetzendes Neuroleptikum und zusätzlich stark sedierende Substanzen [. . .] injizierte [. . .]“ – und indem „DDr. Rachat Shoraz, Alnur Mussajew und Vadim K. den Opfern in weiterer Folge Plastiksäcke über die Köpfe stülpten und sie anschließend mit einer Schnur erdrosselten“. Danach landeten die Leichen in Metallfässern, diese wurden vergraben (siehe Faksimile).

Als Motiv nennt die Anklageschrift, wie schon exklusiv berichtet, finanzielle Motive. So soll Alijew, der Teilhaber der kasachischen Nurbank war, die späteren Opfer zur Überschreibung eines Aktienpakets bzw. zum Einfädeln eines unterpreisigen Verkaufs eines Bürokomplexes (das Gebäude gehörte einem weiteren Nurbank-Manager) genötigt haben bzw. dies versucht haben. Dass die Vorwürfe von der kasachischen Führung erfunden worden seien und in Wahrheit eine beinharte politische Verfolgung durch Kasachstans Langzeitpräsidenten Nursultan Nasarbajew im Gange sei, kann die Staatsanwaltschaft nicht nachvollziehen. Alijew bzw. dessen Verteidigung führt immer wieder ins Treffen, dass Nasarbajew den früheren Botschafter verfolge und hinter Gitter bringen wolle. Dabei muss erwähnt werden: Alijew war einst mit einer Tochter des kasachischen Despoten verheiratet. Für alle drei Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung. Noch ist die Frist offen, die einen etwaigen Einspruch gegen die Anklage erlaubt.

Österreich „erbte“ dieses Strafverfahren, weil hierzulande gerichtlich entschieden wurde, dass der Verdächtige in seiner Heimat kein faires Verfahren zu erwarten habe. Da Alijew in Österreich lebte und einen österreichischen Fremdenpass hatte – mittlerweile ist er Asylwerber –, ist der Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege in Kraft getreten. Einfach gesagt: Was Österreich den kasachischen Behörden nicht überlässt, muss es selbst erledigen.

Damit nicht genug, weist der Fall weitere Windungen auf. Ausgerechnet der derzeit amtierende ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter war im Rahmen des (aus kasachischer Sicht erfolglosen) Auslieferungsverfahrens einer der Rechtsvertreter von Alijew. Nunmehr hätte Brandstetter in letzter Konsequenz über die Frage „Anklage ja oder nein“ entscheiden können, überließ die Sache aber seinen für heikle Fälle ausgewählten Beratern („Weisenrat“). Diese gaben wiederum der Staatsanwältin grünes Licht (laut „Presse“-Informationen gab es im Justizressort auch Stimmen, die eine Anklage kritisch kommentierten).

Was war nun sozusagen die Smoking Gun zulasten des Ex-Diplomaten? Es war – als handle es sich um einen Agententhriller à la Hollywood – ein „Verrat“. Diesen skizziert die Anklageschrift so: Der Mitangeklagte Mussajew (welches Mordmotiv der mit Alijew befreundete Ex-KNB-Boss gehabt haben soll, erklärt die Anklage nicht konkret) habe im Rahmen der Ermittlungen bei den Behörden Gutpunkte sammeln wollen. Daher habe er den Plan gefasst, den Fundort der Leichen zu nennen. Dies freilich zulasten von Alijew.

Ein heißer Tipp

Aus der Anklage: „Mussajew entschied sich daher, sich an Aisultan N., den [. . .] Sohn von DDr. Rachat Shoraz, zu wenden.“ Der Sohn habe sich an die Präsidentenkanzlei gewandt. Diese habe an den KNB verwiesen, aus dessen Reihen mittlerweile Beamte für eine „behördenübergreifende Ermittlungsgruppe“ abgestellt gewesen seien. Letztlich fand die Information ihren Weg. Und die Leichen wurden im Mai 2011 in Almaty gefunden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2015)

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