Rettungseinsatz: Eine Matura für Suchhunde

(c) Stanislav Jenis
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In Skigebieten sind sie derzeit wieder im Großeinsatz: Rettungshunde suchen nicht nur unter Lawinen, sie erschnüffeln Menschen unter Trümmern oder in Großstädten. Nahe Wien wurden Rettungshunde für den weltweiten Einsatz getestet.

„Up, up, up, Savannah!“, leitet die Hundeführerin aus Neuseeland ihre Retriever-Hündin an, weiter auf die Betonplatten zu klettern. Schneller zu suchen, genauer, die Zeit läuft. So recht will die Hündin aber keine Orientierung finden, kann die Witterung nicht aufnehmen. Schnüffelt, wedelt, bellt und tappt weiter über die meterhoch gestapelten Blöcke, Balken oder ganzen Treppen aus Beton. Dabei ist die Zeit knapp, es geht um Minuten, unter den Trümmern, in anderthalb bis zwei Metern Tiefe, liegt ein Mensch, den Savannah aufspüren sollte.

Kein Job für „Schlaftabletten“. „Hier haben wir jetzt eher eine Schlaftablette“, kommentiert Michael Pernsteiner die Leistung der Hündin. Die Zeit ist um, ohne, dass sie genau hätte zeigen können, wo genau ein Mensch verschüttet liegt. Macht in dem Fall auch wenig, das vermeintliche Opfer klettert ohnehin durch einen Schacht an die Oberfläche. Das Einsatzgebiet ist das Tritolwerk in Niederösterreich, der Katastrophenhilfe-Übungsplatz des Bundesheeres. Die Suche kein Notfall, sondern der Einsatztest der Internationalen Rettungshunde Organisation (IRO).

Die IRO ist der Dachverband der Rettungshunde-Organisationen, zu denen sich 118 Organisationen zusammengetan haben. Sie sitzt in Salzburg, mit Pernsteiner ist ein Österreicher auch ihr Präsident. Nach Niederösterreich sind zuletzt 35 Rettungshunde und ihre Hundeführer aus aller Welt angereist, um am Einsatztest teilzunehmen – das ist eine Art Reifeprüfung für Suchhunde. Auch, wenn diese Hunde im Inland schon seit Jahren bei Suchaktionen eingesetzt werden – um international, etwa bei UN-Missionen, eingesetzt werden können, brauchen die Rettungshunde dieses Zertifikat.

Das hat zum Beispiel Armin Ertler vor. Mit seinem Schäferhund Vox von der Waldfeenhöhe hat er zwar schon ungefähr 140 Mal nach Vermissten gesucht – der Steirer ist seit 20 Jahren bei der Bergrettung, seit sieben Jahren ist Vox dabei sein „Kamerad“, wie Ertler sagt. Vox ist bei Lawinen, Trümmern oder beim Mantrailing, der Suche auf großen Flächen, einsetzbar.

Nun, da er in Pension sei, erzählt Ertler, habe er Zeit, sich noch intensiver mit der Rettung von Vermissten zu befassen. Und, um auch im Ausland an Einsätzen teilnehmen zu können, erzählt er auf dem Zeltplatz, auf dem die Teilnehmer mit ihren Hunden campieren – und auf dem sie sich für die Dauer des mehrtägigen Tests auch selbst versorgen. Schließlich herrschen im Fall eines Einsatzes noch unfreundlichere Bedingungen als im kalten Wind auf dem niederösterreichischen Katastrophenhilfeübungsplatz. Das mache den Teilnehmern auch nichts aus, wie Ertler ungerührt erklärt, während er sich, nach seinem Hund, das Klettergeschirr anlegt. Denn für das Zertifikat reichen die Suchaktionen nicht, auch ein Abseilen samt Hund zählt dazu.

Bei einem Team aus Slowenien ist es schon so weit. Die junge Frau wird samt ihrer weißen Labrador-Hündin aus etwa 20 Metern Höhe von einer Plattform unter dem Dach der alten Munitionsfabrik auf dem heutigen Übungsgelände langsam zu Boden gelassen. Die Hündin versucht mit ihren Läufen, sich an ihrer Hundeführerin festzuklammern. Bleibt aber ruhig. Hat sie doch schon mindestens zwei Jahre Ausbildung hinter sich – so lange dauert es, bis ein Rettungshund einsatzfähig ist. Das Training beginnt, erklärt Pernsteiner, schon als Welpe. Wichtig sei auch die Auswahl des Hundes. Es sollten lebhafte, triebige Hunde sein.

Der Bluthund hat die beste Nase. An sich können aber alle Rassen und Mischlinge Suchhunde werden. Auch wenn es freilich spezielle Talente gibt: Der Neufundländer eignen sich etwa speziell zur Wassersuche. Zu den klassischen Suchhunden zählen Retriever-Arten oder Schäfer. Den besten Suchhund, wenn es um Mantrailing, der Suche auf einer großen Fläche anhand eines Geruchsträgers, geht – nach der dementen Dame in der Stadt, dem verirrten Bergsteiger im Wald –, wäre der Bluthund, der Hubertushund, wie Pernsteiner erklärt. Er hat den am stärksten ausgeprägten Geruchssinn – aber er stinkt, sabbert und folgt selten, wie Pernsteiner sagt. Es gibt also angenehmere Mitbewohner, und schließlich leben die Hunde bei ihren Hundeführern, die zum allergrößten Teil ehrenamtlich mit diesen arbeiten. Und die dafür einen Großteil ihrer Freizeit aufwenden. Armin Ertler erzählt, er trainiere mit seinem Vox, seit dieser vier, fünf Monate alt ist. Es beginnt damit, dass ein Welpe sein Futter nicht einfach so bekommt, sondern erst quasi als Belohnung für eine Leistung.

Später suchen die Hunde ihr Futter oder Spielzeug. Zwei bis vier Mal pro Woche, erzählt Ertler, trainiere er mit seinem Hund heute. Dazu kommen die Einsätze auf dem Berg. Denn dort erzielen Rettungshunde noch immer bessere Ergebnisse als jedes technische oder biologische Ortungsgerät. Auch bei Einsätzen nach Naturkatastrophen sind die Spürnasen noch immer jedem Bioradar und jeder Kamera überlegen.

Langes Training, strenge Tests. Aber die Ausbildung dauert lang, und die Prüfungen sind genau. Den Einsatztest besteht etwa jeder zweite Hund. Und ein Nichtbestehen, sagt Pernsteiner, sei auch kein Misserfolg, sondern bloß ein Signal, dass der Hund noch nicht so weit ist. Wie bei Hündin Savannah, die mehr bellte und wedelte, als den Vermissten anzuzeigen. Und die wohl neuerlich anreisen wird müssen.

Rettungshunde

Unter dem Dach der IRO sind rund 245.000 Menschen mit 2000 Rettungshunden unterwegs. Zur IRO zählen 118 Rettungshundeorganisationen aus 40 Ländern.

Seit der Gründung 1993 sind von der IRO etwa 30.000 Rettungshunde ausgebildet worden, die Kosten für einen einsatzfähigen Hund belaufen sich auf etwa 20.000 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2015)

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