Für Deutschpflicht - „ohne Wenn und Aber“

(C) Fabry
  • Drucken

Regierungsberater Ilan Knapp fordert, Österreich solle keine Zeit mehr mit theoretischen Diskussionen verschwenden, sondern Sprachkurse zur Integration ausbauen – auch für Zuwanderer aus EU-Staaten.

Wien. Er ringt die Hände und appelliert eindringlich, deutlich mehr Deutschkurse für Zuwanderer aus dem Ausland anzubieten und diese möglichst rasch zum Spracherwerb zu verpflichten. Ilan Knapp ist als Leiter des Jüdischen Beruflichen Bildungszentrums (JBBZ) Mitglied des Expertenrates für Integration von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP). „Ohne Sprache geht gar nichts, das begreifen leider nicht alle“, bedauert Knapp im Gespräch mit der „Presse“. Im Sinne der Zuwanderer wie auch der österreichischen Gesellschaft müsste der verpflichtende Spracherwerb endlich verstärkt umgesetzt werden.

Konkret hat er dabei zwei Schwerpunkte im Auge. Ein Problem sei, dass viele Zuwanderer aus anderen EU-Staaten, weil sie innerhalb der europäischen Union Inländer seien und der Arbeitsmarkt für sie grundsätzlich frei sei, nicht Deutsch lernen müssten. „Wenn er aus Rumänien kommt, hat er mit der Sprache genauso ein Problem“, analysiert der Bildungs- und Integrationsexperte. Immerhin mache die Zahl der Zuwanderer aus Staaten außerhalb der Europäischen Union nur rund ein Drittel des Zuzugs aus. Generell sei daher das Angebot an Deutschkursen flächendeckend in Österreich und nicht nur in den Ballungszentren deutlich auszubauen.

Weiters müssten die Deutschkenntnisse, die von den nach Österreich zuziehenden Einwanderern verlangt werden, erhöht werden. Diese sollten dann Deutsch auf dem Niveau von B 1 (mit dem man die Sprache selbstständig einsetzen kann, spontane und fließende Verständigung) beherrschen. Alle Verantwortlichen bis hin zur Regierung sollten daher auf den Besuch von Deutschkursen und den Erwerb dieser Sprachkenntnisse als „Grundvoraussetzung“ drängen.

Ghettos als Alternative?

„Ohne Wenn und Aber“, wie Knapp bekräftigt. Das geschehe leider nach wie vor zu wenig. Kritik und Widerstand dagegen müssten nun überwunden werden. „Es wird immer so hingedreht, als ob wir die Bösen wären“, beklagt Knapp. Aber, so hält er den Kritikern entgegen: „Wir sind nicht die Bösen.“

Um die unbefriedigende Alternative einer „Ghettoisierung“ aufzuzeigen, braucht er nur aus dem Fenster des Zentrums zu deuten. Dieses liegt in der Brigittenau, dem 20.Wiener Gemeindebezirk, mit einem besonders hohen Migrantenanteil und Wohnungen, in denen nach wie vor bis zu 20 Personen zusammengepfercht seien.

Der JBBZ-Leiter räumt ein, dass es bei der Integration schon in den vergangenen Jahren Verbesserungen gegeben habe. Ausdrücklich lobt er dabei nicht nur die Arbeit von Außen- und Integrationsminister Kurz, sondern auch die Aktivitäten und Bemühungen von Sozialminister Rudolf Hundstorfer sowie von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Dennoch sei es notwendig, nun eine Stufe weiterzugehen und die ständige theoretische Diskussion über mögliche weitere Maßnahmen zu beenden: „Das ist waste of time“, also Zeitverschwendung. „Da finde ich, es wäre wichtig, den Mut zu haben, das einmal auszusprechen und nicht wieder vor sich herzuschieben.“ Denn dass die Sprache der zentrale „Code“ für Integration sei, stehe außer Zweifel. „Das ist wie in einem Hotel, ohne den Code für das Zimmer bleibe ich am Gang.“

Dabei sei eine verstärkte Verpflichtung zu Deutschkursen sowohl für die Zuwanderer als auch für die einheimische Bevölkerung von Vorteil. Sprachkenntnisse seien der Schlüssel zum Berufszugang und zu mehr Freiheit: „Abhängigkeiten führen nicht zum Erfolg“, warnt der Integrationsexperte.

Chance, um Dampf abzulassen

Mehr Mut, die Möglichkeiten dafür anzubieten, helfe auch, in der „Druckkopftopf-Situation“ bei der Zuwanderungsdebatte in Österreich ein wenig Dampf herauszulassen.

Diese Deutschkurse sollten prinzipiell als Teil eines Pakets für die Teilnehmer kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Knapp steht zugleich dazu, jene, die diese Grundvoraussetzungen beim Erlernen der deutschen Sprache nicht erfüllen, letztlich wieder in die Heimat zurückzuweisen.

Knapp sieht das Jüdische Berufliche Bildungszentrum als ein Beispiel dafür, wie es funktionieren kann. In diesem wird jüdischen Menschen eine berufliche Qualifikation angeboten, damit diese die Integration in Österreich leichter schaffen können.

Allein rund 40 Prozent der knapp 250 Zuwanderer, die von Jänner bis November des Vorjahres in Kontakt mit dem JBBZ getreten waren, kamen aus Israel. Dieses Projekt ist einzigartig in Europa, weshalb er immer wieder zu Vorträgen und Besuchen eingeladen wird, berichtet Knapp. Gut 180 Ausbildungs- und Praktikumsplätze werden im Auftrag des Arbeitsmarktservice (AMS), der Stadt Wien und der EU-Kommission im Rahmen von ESF angeboten.

ZUR PERSON


Ilan Knapp
gehört dem Expertenrat an, der jährlich für Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) einen Bericht über die Integration in Österreich erstellt. Er ist mit Ruth Wodak Verantwortlicher für Sprache und Bildung im Expertenrat. Knapp leitet das 1988 gegründete Jüdische Berufliche Bildungszentrum (JBBZ) in Wien-Brigittenau, das sich der beruflichen Qualifikation und Integration jüdischer Jugendlicher und Erwachsener in Österreich widmet. Knapp war zuvor 20 Jahre lang Leiter des Instituts für Berufsbildungsforschung (ÖIBF). Ab 1991 war er fünf Jahre Landesgeschäftsführer der SPÖ Niederösterreich. [ Roßboth ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.