ÖBB: Kapitulation vor dem Sturm

(c) Stanislav Jenis
  • Drucken

Der Stillstand auf Schienen hat zu Wochenbeginn in Ostösterreich tausende Fahrgäste verärgert. Trotz Vorbereitungen der ÖBB. Und: Es kann jederzeit wieder passieren.

Wien. „First time you have snow in Austria? :-) Greetings from Norway.“ Als am späten Montagnachmittag große Teile des ostösterreichischen Bahnverkehrs im Schneesturm zum Erliegen kamen, war der Eintrag von Ivar Nordløkken im Facebook-Profil der ÖBB einer von wenigen, die nicht gleich derb daherkamen. Der Spott, den die Bahn seither über sich ergehen lassen muss, ist beißend. Wenige Zentimeter Schnee und Wind sind offenbar dazu in der Lage, eine der größten Infrastrukturen des Landes binnen Stunden außer Betrieb zu setzen. Hat, wie viele nun meinen, tatsächlich das Krisenmanagement versagt? Und verläuft, wie andere behaupten, die Abwicklung des Betriebs bei schwierigen Wetterbedingungen ausgerechnet in Österreich schlechter als in anderen Ländern?

Vorweg: An mangelnder Vorbereitung kann es nicht gelegen haben. Für die ÖBB ist die Wetterprognose insbesondere im Winter ein Faktor, der von Tag zu Tag neu bewertet wird. Und auch für den Montag hatte man – insbesondere in Ostösterreich – Vorkehrungen getroffen. 400 Mitarbeiter waren zur Schneeräumung eingeteilt, genauso alle Pflüge, die verfügbar sind. Und trotzdem ging ab Mittag auf den Schienen immer weniger, bis schließlich die so wichtige Weststrecke zwischen Wien und St. Pölten fast vollständig vom Netz ging. Wie war das möglich?

Weichenheizung wirkungslos

Das Problem war nicht der Schnee selbst. Die 5, 10 oder 15 Zentimeter, die in der Region niedergingen, bringen Züge nicht zum Stehen. In Kombination mit dem stürmischen Wind jedoch brachte er Räumtrupps und ÖBB-Technik an die Grenzen des Leistbaren. Bis zu zwei Meter hoch waren die Wächten, die der Sturm an exponierten Orten über Gleisen und Weichen auftürmte. Von den geräumten Bahnsteigen aus war das nicht zu sehen. Als dann keine Züge kamen oder abfuhren, stieg der Ärger.

Besonders stark hat sich das Phänomen auf den 5,5 Kilometern zwischen Wien-Hütteldorf und dem Westbahnhof bemerkbar gemacht. Auf dem Abschnitt kommen regionale, nationale und internationale Züge zusammen, müssen sich jedoch, bevor sie den Westbahnhof, einen Kopfbahnhof, anfahren, auf eine große Anzahl von Gleisen auffächern. Diese Vielzahl von Gleisen und Weichen war wegen des starken Windes und der durch ihn bedingten Verwehungen trotz der Sonderschichten der Räummannschaften nicht dauerhaft freizuhalten. Die Arbeit war buchstäblich ein Kampf gegen die Natur, der bereits am frühen Nachmittag verloren ging. Zu diesem Zeitpunkt musste die Einsatzleitung erkennen, dass dauerhaft nur ein bis zwei Gleisstränge freigehalten werden konnten. Bei den anderen machte der Wind die getane Arbeit binnen Minuten wieder zunichte. Selbst die „Turbo-Tasten“ der Weichenheizungen, Bahntechniker sagen auch Flugschnee-Taste dazu, zeigte bei diesen Wetterbedingungen keine Wirkung mehr.

Zu wenig Gleise verfügbar

Also traf in der Verkehrsleitzentrale ein mehrköpfiger, aus den unterschiedlichsten Abteilungen bestehender Stab die Entscheidung, die Weststrecke durchgängig nur noch mit Railjets zu befahren. Die Grundlage für diese Entscheidung war, dass zwischen Hütteldorf und Westbahnhof zu wenig Gleise zur Verfügung standen. Daher mussten die meisten anderen Züge nach Wien in St. Pölten umdrehen bzw. fuhren in Wien gar nicht erst ab. Neben den Railjets gab es nur für die private Westbahn Ausnahmen.

Wie massiv die Einschnitte waren, ist erst dann zu erkennen, wenn man sich die Bedeutung des Zugverkehrs für die gesamte Region vor Augen führt. Knapp zwei Drittel der täglich 1,3 Mio. ÖBB-Fahrgäste werden in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland gezählt. 100 Züge fielen am Montag vollständig aus, 300 weitere – vor allem jene östlich von Wien – zumindest teilweise.

Obwohl auch der Bahn-Konzern der Meinung ist, in Wahrheit unverschuldet zum Stillstand gebracht worden zu sein, beschrieb ein Unternehmenssprecher am Dienstag die Stimmung im Unternehmen mit „zerknirscht“. Immerhin sei die Allwettertauglichkeit der Bahn ansonsten nämlich eines der besten Argumente gegenüber dem Straßenverkehr. „Aber am Montag waren wir machtlos.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

Winterwetter: Frühling kommt nur langsam

Keine Entwarnung gibt es bei der aktuellen Lawinengefahr.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.