FPÖ-Ball: Freispruch für "falschen" Demonstranten

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Ein mutmaßlich gewalttätiger Demonstrant gegen den Akademikerball 2014 wurde offenbar verwechselt. Selbst die Staatsanwältin distanzierte sich von der Anklage. Indes ist die Anzeigenbilanz nach der Demo 2015 diffus.

Wien. Es ist sozusagen der Parallelfall zu Josef S., also zu jenem deutschen Studenten, der wegen Landfriedensbruchs und anderer Delikte zu zwölf Monaten teilbedingter Haft verurteilt worden war (rechtskräftig ist dieser Spruch allerdings noch immer nicht). So wie S. stand am Montag auch ein gewisser G. aus Wien vor Gericht, weil er im Jänner 2014 bei der Demonstration gegen den von der FPÖ veranstalteten Akademikerball auf die Polizei losgegangen sein soll. Bei G. gab es nun aber keinen Schuld-, sondern einen Freispruch (auch der ist nicht rechtskräftig). Kurioserweise hatte sich selbst die Staatsanwältin von der Anklage (Strafantrag) distanziert.

„Wie es zu diesem Strafantrag kam, weiß ich nicht. Ich habe ihn nicht geschrieben. Ich halte ihn aber aufrecht und beantrage die Anwendung des Gesetzes.“ Dies sagte Staatsanwältin Angelika Fichtinger vor einem erstaunten Publikum im Straflandesgericht Wien.

Sie vertrat die Anklage wegen versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt – stellvertretend für eine Kollegin. Letztere hatte die Anklage verfasst. Mit der Formel „Anwendung des Gesetzes“ ebnete Fichtinger nun den Weg für einen Freispruch. Diesen, genau genommen einen Freispruch im Zweifel, verhängte dann auch Richterin Michaela Röggla-Weisz. Sie ortete deutliche Widersprüche bei den Zeugenaussagen und auch bei den verschiedenen Zeitangaben durch die Polizei. Auch war jene Stange eines Transparents, mit der G. auf den Arm eines in einer Sperrkette befindlichen Polizisten geschlagen haben soll, nicht sichergestellt worden. Dieser Polizist hatte bei der letzten Verhandlung nicht mehr genau sagen können, ob G. wirklich jener Demonstrant ist, der auf ihn losgegangen war. Er hatte zugegeben, dass das Visier seines Helms leicht angelaufen war und er daher keine freie Sicht hatte.

Der nunmehr freigesprochene G. war auf Krücken zu der Verhandlung gekommen, weil er nach eigenen Angaben noch immer unter den Folgen der damals erfolgten Festnahme leide. Er sei damals mit den Knien hart am Asphalt aufgekommen. Der Vater des jungen Mannes sagte der „Presse“, sein Sohn nehme deshalb noch heute täglich Medikamente.

Ob es nach der – im Gegensatz zu Anti-Ball-Demonstration 2014 – in diesem Jahr weitgehend gewaltlos verlaufenen Kundgebung erneut zu Strafprozessen, etwa wegen Landfriedensbruchs, kommt, lässt sich derzeit schwer einschätzen. Nach der heurigen Demo, am 30.Jänner, meldete die Polizei (2500 Beamte waren im Einsatz) 54 Festnahmen. Insgesamt seien 150 Anzeigen wegen strafrechtlicher und verwaltungsstrafrechtlicher Tatbestände erstattet worden.

Wie viel bleibt hängen?

Inwieweit diese Bilanz bei der Staatsanwaltschaft Wien Niederschlag findet, konnte Sprecherin Nina Bussek deshalb (noch) nicht sagen, da es kein einheitliches Vorgehen gebe. Theoretisch könnten mehrere Staatsanwälte unabhängig voneinander mit der Aufarbeitung diverser Vorfälle befasst sein. Im Vorjahr hatte die Polizei 700 Personen angezeigt, verhandelt wurde aber nur in wenigen Einzelfällen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2015)

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