Der Skilift als Dorfgasthaus

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Immer mehr kleine Skigebiete sperren, weil sie unrentabel sind. In Niederösterreich haben zwölf Privatpersonen eines gerettet.

Wer mit dem Polster-Sessellift in Vordernberg (Steiermark) fährt und etwas sentimental ist, der kann schon feuchte Augen bekommen. Man sitzt einsam auf einem einzelnen Sessel, der mit einer Metallstange geschlossen wird und einen heftig durchrüttelt, wenn er über die Rollen der Stützen fährt. Und wenn man oben auf dem Berg angekommen ist, muss man im Sommer beim Aussteigen recht schnell laufen, weil sich der Sessel nicht, wie bei modernen Anlagen, ausklickt und langsamer fährt. Ein Ausflug in die Kindheit – und das Ganze um zehn Euro (Berg- und Talfahrt).

„Dieser Lift ist einzigartig“, sagt Herwig Emmerstorfer, „und deswegen darf er auch nicht eingestellt werden.“ Denn natürlich hat ein Lift, der einen zu Tränen rührt, heutzutage wirtschaftlich kaum noch eine Existenzberechtigung. Zu wenig Menschen fahren mit ihm, er ist völlig veraltet, und deswegen wollen die Präbichler Bergbahnen auch nicht mehr um eine Verlängerung der Konzession ansuchen, wenn sie im Mai 2016 ausläuft.

Das ist insofern schade, als einen der Sessellift in elf Minuten auf den fast 2000 Meter hohen Polster befördert, auf dem man im Sommer einen atemberaubenden Ausblick auf die Bergwelt hat und im Winter die legendäre Polsterrinne und schier endlose Tiefschneehänge befahren kann (bisher war das ein Geheimtipp).

Und deswegen haben Emmerstorfer und sein Kollege Martin Karner eine Rettungsaktion gestartet: Auf Facebook und mit Unterschriftenlisten haben sich bisher etwa 4500 Menschen dafür ausgesprochen, den 60 Jahre alten Lift zu erhalten – für Sportler, Naturliebhaber und Nostalgiker. „Und wer soll das bezahlen“, fragt man nüchtern bei den Präbichl Bergbahnen.

Eine ähnliche Frage stellte sich die Niederösterreichische Bergbahnen BeteiligungsgesmbH vor einem Jahr mit einem kleinen, 1972 errichteten Skilift in St. Corona am Wechsel – und zwölf Personen plus zwei Vereine gaben eine bemerkenswerte Antwort: Sie übernahmen kurzerhand den Lift und betreiben ihn heuer zum ersten Mal selbst.

„Das war für uns eine recht klare Entscheidung“, erzählt Reinhard Henschl, einer der Geldgeber. „Wir wollten den Lift unbedingt erhalten, weil es in unserer Region sonst kaum eine Möglichkeit gibt, Ski zu fahren. Wenn die Jungen erst kilometerweit irgendwohin fahren müssen, dann vergeht ihnen jede Lust am Wintersport.“

Also gibt es jetzt die von einem Verein betriebene „Skiarena Simas-Lifte“ in St. Corona, auch wenn es streng genommen keine Arena ist und auch keine Lifte sind, sondern nur ein Schlepplift (die anderen zwei Lifte wurden bereits abgerissen) und eine Abfahrt. Aber es gibt die Simas-Hütte, Sumpis-Schirmbar, es gibt – dank einer Kooperation mit der Firma IAG und der Technischen Universität Wien – eine Beschneiungsanlage, und es gibt vor allem jede Menge Idealismus, um dieses einmalige Projekt am Leben zu erhalten.


1000 Saisonkarten. 5000 Euro hat jede der zwölf Privatpersonen bezahlt, die Vereine haben ebenfalls Geld zugeschossen, und damit war genug zusammen für den Lift (30.000 Euro), für dessen Abriss schon die Bagger aufgefahren waren, und ein paar Investitionen. Sehr dankbar war die Bergbahnen BeteiligungsgesmbH im Eigentum des Landes Niederösterreich nicht unbedingt: Eine alte Pistenraupe hat man beispielsweise nicht etwa den neuen Besitzern überlassen oder günstig verkauft, sondern an eine andere Gesellschaft veräußert. Und ein Antrag auf Förderung für eine jetzt gekaufte Pistenraupe liegt noch beim Land.

Wie man einen Skilift betreibt, hat keiner der Geldgeber gewusst. „Uns geht es in erster Linie um das Ski fahren. Das Ziel ist nicht, Gewinn zu machen“, sagt Henschl. „Dass wir die 5000 Euro nicht mehr herausbekommen, ist jedem klar. Aber das ist es uns wert.“

Die Erhaltung des Lifts sei auch in gewissem Sinn eine gesellschaftspolitische Aufgabe. „In der Gegend gibt es nicht viel. Wenn die Leute nichts haben, wo sie hingehen können, kommen sie auch nicht zusammen. Zu uns kommen sie zum Ski fahren, sitzen dann gemeinsam in der Hütte – das fördert das Dorfleben.“

Die Einheimischen nehmen das Angebot besser an, als man erwartet hat. Heuer hat man bereits 1000 Saisonkarten um günstige 75 Euro verkauft. Die Tageskarte kostet 18 Euro für Erwachsene, zwölf für Kinder. „Es soll für die ganze Familie leistbar sein, vor allem, wenn man kleine Kinder hat, die eh noch keine riesigen Pisten brauchen.“ Für Skiclubs hat man ein Areal abgesteckt, auf dem die Mitglieder für Rennen trainieren können. Und vom nahen, „wirklich guten“ Familienskiland St. Corona, das indirekt das Land Niederösterreich betreibt, hat man einen kostenlosen Shuttle-Bus eingerichtet. All das hat eine Frequenz gebracht, die der alte Schlepplift lange nicht mehr hatte: 65.000 Mal sind Besucher bisher in dieser Saison mit dem Lift gefahren.

Was am Ende des Winters übrig bleibt und ob man Geld für Investitionen hat – „eine zweite Piste wäre irgendwann super, aber dafür bräuchten wir eine Kooperation mit dem Familienskiland zur Nutzung des Beschneiungsteichs“ –, wird sich erst zeigen. Bezahlt werden müssen zwei Angestellte, zwei bis drei geringfügig beschäftigte Personen, Diesel für den Lift, Strom für die Beschneiungsanlage.

„Wenn man unten steht“, sagt Reinhard Henschl, „und die ganzen Skifahrer auf der Piste sieht, dann ist man schon stolz, dass man die alte Anlage gerettet hat.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2015)

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