Der Suizid des kasachischen Ex-Diplomaten Rachat Alijew scheint noch nicht restlos aufgeklärt.
Wien. Der Suizid des früheren kasachischen Botschafters Rachat Alijew innerhalb einer Einzelzelle der Haftanstalt Wien Josefstadt sorgt weiter für Aufregung, die Gerüchteküche brodelt, Verschwörungstheorien blühen. Nicht zuletzt deshalb versichert der stellvertretende Leiter der Staatsanwaltschaft Wien, Gerhard Jarosch, im „Presse“-Gespräch, man wolle sich nicht dem Vorwurf aussetzen, im Rahmen der Obduktion irgendetwas verabsäumt zu haben.
Obwohl bereits der Chef der Wiener Gerichtsmedizin, Danielle Risser, den Leichnam untersucht hat, gibt die Anklagebehörde diesen vorerst nicht frei. „Wir prüfen gerade den Wunsch des Anwaltes, einen zweiten Gerichtsmediziner zuzuziehen.“
Wie berichtet, hatte die Kanzlei Ainedter – sie vertrat den Ex-Diplomaten – darauf hingewiesen, dass unter Umständen eine schiefe Optik entstehen könne, weil Risser auch im Mordprozess, den man Alijew machen wollte, als Gutachter vorgesehen war.
„Geld spielt keine Rolle“
Außerdem steht das Ergebnis von toxikologischen Untersuchungen von Blutproben des Toten noch aus. Bis hier ein Ergebnis vorliegt, können noch Wochen vergehen. „Wir machen alles, was möglich ist. Die Kosten spielen dabei keine Rolle“, so Jarosch. Zur Erinnerung: Formal gesehen führt die Staatsanwaltschaft (StA) derzeit ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter, in diesem Rahmen koordiniert sie alle Schritte, die zur Aufklärung der näheren Umstände des Suizids nötig sind. Unterdessen bestätigte die StA auch, dass in der Zelle von Alijew jenes Notiz- bzw. Tagebuch gefunden worden sei, von dem zuletzt auch die Anwälte gesprochen haben. Es ist in kyrillischer Schrift abgefasst. Laut den Anwälten habe sich Alijew vor seinem Tod darüber beklagt, dass eine Seite herausgerissen worden sei. Die Vollzugsdirektion hatte dies in Abrede gestellt. Freilich wird auch dies nun zu prüfen sein.
Die Mullbinden, mit denen sich der 52-Jährige an einem Kleiderhaken in der Nasszelle seines Haftraums erhängt hatte, stammten aus der Krankenabteilung der Justizanstalt, wo auch der herzkranke Ex-Diplomat – eben in Einzelhaft – untergebracht war. In der Abteilung können sich die Häftlinge relativ frei bewegen, Alijew wäre es möglich gewesen, die Mullbinden unbemerkt an sich zu bringen.
Sich mit diesem „Tatwerkzeug“ das Leben zu nehmen, wäre kein schwieriges Unterfangen gewesen. Der U-Häftling hätte sich „nur“ in eine aus den Mullbinden gebildete Schlaufe fallen lassen müssen, um sich die Sauerstoffzufuhr zu nehmen. In diesem Fall wäre binnen Sekunden die Bewusstlosigkeit und nach vier bis fünf Minuten der Hirntod eingetreten. Man darf annehmen, dass Alijew, der ehemals in leitender Funktion beim kasachischen Geheimdienst KNB tätig war und zudem Medizin studiert hatte, über Tötungsarten Bescheid gewusst hat.
(m.s./APA)