"Sound Of Music": Der unbekannte Klang der Musik

Sound Of Music
Sound Of Music(c) EPA (Andy Rain)
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Weltweit ist "Sound of Music" einer der meistgesehenen Filme der Geschichte. Er zeichnet ein völlig falsches, aber überaus positives Bild von Österreich. Mit Amerikanern und Engländern auf der Tour in Salzburg.

Wenn man schon will, dass jemand ein falsches Bild von Österreich hat, dann will man, dass er das aus „Sound of Music“ hat. Der berühmteste Film über Österreich, der hierzulande völlig unbekannt ist, hat wahrscheinlich mehr für das Image des Landes getan als Neujahrskonzert, Sacher-Torte oder Arnold Schwarzenegger (bei dem man derzeit wegen seiner ungeliebten Budgeteinschnitte und Steuererhöhungen ohnehin hoffen muss, dass ihn viele Amerikaner für einen Australier halten).

„I love this country“, sagt Mark Callahan, der auf dem Salzburger Mirabellplatz im Regen steht und gerade einmal seit 21 Stunden in Österreich ist. Zum ersten Mal in seinem Leben übrigens. Warum er das Land liebt, ist klar: „Die Landschaft ist wunderschön; die Menschen sind so freundlich, so nett“ – wie gesagt, er ist erst seit 21 Stunden in Österreich. „Sie sind fröhlich und tanzen viel.“

Dieses Bild hat er aus „Sound of Music“. Auch jenes, dass wir gegen Adolf Hitler, die Nazis und den Anschluss waren. Wenn man mit Mark über das Jahr 1938 spricht, dann erwähnt er nicht die zehntausenden Menschen auf dem Wiener Heldenplatz, sondern den mutigen Baron von Trapp, der nach dem Einmarsch der Deutschen im Salzburger Konzertsaal sitzt, von Angesicht zu Angesicht mit bösen, dicken Nazis, und trotzig die österreichische Hymne anstimmt (was folgt, kann man nicht übersetzen): „Edelweiß, Edelweiß, every morning you greet me/small and white/clean and bright/you look happy to meet me/Blossom of snow/may you bloom and grow/bloom and grow forever/Edelweiß, Edelweiß, bless my homeland forever.“

Das Publikum klatscht euphorisch, die Nazis verlassen erzürnt den Saal, und die von Trapps müssen fliehen. Nur einmal ließ Hollywood eine Hymne eine ähnliche Wirkung haben: Im unsterblichen Film „Casablanca“, als die Franzosen in Rick's Bar mit der „Marseillaise“ die Nazis und ihr Lied „Die Wacht am Rhein“ übersingen. Beide Szenen rühren zu Tränen. Nur ist es halt in Bezug auf Österreich derart frei erfunden wie die Szene, in der Julie Andrews fröhlich singend schnell über die Salzburger Berge nebenan in die Schweiz flieht (insgesamt passt es freilich zu einer der größten historischen Errungenschaften Österreichs, nämlich die ganze Welt glauben zu machen, dass Hitler ein Deutscher und Beethoven ein Österreicher war).

Hollywood jedenfalls schafft Realitäten, und so meinen eben unter anderem Mark und Ronald Reagan, dass „Edelweiß“ die österreichische Bundeshymne ist. Als der mittlerweile verstorbene Bundespräsident Rudolf Kirchschläger am 28. Februar 1984 als Ehrengast zu einem Abendessen im Weißen Haus eintraf – im Schlepptau übrigens den damaligen Wissenschaftsminister Heinz Fischer –, spielte die Kapelle der Marines den Gassenhauer aus „Sound of Music“. Die Amerikaner sangen angeführt von Präsident Reagan leise mit, die Österreicher blickten irritiert in die Runde.

Seit 1965 bietet Stefan Herzl mit seinen „Panorama Tours“ Ausflüge zu den „Sound of Music“-Schauplätzen in Salzburg und Mondsee an. Schon die Schauspieler hat der umgängliche Salzburger herumkutschiert, als sie 1965 hier filmten. 45 Jahre später sind es in erster Linie Amerikaner und Engländer, die 37 Euro für vier Stunden Filmgeschichte bezahlen. Kein Österreicher, kein Deutscher. Die Tour wird nur auf Vorbestellung auf Deutsch angeboten.


Den Film „sehr, sehr oft gesehen“. An diesem Tag sind es ein älteres Ehepaar aus Seattle (US-Bundesstaat Washington), eine Familie mit zwei Kindern aus London und eine einsame Engländerin, die mit „Ohs“ und „Ahs“ die Ausführungen kommentieren und bei der Rückfahrt im VW-Bus gemeinsam und fast ein wenig pflichtschuldig ob des österreichischen Gastes Lieder aus „Sound of Music“ singen.

„Wir sind wegen der Kinder hier“, erklärt Leigh Palle, aber auch sie hat „natürlich“ den Film „sehr, sehr oft“ gesehen. Zuerst mit ihren Eltern und jetzt natürlich seit die Kinder da sind – „mein Lieblingsfilm“, unterbricht der aufgeweckte siebenjährige Harry. Der Film erlebe gerade eine Renaissance, erzählt Leigh, weil man in London nach dem Vorbild von „Starmania“ Darsteller für „Sound of Music“ sucht. Das Musical selbst, das jahrzehntelang allabendlich ausverkauft in London gelaufen ist, ist erst neulich abgesetzt worden.

Der kleine Trupp Touristen kennt jeden der Orte, die der Reiseführer anfährt: das Schloss Leopoldskron, wo im Film die Kinder ins Wasser fallen; den Glaspavillon vor Schloss Hellbrunn, in dem die Familie tanzt; den Blick über St.Gilgen und den Wolfgangsee, der auch heute noch überraschend ähnlich dem ist, was die Film-von-Trapps 1964 sahen. Fast erwartet man, dass Julie Andrews den Hügel herunterrollt.

Welches Bild haben sie nun von Österreich? „Wir kennen die Geschichte“, meint Leigh fast leise, so, als wäre es ihr peinlich. „Aber insgesamt haben wir einen sehr positiven Eindruck. Wobei den der Film natürlich geprägt hat.“ Ihr Kinder hätten unbedingt dieses „wunderschöne Land“ sehen wollen. Und auch die Amerikanerin Dotty Shireman hält das für einen der Höhepunkte ihrer zweiwöchigen Reise durch Deutschland, Österreich und Italien: „Unsere Freunde werden uns um diese Erfahrung beneiden. Wir haben all das gesehen, was sie nur aus dem Film kennen.“ Und natürlich war es „wunderbar“. Österreich ist „so einmalig schön“.

Wenn Österreich aufgrund eines Films so viel Gutes widerfährt, warum ist „Sound of Music“ hierzulande dann völlig unbekannt? Mag schon sein, dass er schlecht synchronisiert ist; dass Hans-Moser-Filme lustiger und Peter-Alexander-Filme volksmusikalischer sind.

Trotzdem. Hat es damit zu tun, dass die von Trapps geflohen sind – auch im echten Leben? Dass sie es im Ausland zu etwas gebracht haben? Es sei wohl ein bisschen von allem, glaubt Tourchef Herzl.

In der deutschen Version von „Sound of Music“, die den typischen Heimatfilmtitel „Meine Lieder, meine Träume“ trägt, fehlt jedenfalls jeglicher Hinweis auf die Nazi-Zeit. Die fielen der Schnittschere zum Opfer, ebenso wie Julie Andrews' Flucht in die Schweiz (und das zweifellos nicht nur aus Sorge um die geografische Verbildung der Jugend). Der Film endet mit der Hochzeit des Barons und Marias. Keine Nazis, keine Flucht, keine geografischen Fehler – ein Happy End auf Deutsch.


Edelweiß, eine „Beleidigung“. Trotz der Anpassungen kann man hierzulande weder das Musical noch den Film leiden. Als die Volksoper 2005 „Sound of Music“ aufführte, war die Kritik verheerend: „Edelweiß“, meinte der „Kurier“, sei eine Beleidigung für österreichische Kompositionen, und nicht ein einziges Lied des Abends sei in Erinnerung geblieben (was würden wohl Amerikaner und Engländer dazu sagen, die alle Lieder auswendig können?). Auch der Kritiker der „Presse“ war wenig begeistert: „Zweieinhalb Stunde Langeweile“ habe er durchlitten. Der damalige Volksoperndirektor Rudolf Berger meinte, dass die Kritiken wohl weniger mit dem zu tun hatten, was geboten wurde, sondern vielmehr mit dem Umstand, dass es überhaupt geboten wurde.

Die Tour in Salzburg endet in Mondsee, in der „Konditorei Braun“, in der zwar nichts gefilmt wurde, die aber direkt gegenüber der Hochzeitskirche liegt, in der Baron von Trapp seine Maria heiratete. Der Kellner spricht Englisch, die Speisekarte ist auf Englisch, und die Spezialität des Hauses ist Apfelstrudel in Vanillesauce – „typical Austrian“, wie er versichert. Und auch das glauben die braven Touristen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2009)

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