Dornbirn: Zwischenbilanz des Pioniers

2001 wurde in Dornbirn das erste Integrationsleitbild erstellt. Seither hat sich vieles verändert.

Visionen allein genügen uns nicht“, sagt Roland Andergassen, Leiter der Abteilung für Bildung und Integration in Dornbirn, „es braucht auch Maßnahmen.“ Vor diesem Hintergrund ließ die Stadt Dornbirn 2000/01 einen Integrationsleitplan erstellen, der mehr als eine theoretische Vision eines multikulturellen Zusammenlebens darstellen sollte.

Als konkrete Maßnahme wurde der Aufbau eines Integrationsfachbereiches vorgeschlagen, einer Koordinationsstelle für die Umsetzung des Leitbildes. Tatsächlich wurde eine entsprechende Stelle im Rathaus implementiert.

Dem waren Umfragen unter Migranten und Einheimischen vorangegangen. Schwerpunkt der Maßnahmen: Sprach- und Kulturvermittlung auf verschiedenen Altersstufen, etwa Sprachprojekte für Kinder vor dem Eintritt in den Kindergarten, Sprach- und Orientierungskurse für Frauen und Betreuung von Wohnsiedlungen mit hohem Migrantenanteil. „Wir waren tatsächlich die erste Stadt in Österreich, die ein Integrationskonzept mit integriertem Maßnahmenplan ausgearbeitet hat“, sagt Andergassen.

Defizite bei türkischen Mädchen

Vorarlberg weist nach Wien den zweithöchsten Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund auf, die meisten aus der Türkei und Ex-Jugoslawien. Aus den Gastarbeitern sind Zuwanderer geworden. Damit kam auch die Erkenntnis, dass „der Integrationsprozess nicht bei allen zugewanderten Menschen so verlaufen ist, wie sich ihn sowohl Migranten und Mehrheitsgesellschaft heute wünschen“, sagt Eva Grabherr, Direktorin von „okay – zusammenleben“, ein Wissens- und Kompetenzort für Zuwanderung und Integration. In Sachen Integrationspolitik habe sich aber auch einiges getan, etwa die 2001 ins Leben gerufene Projektstelle.

Bei einer Erhebung des sogenannten „Sozialkapitals“ im Jahr 2008 stellte die Stadt Dornbirn fest, dass „die Beziehungen untereinander und das Zusammenleben großteils noch gut funktionieren“, so Andergassen. Dornbirn, das gelungene Beispiel einer funktionierenden Integration? Nicht ganz. Der Zugang zu den Migranten sei noch nicht ohne Hürden. „Defizite wurden besonders bei türkischen Mädchen festgestellt, die ziemlich einsam und abgeschottet innerhalb ihrer Familien leben“, sagt Andergassen. Ein eigenes Mädchencafé soll hier Zugänge schaffen.

Wertschätzung fehlt noch

Die Dornbirner Jugendwerkstätten kümmern sich zudem hauptsächlich um migrantische Jugendliche, um sie „jobtauglich“ zu machen. Woran noch gearbeitet werden müsse? „An wertschätzenden Beziehungen zwischen der österreichischen und der türkischstämmigen Bevölkerung“, fasst Andergassen zusammen.

Seit Erstellung des Dornbirner Integrationsleitbildes ist viel passiert. Zunächst sind viele Vorarlberger Kommunen dem Dornbirner Beispiel gefolgt und haben eigene Integrationskonzepte erstellt. Das größte Projekt ist aber noch in Arbeit: Das Land Vorarlberg selbst soll noch dieses Jahr über ein Integrationskonzept verfügen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2009)

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