Aspern: Einkaufsstraße auf dem Reißbrett

(c) Stanislav Jenis
  • Drucken

Marcus Wild ist verantwortlich für die Planung der Einkaufsstraße in Aspern. Ein Gespräch über Ankerpunkte, Kreativgeschäfte und das Bestehen auf einer Baustelle.

Die Presse: Grundsatzfrage: Was können Einkaufsstraßen besser als Zentren?

Marcus Wild: Einkaufsstraßen haben einen Riesenvorteil: Sie bestehen aus über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen – und diese Gewohnheit, dieses gelernte Sichzurechtfinden ist gut. Der große Nachteil gegenüber Shoppingcentern ist, dass ein Hausbesitzer oft nur auf das maximale Mietergebnis seines Hauses schaut und nicht auf den Branchenmix, der für die Straße optimal ist.

Sie sagen selbst: Einkaufsstraßen sind über Jahrzehnte gewachsen, jetzt plant man in Aspern eine Straße auf dem Reißbrett. Kann das funktionieren?

Es kann sehr wohl gut funktionieren. Aber man muss beachten, dass das Projekt am Beginn steht. Die ersten Mieter ziehen erst in ihre Wohnungen. Einen Vollbetrieb wird es in fünf bis acht Jahren geben. Da muss man schon Entwicklungsschritte machen können. Die Entwicklung einer Einkaufsstraße ist ja auch abhängig von den Verkehrsmitteln, der Architektur, davon, wie Fassaden gestaltet sind.

Wie plant man so eine Straße?

Man sieht sich die Ankerpunkte an: Wo werden sich die Menschen bewegen, wo gibt es Parkplätze, wo sind U-Bahn, öffentliche Einrichtungen, Schulen. Auf Basis dieses Masterplans haben wir Annahmen getroffen, wo es für Händler am erfolgreichsten sein kann, sich anzusiedeln. Dabei muss auch der Weg zwischen den Ankerpunkten beachtet werden: Wo wird der Gang langsamer, wo schneller. Wenn ich das festgelegt habe, sage ich: Das ist eher die Nahversorgungszone, das die Gastronomiezone, das die Textilzone. Danach wird alles auf Geschäfte heruntergebrochen.

Einkaufsstraßen werden auch durch kleine, individuelle Geschäfte definiert. Wie wollen Sie die nach Aspern locken?

Da die Geschäftsstraße erst entsteht, ist es für manche Individualisten schwierig einzuschätzen, was hier passieren wird. Andererseits gibt es auch Menschen, die sagen, ich will hier nicht nur wohnen, sondern auch mein Geschäft aufmachen.

Also gibt es Interessenten.

Es werden sicher auch kleinere Läden aufmachen, aber man muss zuerst Grundfunktionen wie die Nahversorgung sicherstellen. Damit ein Geschäft funktioniert, braucht es eine Mindestanzahl an Bewohnern, die dort angenehm einkaufen gehen können. Die wollen nicht über die Baustelle laufen. Für die Betriebe, die jetzt starten, werden die ersten zwei Jahre härter werden. Die Umsätze müssen sich erst entwickeln, einfach weil links und rechts von ihnen gebaut wird und die Seestadt wächst.

Werden Wiener aus anderen Bezirken zum Einkaufen nach Aspern kommen?

Die Bewohner von Aspern sind die Kernzielgruppe. Aber der Stadtteil sieht vor, dass dort Arbeitsplätze geschaffen werden. Diese werden wohl nicht nur mit Anwohnern besetzt. Aber es ist nicht unser Ziel, eine Konkurrenz zur Mariahilfer Straße zu sein.

In Ihrem Folder schreiben Sie, dass Einkaufsstraßen soziale Zentren sein müssen und in der Region verwurzelt. Wie will man das planen?

In unseren Shoppingcentern in Salzburg haben wir einen Kindergarten, ein Theater, einen Bauernmarkt. Das verstehe ich unter Verwurzeln in der Region. In der Seestadt Aspern soll es auch unternehmerische Initiativen geben und Begegnungszonen. Es ist etwa wichtig, dass Cafés richtig ausgerichtet sind, ihre Lage, wo Gastgärten sind. Auch die Architektur der Straße ist entscheidend. Wir können nicht auf alles Einfluss nehmen, aber die Ideen einzubringen und mitzugestalten, das verstehen wir darunter.

Was ist ein gutes Verhältnis zwischen Gastronomie und Handel?

Im Einkaufzentrum sind es zehn Prozent Gastronomie. In einem Wohnbereich sind es sicher mehr.

Dürfen die Seestadt-Bewohner bei der Geschäftsauswahl mitreden?

Ideen sind willkommen, aber der demokratische Prozess findet statt, wenn die Bewohner einkaufen.

Sie wollen die Liste der ersten Shopbetreiber demnächst präsentieren. Wie viel der Fläche ist belegt?

Der Nahversorgungsteil ist zu 100Prozent vermietet. Und die anderen Branchen kommen in Phasen. Dort laufen schon Gespräche, Geschäfte final festgelegt wurden aber noch nicht.

ZUR PERSON

Marcus Wild
ist CEO der Spar European Shopping Centers (SES), die Einkaufszentren in Österreich und dem Ausland konzipiert und betreibt. In der Seestadt Aspern plant die SES eine „gemanagte
Einkaufsstraße“. [ Daniel Hager ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.