Wien: Des Fleischermeisters Lust und Frust

Fleischerei Otto Mayerhofer
Fleischerei Otto Mayerhofer(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Viele Fleischer sind dem Greißlersterben zum Opfer gefallen. Viele, aber nicht alle. Otto Mayerhofer betreibt in seinem Geschäft in der Liechtensteinstraße 27 auch eine Küche. Ein Lokalaugenschein.

Lediglich ein Schild am Ende der Wiener Wollzeile deutet auf die Köstlichkeiten hin, die sich in einem kleinen Geschäft um die Ecke hinter Glasvitrinen verbergen. Kalbsleber, Schweinslungenbraten, faschierte Laibchen. Die Fleischerei Josef Kröppel in der Postgasse1 (1.Bezirk) ist auf den ersten Blick leicht zu übersehen. Aber eben nur auf den ersten.

In Kröppels kleinem Fachgeschäft, das er 1990 von seinen Eltern übernommen hat, kaufen täglich etwa 250 Menschen ein. Menschen aller Altersklassen und Gesellschaftsschichten. Und mit den verschiedensten Wünschen. Dem einen oder anderen verkauft er schon einmal ein Rindsschnitzel für die Katze. Keine Frage, nur das beste Rind ist für die Haustiere seiner Kunden gut genug. Tierbesitzer eben.

Den Großteil jener, die zu ihm kommen, darf Josef Kröppel zu seiner Stammklientel zählen. „Weil ich immer versuche, ihnen höchste Qualität zu bieten. Qualität, die weit über jener im Supermarkt liegt.“ Und Qualität, auf die er stolz ist: „Die Kunden wissen, wenn sie bei mir kaufen, dann schmeckt es bestimmt.“

Für Kröppel hat sich das Fleischerdasein in zweierlei Hinsicht ausgezahlt. Er ist „Wiens beliebtester Fleischer“, wie eine Urkunde an der Wand zeigt. Auch finanziell kann Kröppel nicht klagen – zumindest im Moment nicht. So gut wie jetzt ist es nämlich nicht immer gelaufen. „Vor ein paar Jahren wurde die Branche von einer Krise gebeutelt.“ Die damalige Kundschaft wurde zu alt, kam nicht mehr. Auch die Euro-Umstellung vor sieben Jahren machte ihm zu schaffen. Die Kunden waren zeitweise nicht mehr bereit, für die teureren Produkte zu bezahlen. Seit einigen Jahren geht es Kröppel aber wieder gut.

Für die Weiterführung des Standorts in der Postgasse soll sein Sohn sorgen. Christopher, Anfang 20 und gelernter Fleischer, hat bereits seine Meisterprüfung gemacht und in mehreren Unternehmen gearbeitet. Jetzt hilft er im Betrieb. Wenn der Vater in Pension geht, soll er das Geschäft übernehmen. Der versichert: „Das wird aber noch lange dauern.“

Bröckelnde Nachfrage. Natürlich nicht alle Fleischer haben das Glück, dass die Kinder in ihre Fußstapfen treten. Immer öfter schlagen die Stammhalter andere Berufswege ein. Zwangsläufig wird das wohl zu einem Problem werden. Denn mehr als 90 Prozent der Fleischereien in Wien sind Familienbetriebe.

Was die Besonderheit der kleinen Geschäfte ausmacht, scheint ihnen in diesen Tagen zum Verhängnis zu werden. Die Nachfolger fehlen: „Man hat die Bequemlichkeiten nicht, die einem ein normales Angestelltenverhältnis bietet“, nennt Innungsmeister Erwin Fellner einen Grund für das Nachfolgedilemma, das auch er selbst gerade erfahren muss. Die Meisterprüfung habe sein Spross zwar schon in der Tasche. Noch fehlt ihm aber die richtige Partnerin: „So ein Geschäft kann man nur im Team führen“, weiß Fellner. „Leider sind viel zu wenig Frauen dazu bereit, das auf sich zu nehmen.“

Erwin Fellner hat seinen Betrieb (Klosterneuburgerstr.29, 20. Bezirk) 1971 von seinem Vater übernommen. „Da hatten wir noch 1380 Betriebe in Wien“, erinnert er sich. In der Nachkriegszeit habe es noch 3000 gegeben. Heute hat die Wiener Fleischerinnung nur noch 154 Mitglieder. Erst 2007 sind der Schließung der Landstraßer Markthalle im Zuge des Bahnhofsumbaus 21 Betriebe zum Opfer gefallen. „Das war wie ein Aderlass für die Branche. Ich schätze, dass sich künftig etwa 120 von uns halten werden.“ Um seine eigene Existenz bangt Fellner aber nicht. „Das Wichtigste ist, Nischen zu finden, in denen man unterkommen kann und die die Kunden auch zu schätzen wissen. „Meine Krakauer ist mit 1,9 Prozent Fett so mager wie ein Joghurt. Solche kleinen Extras machen es eben aus.“

Der Nischenmann. Auch Fellners Kollege hat eine Nische entdeckt: Außer dem Verkauf von Fleisch betreibt Otto Mayerhofer in seinem Geschäft in der Liechtensteinstraße27 im 9. Bezirk auch eine Küche. Jeden Tag kann man zwischen zwei verschiedenen Menüs wählen. Außerdem vertreibt er, von diversen österreichischen Weinen abgesehen, Milch, Popcorn und belgische Schokolade. Seinen Kunden will er auch am Sonntag alles bieten, was sie brauchen. Damit sie zu ihm kommen und nicht den nahe gelegenen Supermarkt am Franz-Josefs-Bahnhof ansteuern, der ebenfalls am Sonntag geöffnet hat.

Deshalb hat der 41-Jährige seit Mai 2008 seine Öffnungszeiten geändert: Samstag geschlossen, sonntags geöffnet. Das Konzept bewährt sich. „Am Sonntag haben wir mittlerweile doppelt so viele Kunden wie früher am Samstag. Viele kommen, um frisches Fleisch für ihr Mittagessen zu kaufen.“ Vor zwanzig Jahren hat Mayerhofer, der „am liebsten Schweinsbraten“ isst, zwar noch ein Vielfaches von dem verdient, was heute in seine Kassen fließt. Aufhören wollte er dennoch nie. Er liebt seinen Beruf: „Ich habe immer gewusst, dass ich Fleischer werde.“

Dass seine Söhne lieber Elektrotechnik und Maschinenbau studieren, als im väterlichen Betrieb zu arbeiten, hat er akzeptiert. Auch dafür, dass kein Lehrling mehr in seinem Geschäft arbeiten wollte, hat er Verständnis. „Die Jungen müssen wesentlich mehr arbeiten. Sie bekämen für die Mehrarbeit aber den gleichen Lohn, den sie woanders ohne Überstunden bekommen würden.“ Immer wieder hat er Lehrlinge ausgebildet. Jetzt hat Mayerhofer nur noch sein Stammpersonal.

Mangelware Lehrlinge. Damit steht Otto Mayerhofer keineswegs allein da. Der Ansturm auf die Lehrstellen in Fleischereien hält sich in Grenzen. „Der Beruf des Metzgers steht bei der Lehrstellensuche an letzter Stelle“, klagt Fellner. Erst wenn junge Leute nicht in beliebten Sparten wie Kfz-Mechanik unterkommen, würden sie an eine Fleischerei denken, oft aber nicht einmal dann. In den 50er-Jahren habe es, erzählt Fellner, jährlich noch rund neun Klassen (Berufsschule) mit bis zu 35 Schülern pro Klasse gegeben. Heute kann sich die Innung über eine 15-köpfige Klasse schon glücklich schätzen. Manche Jahrgänge bestehen aus nur zwei Lehrlingen.

Unter Wert gehandelt. Auch in Fellners Betrieb war nach 13 ausgebildeten Lehrlingen unfreiwillig Schluss. Das führt er auf das schlechte Image der Branche in der Öffentlichkeit zurück: „Beim Beruf Fleischer denken die Leute immer noch an den tiermordenden Mann. Dabei sind Schlachten und Stechen gar nicht mehr unsere Aufgabe. Wir werden einfach unter unserem Wert gehandelt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2009)

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