Keine Hüftoperationen mit 80? - "Kaum vorstellbar"

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Mehr Zuzahlungen von Patienten sind laut Experten eher zu erwarten als ein beschränkter Zugang zu Gesundheitsleistungen für Ältere.

Haibach ob der Donau. Die letzten zwei Jahre vor dem Tod eines Menschen sind für die Krankenkassen die teuersten. Die frühere Wiener Stadträtin und Ex-Primaria Elisabeth Pittermann greift dieses Argument, wonach angeregt wird, in dieser Phase könne gespart werden, auf – aber mit viel, viel Skepsis: „Wir wissen nur nicht, wann die letzten zwei Jahre angebrochen sind.“

Sie brachte damit aber zum Abschluss der Tagung der Juristenkommission in Haibach ob der Donau im oberösterreichischen Bezirk Eferding zum Ausdruck, wie heikel Kosteneinsparungen durch Rationierungen und den Ausschluss älterer Menschen von bestimmten, durchaus auch teuren Gesundheitsleistungen sind. Fest steht, dass die Aufwendungen für Personen ab 60Jahren deutlich und ab 80 nochmals steigen.

Die Einschränkung von Leistungen für Ältere wird durch EU-Recht nicht ausdrücklich untersagt. Die Einführung ist Angelegenheit der nationalen Gesetzgeber. Ob es in absehbarer Zeit in Österreich dazu kommt, ist dennoch äußerst fraglich, wenn die Krankenkassen nach den jüngsten Prognosen heuer wieder in die roten Zahlen zu rutschen drohen.

Steigende Zahl älterer Wähler

Der Kölner Universitätsprofessor Christian Rolfs rechnet nicht damit. Steigende Krankenversicherungsbeiträge, mehr Steuermittel für das Gesundheitswesen und auch höhere Zuzahlungen von Patienten hält er für wahrscheinlicher. Hingegen könne er sich „kaum vorstellen“, dass es „echte, harte“ Altersgrenzen für den Anspruch auf bestimmte Gesundheitsleistungen gebe, wie Rolfs in seinem Referat zur Gesundheitsversorgung im Alter bei der Juristentagung betont hat. Seine Begründung baut auf die politische Logik der Parteien: Das sei gerade bei der größer werdenden Zahl älterer Wähler nicht zu erwarten.

Die Wiener Universitätsprofessorin Michaela Windisch-Graetz hält die jetzt geltende Zauberformel im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), wonach eine ausreichende, zweckmäßige und notwendige Krankenbehandlung gewährleistet sein müsse, für adäquat. Denn dies erlaube dem Arzt ein individuelles Eingehen auf die Bedürfnisse der Patienten. Das gelte auch für eine Hüftoperation für eine 80-jährige Frau. Es sei zum Beispiel die Frage, ob eine Betroffene einen solchen Eingriff aufgrund ihrer körperlichen Voraussetzungen überhaupt überlebt. Das führe zur Debatte, welche Risken man dann sonst noch aus der Sozialversicherung herausnehme: „Was ist dann mit dem Paragleiter?“

ÖVP-Seniorenbundobmann Andreas Khol geht vor allem eines in der Debatte auf die Nerven: „Ich bin gegen das Krankjammern der älteren Generation.“ Das Bedürfnis, nur gepflegt zu werden, werde einfach überschätzt. Eine Gesamtreform der Pflege „wird nur übertüncht durch den Schrei nach mehr Geld“. Für ihn stellt sich an der Bruchstelle zwischen privater und sozialer Krankenversicherung allerdings das Problem einer Zweiklassenmedizin: nämlich bei der Arztwahl und vor allem bei der Vergabe von Terminen für Gesundheitsleistungen („das ist absolut regelungsbedürftig“).

„Privatissimum“ für Khol

Wichtig ist für Khol vor allem eine Bewusstseinsänderung im Gesundheitswesen. Nichts sei so schädlich wie das „österreichische Spaß-, Konsum- und Versorgungsdenken“. Ein Großteil der Erkrankungen könne einfach durch mehr Bewegung des einzelnen Menschen und ein sinnerfülltes Leben vermieden werden. Insgesamt sei mangelnde Prävention eine große Baustelle.

Daraufhin warf Pittermann ein, mittlerweile gebe es eine „Drei- oder Vierklassenmedizin“ und wollte Khol dazu ein „Privatissimum“ geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2015)

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