Deutschkurse: Bis zu sechs Monate Wartezeit

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ungewöhnlich schnell wurden Mitte April zusätzliche Deutschkurse für Flüchtlinge zugesagt. Ein Praxistest zeigt jedoch: Die Hilfe ist noch nicht angekommen.

Wien. Die Frau lässt keinen Zweifel daran, dass hier keine Hilfe zu erwarten ist. Bis zu sechs Monate könne es dauern, wenn man als Flüchtling einen Platz in einem Sprachkurs des Österreichischen Integrationsfonds in Wien haben möchte. Es gebe eine Warteliste und eine Vorwarteliste, mit fast 1000 Namen darauf. Sie reicht eine Liste mit Kursinstituten über den Tisch. Wenn man Glück hat, dann sei vielleicht dort noch etwas frei. Man solle sich durchtelefonieren. Mehr helfen kann sie nicht.

In einem Praxistest hat sich „Die Presse“ (unerkannt) über Deutschkurse für Flüchtlinge informieren lassen. Das Thema war im April akut geworden, als vermehrt Flüchtlinge (vor allem aus Syrien und dem Irak) berichteten, dass sie keinen Platz in Deutschkursen finden und monatelang auf Warteliste stehen würden.

Integrations-, Sozial- und Innenministerium reagierten damals ungewöhnlich schnell, innerhalb kurzer Zeit wurden 7300 zusätzliche Sprachkursplätze zugesagt. Doch fast zwei Monate nach der Zusage ist von einer spürbaren Entlastung noch nicht die Rede. Nicht nur im Integrationszentrum des Integrationfonds in Wien hat sich die Wartezeit nicht verkürzt. Auch die Einrichtung Interface, die in Wien vor allem für Sprachkurse für Jugendliche zuständig ist, hat keine Kapazitäten. Fünf bis sechs Monate dauert es auch hier, bis ein Platz frei sei. „Wir sind übervoll“, heißt es dort.

„Leichte Entlastung“

Beim AMS Wien, das als Fördergeber die meisten Sprachkurse zahlt, meldet man zwar eine „leichte Entlastung“ durch die angekündigten Kurse. Die Wartezeit bleibe aber mit durchschnittlich drei Monaten (zuerst Clearingstelle, dann Wartezeit, um einen Kurs zu finden) ungefähr gleich, so ein Sprecher.

Dabei hat das AMS Wien im April 2000 neue Kurse zugesagt bekommen. Doch die sind zum Teil noch nicht umgesetzt. „Wir arbeiten intensiv daran, Trainer und Räumlichkeiten zu suchen“, sagt Daniela Lehenbauer, Sprecherin der Wiener Volkshochschulen, die für das AMS die Zuteilung zu den Sprachkursen machen.

Genug ist auch das nicht. AMS-Wien-Chefin Petra Draxl sprach in einem „Kurier“–Interview unlängst von 25 Millionen Euro, die sie benötigen würde, um die Flüchtlinge sprachlich fit zu machen. Etwa 20Prozent der Flüchtlinge seien hoch qualifiziert.

Ohne Deutschkurse haben freilich auch sie keine Chance, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Dabei ist das dringend notwendig. Je länger sie nicht arbeiten, desto mehr kosten sie Staat und Stadt, die sie per Gesetz mit der Mindestsicherung auffangen müssen.

„Die Situation ist schwierig und angespannt“, sagt Judith Hörlsberger vom Beratungszentrum für Migranten, das auch vom AMS Wien finanziert wird. „Entweder sind die Kurse noch nicht angekommen, oder es passiert nicht“, sagt sie. Zu ihr werden Flüchtlinge geschickt, wenn ihnen das AMS nicht weiterhelfen kann. Sei es durch Kommunikationsprobleme oder weil es Probleme mit der Anerkennung von Ausbildungen gibt. Wobei das Integrationssystem nur schwer bis fast gar nicht anzuspringen scheint.

Wegen Überlastung gekippt

Als das Deutschkurssystem Anfang des Jahres wegen Überlastung kippte, schickte das AMS Wien zuerst viele der Flüchtlinge zum Integrationsfonds, um dort nach Deutschkursen zu fragen. Weil es dort auch keine gab, schickte der Integrationsfonds sie weiter zum Beratungszentrum für Migranten, das sie wieder zurückschicken musste, weil es gar keine Deutschkurse anbietet. Mittlerweile hätte sich das wieder gelegt, sagt Hörlsberger.

Doch es mangelt nicht nur an Deutschkursen, sondern nach wie vor auch an Wohnungen. „Wer Mindestsicherung bekommt, bekommt keine Wohnung auf dem normalen privaten österreichischen Wohnungsmarkt“, sagt Hörlsberger.

300.000 Euro für neue Kurse

Viele Flüchtlinge würden daher auf engstem Raum bei anderen in Untermiete leben. „Wir haben traumatisierte Leute, die nichts tun können und keinen Job haben“, sagt sie. Das sei keine gute Ausgangssituation. „Sehr viele sagen auch, dass sie ehrenamtlich arbeiten möchten.“ Nur gebe es nicht einmal in Wien so viele ehrenamtliche Tätigkeiten.

Eine Entspannung wird es wohl nur langsam geben. Der Integrationsfonds, der – mit der „Presse“-Recherche konfrontiert – bei seiner Behauptung bleibt, dass die Wartezeiten auf einen Beginner-Deutschkurs bei ein bis zwei Monaten liegen, will Mittel umschichten, um noch einmal um 300.000 Euro neue Kurse zu schaffen.

Viele sind es ohnehin nicht. Derzeit laufen im Integrationszentrum in Wien 30 Kurse. Wer hineingeht, findet leere Gänge und keine Warteschlangen. Es hätte sich wohl herumgesprochen, dass kein Platz in den Kursen sei, sagt die Frau beim Empfang.

„Freiwilligenkonzept“

Das AMS Wien, das am Freitag eine Zusage von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) für weitere sechs Millionen Euro bekommen hat, will in 3000 neue Kurse investieren, die bis August alle stehen sollen. Außerdem soll es einen Kompetenz-Check für Flüchtlinge geben, um sie besser und schneller in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Im Integrationsfonds wiederum will man auch „Workshops mit Deutschkurscharakter“ anbieten, teilt eine Sprecherin mit. Dort sollen in größeren Gruppen Fragen, die immer wieder auftauchen, durchgearbeitet werden. Auch Förderanträge für (extern stattfindende) Sprachkurse werden wieder angenommen.

Weiters gibt es Ideen für ein „Freiwilligenkonzept“, eine Art Sprachaustausch, bei dem Österreicher mit Flüchtlingen Deutsch trainieren sollen.

AUF EINEN BLICK

Deutschkurse. Nachdem sich im April vermehrt Flüchtlinge (zumeist aus Syrien und dem Irak) darüber beklagt hatten, monatelang auf Deutschkurse warten zu müssen, reagierten die Behörden prompt und sagten 7300 zusätzliche Kursplätze zu. Zwei Monate später kann aber von einer nennenswerten Entspannung der Situation keine Rede sein, wie ein Praxistest der „Presse“ ergab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2015)

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