Lehen: Salzburgs dunkler Hinterhof

Salzburg
Salzburg(c) Die Presse - Clemens Fabry
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Ein Toter nach einem Streit unter Ausländern. Bei einer Krisensitzung suchen Politik, Polizei und Sozialarbeiter Lösungen für Probleme.

Salzburg. In Lehen fühlt sich Salzburg wie Großstadt an. Das aber nicht nur wegen des Lebensgefühls der schicken Viertel, sondern auch wegen der Bezirke mit sozialem Sprengstoff. In Lehen, österreichweit einst wegen des Fußballstadions von Austria Salzburg bekannt, wohnen 15.000 Menschen. So dicht besiedelt ist kein anderer Teil der Festspielstadt. Viele Menschen, viele Ausländer, viel Verkehr, viele Konflikte: Das ist das eine Gesicht des Stadtteils.

Das andere: Lehen steht auch für interessante Architektur, vielfältige Kultur und viel Grün. Der Lehener Park ist eine dieser Oasen – untertags. Nachts macht der Park vielen Angst. Vor wenigen Tagen gingen hier die Emotionen zwischen Türken und Afghanen so hoch, dass Männer mit Messern und Eisenstangen aufeinander einschlugen. Ein 50-jähriger Türke starb, ein 16-jähriger Afghane wurde festgenommen. „Nach diesem schrecklichen Vorfall muss sofort etwas passieren“, sagt Sozialstadträtin Anja Hagenauer (SPÖ). Sie hat Stadtpolitik, Polizei und Sozialarbeiter für Montag eilends zu einem Krisengespräch geladen.

In Lehen prallen immer wieder die Fronten aufeinander. Es ist ein Stadtteil, der von Zuwanderung und sozialer Benachteiligung geprägt ist. Im Lehener Park treffen die einzelnen Gruppen aufeinander. Wenn es dunkel wird, machen Frauen und ältere Menschen aus Angst einen weiten Bogen um den Park und das Salzachufer. „Natürlich knirscht es dort“, sagt Sozialarbeiter Thomas Schuster. Der Park sei für viele Gruppen ein Treffpunkt, um Konflikte auszutragen. Immer wieder kommt es zu Polizeieinsätzen. Vizebürgermeister Harald Preuner (ÖVP) will auf mehr Kontrollen setzen.

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Kriminalität macht Sorge

Aber derzeit seien Polizei und Magistrat wegen der Flüchtlingssituation auf dem Bahnhof oder an der Grenze zu Freilassing gebunden. „Die Leute wissen, dass unsere Kapazitäten am Bahnhof gebunden sind, und nutzen das aus“, so Preuner. Sorgen macht ihm nicht nur die Kriminalität. Er will auch das Campieren der Bettler im Park unterbinden. Lehen ist traditionell von Zuwanderung geprägt. Einst waren es die Sudetendeutschen, dann Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien, jetzt sind es Asylwerber aus Afrika oder dem Nahen Osten.

Ein Viertel der Bevölkerung hier ist über 60 Jahre alt, ein weiteres Viertel unter 18. Auch das sorgt für Sprengstoff. Selbst wenn die Stadt viel zur Neupositionierung getan hat, ist Lehen der Hinterhof Salzburgs geblieben. Prestigeprojekte wie die Neue Mitte Lehen mit der Stadtbibliothek oder das Stadtwerk Lehen haben zu wenig Strahlkraft, um dem Bezirk ein neues Image zu geben. Probleme zwischen den unterschiedlichen Kulturen, Religionen und Generationen lassen sich nicht durch Architektur lösen.

Dort, wo früher die Fußballer der Austria Salzburg kickten, ist die Neue Mitte Lehen. Das Stadion wurde vor zehn Jahren abgerissen. Jetzt wird nicht Fußball gespielt, sondern gelesen. Zentrum der Neuen Mitte Lehen ist die Stadtbibliothek samt schicker Skybar. Literaturhaus, Galerie Fotohof, Volkshochschule – alle haben sie eine Adresse in Lehen. Auf dem ehemaligen Stadtwerke-Areal sind Bildungscampus, Studentenheim und Wohnungen gebaut worden.

Im Zuge des Baus des Kraftwerks Lehen entstand zwischen Glan und Salzach ein neues Naherholungsgebiet mit Spiel-, Sport- und Picknickplätzen. Hier treffen sich Menschen unterschiedlichster Herkunft, so bunt ist Salzburg nirgends. Grau ist Lehen vor allem in der Ignaz-Harrer-Straße. Dort reihen sich Wettbüros an Kebaplokale und leere Geschäfte. Es ist eine der am stärksten befahrenen Straßen. Stau, Lärm, Abgase. Auch das ist eine der Realitäten dieses Stadtteils.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2015)

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