Junge Straftäter: Milde für Mörder bis 21 umstritten

In der Justizanstalt Gerasdorf sitzen junge Straftäter wegen unterschiedlichster Delikte ein. Länger als 15 Jahre sollten unter 21-Jährige aber künftig nicht in Haft müssen.
In der Justizanstalt Gerasdorf sitzen junge Straftäter wegen unterschiedlichster Delikte ein. Länger als 15 Jahre sollten unter 21-Jährige aber künftig nicht in Haft müssen. (c) Clemens Fabry
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Junge Erwachsene sollen höchstens 15 Jahre Haft erhalten. Justizvertreter sehen das skeptisch, weil man dann auch bei besonders schlimmen Taten nicht mehr strenger strafen kann.

Wien. Ein 20-Jähriger, der als Schlepper 70 Leute im Lkw ersticken lässt. Ein 19-Jähriger, der sich dem IS anschließt und viele Menschen tötet. Sie alle müssten nach der geplanten Novelle des Jugendgerichtsgesetzes nicht mit mehr als 15 Jahren Haft rechnen. Fallbeispiele wie die oben genannten machen momentan in juristischen Kreisen die Runde. Um zu demonstrieren, dass die am Dienstag vom Ministerrat verabschiedete Neuerung doch zu weit gehen könnte.

Die Novelle sieht weitere Erleichterungen für junge Straftäter vor: Nicht nur für Jugendliche bis 18 Jahren, sondern auch für junge Erwachsene. So soll man künftig maximal 15 Jahre Haft fürchten müssen, wenn man zum Zeitpunkt der Tat unter 21 war. Bisher war für junge Erwachsene zwar auch keine lebenslange, aber immerhin eine Haftstrafe bis zu 20 Jahren möglich.

Wie reif sind 20-Jährige schon?

Die geplante Einschränkung ist in Justizkreisen aber umstritten. „Diese Regelung würde zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Verharmlosung schwerer Kapitalverbrechen führen“, beklagt etwa die Staatsanwaltschaft Wien in ihrer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf. Für die Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck ist die Neuerung „völlig abzulehnen“. Denn „das Tötungsdelikt eines 17-Jährigen gleich zu ahnden wie jenes eines fast 21-Jährigen, entspricht weder deren Verantwortlichkeit für ihr Tun noch den allgemein bekannten Entwicklungsstadien menschlichen Erwachsenswerdens“, wird betont.

Das Justizministerium will aber an der geplanten Neuregelung festhalten, wie man gegenüber der „Presse“ betont. Die Novelle sei „von der Intention des Gesetzgebers getragen, Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine zweite Chance einzuräumen“. Man müsse „die in dieser Alterskategorie oft noch vorherrschende Adoleszenzkrise, die dazu führt, dass die Begehung von Straftaten während dieser Zeit ausgeprägter ist“, bedenken.

Auch Helmut Fuchs, Professor für Strafrecht an der Universität Wien, hält die weitere Begrenzung der Höchststrafe für sinnvoll. „Die Neuregelung ist zu begrüßen. Es handelt sich um eine Altersgruppe, in der viel Unreife besteht“, meint er. 15 Jahre Haft – das sei für einen unter 21-Jährigen immer noch eine hohe Grenze. Einst sei ja selbst die Grenze für die Volljährigkeit bei 21 Jahren gelegen. Und er habe nicht den Eindruck, dass junge Leute in den vergangenen Jahren schneller reifer würden, sagt Fuchs.

Die Richtervereinigung, die Gewerkschaft der Richter und Staatsanwälte sowie die Vereinigung der Staatsanwälte warnten hingegen schon in der Begutachtung vor der Limitierung auf 15 Jahre Haft. Der bloße Verweis auf die ohnedies nur bei manchen vorliegende Adoleszenzkrise überzeuge nicht, wurde betont.

Es solle eher dem Gericht überlassen werden, eine „schuld- und tatangemessene Sanktion zu finden“, meint Martin Ulrich, Vizevorsitzender der Bundesvertretung der Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft sowie Präsidiumsmitglied der Staatsanwältevereinigung. Es könnten zwar nur Ausnahmefälle sein, in denen mehr als 15 Jahre Haft bei jungen Erwachsenen angebracht sei. Und schon bisher kämen derartige Fälle kaum vor. Doch für besonders schlimme Fälle von Schwerstkriminalität brauche es auch adäquate Reaktionsmöglichkeiten.

Im Justizministerium verweist man hingegen darauf, dass einige Stellen (etwa die Arbeiterkammer oder Rechtssoziologen) sogar gefordert hätten, die Strafobergrenzen für alle Delikte bei jungen Erwachsenen zu kürzen (etwa um ein Drittel). Das mache man nicht, aber 15 Jahre als Obergrenze seien sinnvoll.

Neue Regel auch für alte Fälle

Die neuen Regeln sollen nach dem Beschluss im Nationalrat ab 2016 gelten. Entgegenkommen könnten sie dann etwa dem mutmaßlichen Mörder von Saalfelden. Der heute 21-Jährige soll im Vorjahr 50-mal auf seine Exfreundin eingestochen und Teile der Leiche verspeist haben. Wenn das Urteil erst nächstes Jahr fällt, würde für ihn die neue, günstigere Strafregelung gelten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2015)

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