Und jetzt alle: »Edelweiß, Edelweiß«

Szenenbild aus dem 1965 in die Kinos gekommenen Film.
Szenenbild aus dem 1965 in die Kinos gekommenen Film. Ronald Grant/Picturedesk
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Die »Sound of Music«-Tour lässt für Fans des Erfolgsfilms keine Wünsche offen: Es wird gesungen, geschunkelt und auf den Spuren der Trapp-Filmfamilie Apfelstrudel gegessen.

„Do-Re-Mi“: Die Musik scheint direkt in das Glückszentrum des Gehirns zu fahren. Die Mundwinkel gehen nach oben, die Gesichter strahlen. Auch 50 Jahre nach der Premiere des Erfolgsfilms „The Sound of Music“ begeistert die Geschichte der singenden Familie Trapp aus Salzburg Menschen aus fast aller Welt. „Do-Re-Mi“ und „Edelweiß“ sind die Hymnen der Fans. Schon zur Begrüßung summt Peter Nussbaumer an diesem strahlend schönen Herbstmorgen immer wieder ein paar Melodien aus dem Film. Der Tourguide weiß, wie er seinen Gästen das erste Lächeln ins noch müde Gesicht zaubert. „Hello, where do you come from?“, begrüßt Peter seine Gäste. Mehr als 70 Menschen steigen in den Bus der „Sound of Music“-Tour. Sie kommen aus Vermont, Delhi, Tokio, Chicago oder Ohio. „Müssen wir schlichten?“, scherzt Peter und weist die Gäste zu den letzten noch freien Plätzen. Alle sind gespannt, endlich jene Orte zu sehen, an denen Julie Andrews als Maria, Christopher Plummer als Baron von Trapp und die sieben Kinder gesungen, getanzt und geliebt haben.

Salil und Bhagyashree Dhavale mit ihren beiden Töchtern Sayali und Gargi kommen aus London. Die Herbstferien nützten sie für einen Kurzurlaub in Igls in Tirol. Sie sind extra für die „Sound of Music“-Tour um vier Uhr früh aufgestanden, um in Innsbruck den Zug nach Salzburg zu erwischen. „Die beiden Mädchen lieben den Film, sie haben ihn schon ein paar Mal gesehen“, erzählt Bhagyashree. Deshalb gehörte der Salzburg-Ausflug für die Familie zum Pflichtprogramm ihres Österreich-Urlaubs.

„Is this the lake?“, fragt die Touristin begeistert, als der Bus am Leopoldskroner Weiher, der ersten Station der Tour, ankommt. Die Szene am Weiher, bei der Julie Andrews mit den Kindern im Ruderboot unterwegs ist und kentert, gehört zu den bekanntesten und beliebtesten des Films.

Peter erzählt eine Anekdote nach der anderen: dass das Film-Wohnhaus der Familie gar nicht am Leopoldskroner Weiher liegt, dass Nonne Maria es rein geografisch vom Untersberg nicht in drei Minuten ins Kloster Nonnberg geschafft haben kann und dass das jüngste Filmkind bei der Bootszene gerettet werden musste, weil es nicht schwimmen konnte. Die Gäste hören gespannt zu, die Handykameras sind im Dauereinsatz. Das Schloss, der Weiher, herbstlich gefärbte Bäume und der Gaisberg im Hintergrund: Salzburg zeigt sich von seiner Schokoladenseite.

Wie viele „Sound of Music“-Touren Peter schon begleitet hat, hat er nicht gezählt. Seit 1996 arbeitet der Austroamerikaner für Panoramatours. Bis zu zehn Touren führt er pro Woche. „Ich liebe das Lied“, sagt er. Heuer kommen außergewöhnlich viele Gäste. Schließlich hat das 50-Jahr-Jubiläum des Films und das Erscheinen einer neuen DVD das Interesse an „Sound of Music“ weiter gepusht. Dass die Sängerin Lady Gaga bei der Oscar-Nacht ein Medley mit den bekanntesten Melodien aus dem Erfolgsmusical gesungen hat, ließ das Herz der Salzburger Touristiker höherschlagen. Rund 655.000 Übernachtungen pro Jahr gehen in Salzburg auf das Konto der Filmfans. Der Film begeistert in China, Japan, Australien und Südamerika genauso wie in Italien und Großbritannien. Nur in Österreich kennt kaum jemand die romantisch-verklärte Hollywood-Geschichte rund um die Nonne Maria, den verwitweten Baron mit den sieben Kindern und die Flucht der Familie vor den Nazis nach Amerika. Und die, die den Film gesehen haben, können der Geschichte, die sich nicht um historische und geografische Details kümmert, kaum etwas abgewinnen.

So ist der „Sound of Music“-Tourismus fast klammheimlich über Salzburg hereingebrochen. „Schon ein, zwei Jahre, nachdem der Film in Hollywood Premiere hatte, kamen die ersten Gäste, die sich mit Bussen zu den Drehorten bringen ließen“, erzählt Stefan Herzl von Panoramatours. Daraus haben sich die „Sound of Music“-Touren entwickelt. Zweimal täglich bietet der Reiseveranstalter die Touren an. In der Hochsaison mit bis zu fünf Bussen gleichzeitig. Die Touren führen zu allen Sehnsuchtsorten der Fans: Nach dem Leopoldskroner Weiher geht es über Hellbrunn hinaus ins Salzkammergut nach St. Gilgen und Mondsee. Dazwischen erhaschen die Touristen einen Blick auf die Frohnburg an der Hellbrunner Allee – die Trapp-Villa im Film. Das echte Haus der Familie Trapp in Villenlage im Stadtteil Aigen liegt fernab des Massentourismus. Ein „Sound of Music“-Museum hat Salzburg bis heute nicht.

Nächster Fotostopp ist Hellbrunn: Der Pavillon ist besonders bei jungen Paaren beliebt. „Hier wurden schon viele Heiratsanträge gemacht“, sagt Peter. Seit eine 70-Jährige sich beim Versuch, wie die junge Liesel auf den Bänkchen des Pavillons herumzuhüpfen, die Hüfte gebrochen hat, sei der Pavillon abgesperrt, erzählt der Tourguide. Die Lacher sind ihm sicher.

Salil lässt seine Töchter vor dem Pavillon posieren, danach nützen sie die Gelegenheit, auf der Wiese im Park kurz herumzutollen.

Auch Jackie Germano und ihre Tochter Nicole aus Ohio haben die „Sound of Music“-Tour gebucht. Für die 25-jährige Nicole ist sie der Höhepunkt ihrer Europa-Reise. Ähnlich ergeht es Saori aus Tokio, die mit ihrem Freund Tomonori unterwegs ist. Was ist ihre liebste Szene im Film? „Die Hochzeit“, sagt sie, ohne lange nachzudenken. „Ich bin so aufgeregt“, strahlt sie angesichts der Vorfreude, bald die Kirche in Mondsee zu sehen.

Auf dem Weg ins Salzkammergut stellt Busfahrer Ferdinand die Musik ein: „The hills are alive with the sound of music“. Die ersten Gäste singen mit.

Beim nächsten Stopp mit Postkartenblick auf den Wolfgangsee und den Schafberg sind alle überwältigt. Das echte Salzkammergut ist doch noch schöner als jenes im Film. In Mondsee gebe es den besten Apfelstrudel, kündigt Peter schon den nächsten Höhepunkt an. Zuvor geht es aber noch in die Basilika St. Michael – dorthin, wo sich Maria und der Baron im Film das Jawort gaben. Im Klosterladen liegen neben Gebetbüchern, Weihwasser und Schutzengeln „Sound of Music“-Souvenirs.

Nach einer kurzen Mittagspause fährt der Bus über die Autobahn zurück nach Salzburg. Ein Video mit Erinnerungen an die Dreharbeiten wird gezeigt, dann kommt der dramaturgische Höhepunkt der Tour: Peter stimmt zum Abschied „Edelweiß“ an – und alle singen begeistert mit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.11.2015)

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