Graz: Zwei Babys vor 25 Jahren vertauscht

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Bei einer Blutspende bemerkte eine heute 25-Jähige zufällig, dass sie aufgrund der Blutgruppe nicht die Tochter ihrer angeblichen Mutter sein kann.

Am LKH Graz sind vor 25 Jahren möglicherweise zwei Babys verwechselt worden. Eine junge Frau erkannte im Zuge einer Blutspende, dass ihre Mutter aufgrund der Blutgruppe nicht die leibliche Mutter sein kann. Die Staatsanwaltschaft Graz war seit April 2015 mit dem Fall befasst, hat das Verfahren aber eingestellt. Verunsicherten Frauen wir nun ein kostenloser DNA-Test angeboten.

"Wir sind seit einigen Monaten gemeinsam mit der betroffenen Familie bemüht, den Verdachtsfall aufzuklären", bestätigte Gebhard Falzberger, Betriebsdirektor des LKH-Universitätsklinikums Graz eine Meldung der "Kleinen Zeitung". Die erst jetzt bekannt gewordene Vertauschung von zwei weiblichen Neugeborenen soll sich bereits zwischen Oktober und November 1990 ereignet haben.

"Mehrere Fehlerquellen" möglich

Eine der beiden heute jungen Frauen habe im Frühjahr 2014 zufällig im Rahmen einer privaten Blutspende erfahren, dass es Abweichungen zwischen ihrer tatsächlichen und jener in den ursprünglichen Mutter-Kind-Pass eingetragenen Blutgruppe gibt. Ein zusätzlicher DNA-Test habe dann bestätigt, dass es zu einer Verwechslung gekommen sein musste. Vonseiten der betroffenen Familie werde vermutet, dass die Vertauschung an der Klinik stattgefunden hat. Aus der Sicht von Falzberger sei das nicht bewiesen. "Sollte die Verwechslung tatsächlich bei uns passiert sein, möchte ich mich bei allen Betroffenen im Namen der Klinik entschuldigen", so Falzberger. "Tatsache ist, dass das Kind bei uns zur Welt gekommen ist", so Falzberger. Die bisherigen umfangreichen Recherchen durch mehrere Experten hätten auch noch kein Ergebnis gebracht, das die wahren Verwandtschaftsverhältnisse aufgeklärt hätte.

Laut dem Betriebsdirektor habe man den Fall im April 2015 der Staatsanwaltschaft Graz gemeldet, "da für die Kindesverwechslung mehrere Fehlerquellen auch außerhalb der Klinik infrage kommen". Die Behörde hat das Ermittlungsverfahren jedoch im Dezember 2015 eingestellt. Der Grund: Kindesentziehung und Unterschiebung eines Kindes seien eindeutig verjährt. Außerdem müsste ein Vorsatz vorliegen, um strafrechtliche Konsequenzen ziehen zu können, erklärte Hansjörg Bacher, Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz am Mittwoch. Selbst wenn durch DNA-Untersuchungen nun die andere verwechselte Frau gefunden wird, werde der Akt mit Sicherheit nicht neu aufgerollt: "Wir sind strafrechtlich fertig", so Bacher. Den Opfern stehe aber noch der zivilrechtliche Weg offen. Da die Verwechslung als "keine verfolgbare Straftat mehr" gilt, können DNA-Untersuchungen nicht angeordnet werden. Die Tests müssen auf freiwilliger Basis passieren.

DNA-Tests: 200 Mädchen kommen in Frage

Solche kostenlosen DNA-Tests gibt es im LKH ab sofort für alle Frauen, die am Uniklinikum Graz im Zeitraum zwischen 15. Oktober und 20. November 1990 geboren sind (wie auch ihre Mütter). Rund 200 Mädchen wurden in dieser Zeit dort geboren. "Die Entscheidung für den Test muss jede Person für sich alleine treffen. Wir können niemanden zwingen", betonte Falzberger.

Der Vorstand der Uniklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Uwe Lang, betonte, dass die Wahrscheinlichkeit einer neuerlichen Kindesvertauschung an seiner Klinik in der Zwischenzeit sehr gering geworden sei. Durch ein zusätzliches, zweites Identifikationsband beim Baby würde es eine höhere Sicherheit geben.

Chronologie

Der Albtraum vieler Eltern, dass ihr Neugeborenes nach der Geburt im Spital mit einem anderen Baby vertauscht wird, wird selten wahr, kommt aber immer wieder vor. Hier eine Auswahl spektakulärer Fälle seit 2005.

2015: Gut zwei Jahrzehnte nach der Geburt ihrer im Krankenhaus vertauschten Babys spricht ein französisches Gericht in Grasse zwei Familien eine Entschädigung von zwei Millionen Euro zu. Die neugeborenen Mädchen waren im Sommer 1994 in der Klinik in Cannes vertauscht worden. Beide bekamen Tage nach ihrer Geburt Gelbsucht und wurden aus Platzgründen zusammen in ein Kinderbett gelegt und UV-bestrahlt.

Später gab eine Angestellte auf der Geburtsstation die falschen Babys heraus, wobei die Mütter Zweifel anmeldeten - denn ein Elternpaar war hellhäutig, das andere stammte von der französischen Insel La Reunion im Indischen Ozean. Doch erst nach zehn Jahren kam es zur Aufklärung: Ein Vater war häufigem Spott ausgesetzt, weil seine Tochter doch einen sehr anderen Teint hatte als er, der angebliche Vater. Also ließ er den DNA-Test machen. Dieser deckte auf, dass beide nicht die biologischen Eltern waren.

Die beiden Elternpaare trafen einander und ihre biologischen Töchter - ohne dass ein "Rücktausch" vereinbart wurde. Die jungen Frauen ihrerseits wollten auch nicht zu ihren eigentlichen Eltern zurück

2013: In Vietnam erwartet eine Mutter einen Buben und bekommt im Krankenhaus ein Mädchen in den Arm gelegt, eine andere wird mit einem Sohn statt einer Tochter überrascht. Nach drei Monaten stellt sich heraus: Die Säuglingen wurden in der Klinik wohl beim Waschen verwechselt. Die Eltern tauschen Bub und Mädchen zurück.

2013 - Drei Wochen nach der Geburt kehren zwei in Argentinien versehentlich vertauschte Babys wieder in die Arme ihrer leiblichen Eltern zurück. Eine Mutter war kurz nach der Geburt misstrauisch geworden, mit ihren Sorgen im Krankenhaus aber nicht durchgedrungen. Erst ein Gentest und auf behördliche Anordnung von der Privatklinik konfiszierte Dokumente setzen der Verwechslungsgeschichte ein Ende.

2012: 37 Jahre lang wachsen zwei Russinnen in falschen Familien auf, weil sie nach der Geburt vertauscht wurden. Die Frauen aus Orenburg am Ural sind seit der Schule befreundet und hatten sich gewundert, dass sie ihren Eltern nicht ähneln. Ein DNA-Test bringt Klarheit.

2009: 26 Jahre nach der Verwechslung zweier Babys in einer Warschauer Klinik werden die betroffenen Familien mit umgerechnet 425.000 Euro finanziell entschädigt. Im Dezember 1983 war ein 15 Tage altes Zwillingspärchen wegen einer Lungenentzündung ins Krankenhaus gekommen; eine der Schwestern wurde dort aus Versehen mit einem anderen Mädchen vertauscht. 17 Jahre später finden sie durch Zufall heraus, dass sie gar keine Schwestern sind: Die eine war auf der Straße mit ihrer wahren Zwillingsschwester verwechselt worden.

2009: Eine Klinik in Kuri (Südkorea) muss einer Mutter umgerechnet 40.000 Euro Schmerzensgeld zahlen, weil eine Krankenschwester 17 Jahre zuvor ihr Baby mit einem anderen Neugeborenen vertauscht hatte.

2008: Mit 24 Jahren kann sich ein Brasilianer, der aufgrund seines unterschiedlichen Aussehens misstrauisch geworden war, endlich einen DNA-Test leisten und findet heraus: Er wurde im Krankenhaus kurz nach seiner Geburt mit einem anderen Baby vertauscht. Beide Familien machen das Beste aus der Situation und ziehen zusammen auf einen Bauernhof.

2008: In einer Klinik in Saarlouis werden zwei neugeborene Mädchen vertauscht. Nach einem halben Jahr wird der Irrtum entdeckt, als bei einem Kind mit einem Gentest die Vaterschaft geklärt werden sollte. Dabei wird festgestellt, dass weder "Vater" noch "Mutter" mit dem Mädchen verwandt sind. Die Kinder kommen zu ihren leiblichen Eltern.

2008: Zwei spanische Zwillingsschwestern, die nach der Geburt durch eine Verwechselung getrennt worden waren, finden nach drei Jahrzehnten wieder zusammengefunden. Zu verdanken haben sie dies der Angestellten einer Modeboutique in Las Palmas auf Gran Canaria, die mit einer der Schwestern befreundet ist. Die Verkäuferin war in dem Geschäft durch Zufall der anderen Schwester begegnet, hielt sie irrtümlicherweise für ihre Freundin und wunderte sich, dass diese nicht grüßte.

Beide waren im März 1973 in einem Krankenhaus in Las Palmas zur Welt gekommen. Eine von ihnen wurde jedoch versehentlich mit dem Baby einer anderen Frau vertauscht und wuchs bei Eltern auf, die nicht ihre eigenen sind. Die andere erhielt eine Schwester, die nicht mit ihr verwandt ist.

2007: Nachdem sie monatelang mit einer "falschen" Tochter gelebt haben, erfahren zwei Paare aus Tschechien, dass ihre Kinder nach der Geburt vertauscht wurden. In der Klinik in Trebic kam es wohl zur Verwechslung, weil beide Mütter mit Vornamen Jaroslava heißen. Kurz vor dem ersten Geburtstag kommen die Kinder zu den leiblichen Eltern.

2006: Zehn Jahre wachsen in einem thailändischen Krankenhaus vertauschte Kinder bei den falschen Eltern auf, bis sie die Wahrheit erfahren. Das Mädchen und der Bub leben in Nachbardörfern und besuchen die selbe Schule - und die Ähnlichkeit mit der jeweils anderen Familie fällt Nachbarn auf. Schließlich klärt ein Gentest den Irrtum auf.

2005: Am Landesklinikum Mistelbach werden nach der Geburt auf der Säuglingsstation zwei Babys vertauscht. Der Irrtum wird erst zu Hause durch eine Schwester des Kindes aufgedeckt: "Du, Mama. Auf dem Armband der Sonja steht Viktoria drauf."

"Ich komme mit einem fremden Baby und möchte meines abholen", wendet sich die Mutter daraufhin an das Krankenhaus. Dort denken die Mitarbeiter zuerst an einen Scherz. Die andere Mutter liegt aber noch in der Klinik, um sich von der Geburt zu erholen.

Böse auf das Spital sind die Frauen nicht: "Das hat ja niemand absichtlich gemacht." Wahrscheinlich wurden die beiden Mädchen nach dem Füttern auf der Station in den falschen Babywagen gelegt - und niemand hat danach die Armbänder kontrolliert.

(APA)

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