Terror: „Verbrechen gegen alle auf der Welt“

Die Justizwache führte die 17-Jährige in den Gerichtssaal.
Die Justizwache führte die 17-Jährige in den Gerichtssaal.(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Eine schwedische Schülerin erhält in Wien wegen versuchter Mitgliedschaft in der Terrormiliz IS eine milde Haftstrafe. Indes wünscht der Richter ein „Ende des Wahnsinns“ herbei.

Wien. Wie reagiert ein Staat auf eine 17-jährige Schülerin, die halb Europa durchquert, um sich der Terrormiliz IS anzuschließen? Ein österreichisches Gericht, genauer: ein Schöffensenat in Wien, ahndete die Reise der Jugendlichen mit einer Verurteilung. Inklusive einer einjährigen Haftstrafe, die großteils, nämlich im Ausmaß von elf Monaten, auf Bewährung verhängt wurde. Nur ein Monat Haft wurde unbedingt ausgesprochen. Diese gilt wegen der bereits gut zwei Monate dauernden U-Haft als verbüßt.

Donnerstagfrüh: Unsicher betritt die 17-Jährige (sie hat somalische Wurzeln) den monumentalen Großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts Wien. Die Jugendliche wirkt verloren – wenngleich ihr Kopftuch in Pink hervorsticht. Sie hat es so geschlungen, dass ihr Gesicht gerade noch frei bleibt. Die Anklage wiegt schwer, sie lautet auf das Verbrechen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Die Rede ist von der in Syrien und im Irak verbreiteten Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die Angeklagte, A., haucht „nicht schuldig“ in das vor ihr stehende Mikrofon.

Fotos von Gräueltaten

Ihr Anwalt, Wolfgang Blaschitz, spricht das Belastungsmaterial an: Protokolle aus Internetchats, die auf dem Mobiltelefon von A. gefunden worden sind. Ebenso wie Fotos von Gräueltaten durch IS-Mörderbanden. Blaschitz spricht von Meinungs- und Religionsfreiheit. Und sagt: „Die Jugend hat das Privileg des Blödseins.“

Doch die Protokolle haben es in sich: Nachdem A. am 5. Dezember des Vorjahres in einer Nordsee-Filiale auf dem Wiener Westbahnhof festgenommen worden war (ihre ersten Worten zur Polizei waren übrigens: „I have no bomb“), fanden Ermittler Chat-Einträge, in denen A. meint, sie freue sich über den Terror von Paris. Auch schrieb A., dass sie Schweden hasse. Und dass man Menschen, die sich nicht zum Islam bekehren ließen, „töten“ dürfe. Außerdem wurden eine Anleitung zum Bau einer Bombe und eine Anweisung zur Unterstützen des IS sichergestellt.

Sie habe keine Freundinnen, erklärte A. nach ihrer Festnahme. Sie pflege nur Kontakte in sozialen Netzwerken (Twitter, WhatsApp). Sie habe sich via Dänemark und Deutschland per Bus und Bahn nach Österreich durchgeschlagen, weil sie in Wien drei (ihr persönlich nicht bekannte) Mädchen habe treffen wollen – junge Leute aus den Chats. Nach Syrien habe sie nicht fahren wollen. Tatsächlich hatte sie auch keinen Pass dabei.

Zurück in den Gerichtssaal: Hier zieht es A. schon nach ein paar Fragen von Jugendrichter Andreas Hautz vor, von ihrem Schweigerecht Gebrauch zu machen.
Nach kurzem Prozess, zu dem auch etliche schwedische Medienvertreter gekommen sind, steht fest: Aus dem von der Verteidigung geforderten Freispruch wird nichts. Aus der von der Anklage verlangten Terrorverurteilung wird auch nichts. Das Gericht geht einen Mittelweg: A. habe sich nicht dem IS angeschlossen, sie habe nämlich keine IS-Kontakte gehabt. Aber sie habe es versucht. Versuchte IS-Mitgliedschaft sozusagen. In diesem Sinn ergeht der Schuldspruch.

Ein junger Mensch auf Irrwegen

Richter Hautz spielt in der Urteilsbegründung auf den Umstand an, dass Schweden keine Auslieferung der Verdächtigen begehrt hat, da deren Tun in Schweden (noch) nicht strafbar ist (auch in Schweden soll ab April ein strengeres Antiterrorgesetz gelten). Der Richter: „Ich versteh nicht, dass das nicht überall strafbar ist.“
Es müsse doch etwas dagegen zu machen sein, wenn „ein junger Mensch sagt“, er wolle in die IS-Gebiete fahren. Die von A. begangene Rechtsverletzung (das Urteil ist noch nicht rechtskräftig) betreffe nicht nur Nationalstaaten. „A. hat jedem auf der Welt gegenüber ein Verbrechen begangen.“ Es sei „im Interesse der ganzen Welt“, dass „der Wahnsinn“ in Syrien und im Irak ein Ende habe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2016)

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