Antisemitische Vorfälle: Meldungen verdoppelt

(c) APA/AFP/THOMAS COEX
  • Drucken

Die Kultusgemeinde berichtet von mehr antisemitischen Muslimen. Zahlen dazu gibt es aber nicht.

Wien. Es ist ein Phänomen, das mehrere Länder in Europa betrifft. Seit einigen Jahren steigt die Zahl der antisemitischen Vorfälle. In Frankreich haben 2015 so viele Juden wie noch nie das Land in Richtung Israel verlassen. Die Angst wird durch Anschläge wie jenen auf einen jüdischen Supermarkt im Zuge des Attentats auf die französische Satirezeitung „Charlie Hebdo“ in Paris oder jenen auf eine Synagoge in Kopenhagen verstärkt.

Durch die Flüchtlingskrise wird die Situation noch befeuert. In Deutschland forderte Josef Schuster, Zentralratsvorsitzender der Juden in Deutschland, eine Obergrenze für Flüchtlinge. Der Grund: Sie kämen aus Kulturen, in denen der Hass auf Juden ein fester Bestandteil sei. In Wien pflichtete ihm Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, bei.

Deutsch war es auch, der am Mittwoch gemeinsam mit dem Forum gegen Antisemitismus (eine Meldestelle für antisemitische Vorfälle, die aber „unabhängig“ von der Kultusgemeinde Wien agiert) den Jahresbericht der NGO für 2015 präsentierte. Demnach hat sich die Zahl der antisemitischen Vorfälle im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Von 255 auf 465 Meldungen. „Das ist ein sehr alarmierender Bericht“, sagte Deutsch. So hätte es etwa den Fall gegeben, in dem ein Mann im Autobus über jüdische Kinder sagte: „Wenn die jetzt aussteigen, dann vergase ich sie“ oder ein Hotel, das sich weigerte, jüdische Gäste aufzunehmen.

Die Vorfälle reichen von Sachbeschädigung (50 Fälle), Drohbriefen (30 Fälle) bis zu Beschimpfung/Bedrohung (18 Fälle), um Beispiele zu nennen. Fast die Hälfte der Meldungen betreffen aber das Internet mit 205 Vorfällen. Eine Abnahme gab es bei den tätlichen Übergriffen, 2015 waren es nur zwei, weniger als 2014, da waren es neun. Insgesamt ist Deutsch überzeugt, „dass der Antisemitismus von der islamischen Seite stärker wird“. Die Rechten würden derzeit wiederum eher auf Moslems losgehen. „Aber das hilft uns nicht viel. Zuerst werden es die Moslems, dann die Juden sein.“

In Zahlen belegt der Antisemitismusbericht die Behauptung, dass der Antisemitismus seitens der Muslime zunimmt, aber nicht. Auf Nachfrage der „Presse“ sagt Amber Weinber vom Forum gegen Antisemitismus, dass 70 Prozent der Fälle in dem Papier gar nicht zuordenbar seien. Also man nicht wisse, ob es sich um rechten Antisemitismus handle, um linken oder islamischen. Von den 30 Prozent der zuordenbaren Fälle seien grob geschätzt 15 Prozent muslimisch antisemitisch, zehn Prozent rechts und fünf Prozent links, fügte sie hinzu. Das Eingrenzen der Tätergruppen sei aber schwer, da man bei der Dokumentation der Fälle auf Zeugen angewiesen sei, erklärte Weinber. Von einer Zunahme könne man aufgrund von „Beobachtung“ ausgehen, sagte Deutsch.

Beunruhigung groß

Ohnehin ist die Beunruhigung in der jüdischen Community groß. So hat die Polizei vor zwei jüdischen Schulen ihre Präsenz erhöht. Diese Schulen seien unmittelbar in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften, sagte Deutsch. Auf die Frage, wie viele antisemitische Fälle er eindeutig mit Flüchtlingen assoziieren könne, antwortete er: „Keinen.“

Es gebe die Befürchtung, dass „wenn der Anteil der Muslime steigt, es problematisch werden könne“, führte IKG-Generalsekretär Raimund Fastenbauer das Problem weiter aus. Anlässlich des Antisemitismusberichts 2015 forderte die IKG eine weltweit einheitliche Definition von Antisemitismus sowie eine schärfere juristische Handhabe. Im Hinblick auf die Integration von Zuwanderern könnte ein Teil der Integrationsarbeit auch ein Besuch im Konzentrationslager Mauthausen sein. Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) sieht in dem Bericht eine Warnung. Antisemitismus dürfe in Österreich keinen Platz haben. (win)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.