Unter dem Brenner entsteht ein Rekordtunnel

(c) REUTERS
  • Drucken

Der Basistunnel wird den Gotthard noch übertreffen. Aber das Bauwerk ist nicht unumstritten.

Wien/Innsbruck. Der heute eröffnete Schweizer Gotthard-Tunnel ist ein imposantes Bauwerk – aber seinen Status als längster Eisenbahntunnel der Welt wird er bald eingebüßt haben: Ein paar hundert Kilometer östlich wird unter dem Brenner gerade an einem Tunnel gegraben, der mit 66 Kilometern Länge (einschließlich des Zulauftunnels in Innsbruck) die 57 Kilometer des Schweizer Vorzeigebauwerks noch übertreffen wird.

Allerdings ist der Brenner-Basistunnel, der 2026 in Betrieb gehen wird und mindestens zehn Mrd. Euro kosten soll, deutlich umstrittener als sein Schweizer Pendant: Während der Gotthard in ein umfassendes Bahnkonzept eingebunden ist, hängt der Brenner-Basistunnel sozusagen in der Luft: Die Zulaufstrecken in Deutschland (Kufstein–Rosenheim–München) und in Italien (Franzensfeste–Verona) sind zwar grundsätzlich geplant, die Realisierung der Milliardenbauwerke liegt aber in weiter Ferne. In Italien bremst Geldmangel das Projekt, in Deutschland ist der Wille, Milliarden in die Strecke Rosenheim–Kufstein zu investieren, eher mäßig ausgeprägt.

Der zweite Unterschied: Die Schweiz hat mit einer Reihe dirigistischer Maßnahmen einen nicht geringen Teil des Güterverkehrs auf die Schiene gezwungen, in den EU-Ländern Österreich, Deutschland und Italien ist das aber nicht der Fall. In Italien ist der Schienenanteil am Güterverkehr relativ niedrig, in beiden Nachbarländern verliert die Schiene im Güterverkehr permanent Marktanteile an die Straße. Der österreichische Teil der Brennerstrecke ist für eine effiziente Verlagerung zu kurz.

Wie auch immer: Die EU hat die Brennerachse als Teil der Hochleistungsverbindung Berlin–Palermo in die Liste der prioritären TEN-Projekte (TEN steht für Transeuropäische Netze) aufgenommen und am Brennertunnel wird schon heftig gebaut. Und zwar von einer österreichisch-italienischen Betreibergesellschaft. Auch die Finanzierung des Tunnels wird zwischen Italien und Österreich geteilt.

Die EU steuert ebenfalls die eine oder andere Milliarde bei. Zumindest 1,2 Milliarden – die sind schon zugesagt.
Wie viele umstrittene Verkehrsbauwerke hat der Brenner-Basistunnel eine lange Geschichte: Erst 2007, fast 40 Jahre nach Auftauchen der ersten Pläne, wurde mit Probebohrungen begonnen, wurde die Hauptbauphase gestartet.

Ob die Milliarden gut investiert sind, wird davon abhängen, ob die drei Länder dirigistische Verkehrsmaßnahmen setzen. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Weltjournal

Schweiz: Der längste Tunnel der Welt

Nach fast 17 Jahren Bau wird am Mittwoch der 57 Kilometer lange Gotthardtunnel eingeweiht. Er stärkt die Kapazitäten für Fracht- und Personenverkehr zwischen Italien und dem Norden enorm.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.