Unleistbar: Badeschluss in den Gemeinden

Unbestaendiges Wetter im Sommer 2016
Unbestaendiges Wetter im Sommer 2016APA/dpa/Julian Stratenschulte
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Immer weniger Gemeinden können sich ihr Schwimmbad noch leisten. In Oberösterreich soll mittelfristig jedes zweite Bad geschlossen werden.

Man kann sich schnell recht einsam fühlen im weitläufigen Freibad im burgenländischen Oggau. Vor allem an Tagen wie diesen, wenn die Lufttemperatur nur knapp über der Wassertemperatur liegt. Dann sind kaum Menschen im Bad, nur Walter Mann schwimmt wie so oft seine 70 bis 100 Längen – aber er ist mehr oder weniger mit dem Freibad verheiratet.

Dabei hat man viel Geld in die Hand genommen, um das Bad attraktiv zu machen – und vor allem dicht. Bis vor zwei Jahren war ein Besuch in Oggau eine Zeitreise zurück in die 1970er-Jahre: Flair und Charme des Bades hätte man auch als Vintage verkaufen können, und die Technik sowieso. „An schlechten Tagen versickerten 100.000 Liter Wasser“, erzählt Bürgermeister Ernst Schmid. Deshalb waren die Becken auch stets recht kühl, weil man ständig Wasser nachfüllen musste.

Dass die Gemeinde das Freibad saniert und damit ein jährliches Defizit fortgeschrieben hat, ist ein Einzelfall. Immer weniger Gemeinden können sich ihre Freischwimmbäder noch leisten, reihenweise werden in diesem Sommer Bäder zugesperrt. In Oberösterreich gibt es sogar einen Plan, wonach in den kommenden Jahren jedes zweite Bad geschlossen werden soll. Die finanzielle Belastung wird den Kommunen einfach zu viel.

„Kein einziges öffentliches Bad in diesem Land arbeitet kostendeckend“, erklärt man beim Gemeindebund. „Es gilt die Erkenntnis: Kleines Bad, kleines Defizit, großes Bad, großes Defizit.“ Wien kennt das. In der Bundeshauptstadt gibt es insgesamt 38 Bäder, die im vergangenen Jahr ein Defizit von 43,8 Millionen Euro gemacht haben.

Wie viele öffentliche Frei- und Schwimmbäder es in Österreich gibt, weiß auch der Gemeindebund nicht. Die Wirtschaftskammer hat 345 kommerzielle Freibäder in den 2300 Gemeinden verzeichnet, die alle zumindest kostendeckend arbeiten müssen.

Dafür sind dort die Eintrittspreise zweistellig. In Oberpullendorf beispielsweise zahlt ein Schüler oder Senior zwei Euro für die Tageskarte, ein Tourist mit Gästekarte einen Euro, nur ein Erwachsener zahlt den Vollpreis: vier Euro für einen Tag in der Anlage mit einem 33 Meter langen Sportbecken, einem Kinderplanschbecken, einem Nichtschwimmerbereich und einer Wasserrutsche.

„Man bietet als Gemeinde teilweise Sachen an – nicht, weil sie kostendeckend sind, sondern weil man sie sich leisten will“, sagt Rudolf Geißler, der seit 2007 Bürgermeister der 3200-Einwohnergemeinde ist. „Es gibt einige Menschen, die finanziell nicht die Möglichkeit haben, auf Urlaub zu fahren – sie können dann zumindest ins Bad gehen“”, erklärt der Politiker – übrigens von der ÖVP.


70.000 Defizit pro Jahr. 70.000 Euro lässt sich die Gemeinde Oberpullendorf das Freibad pro Jahr kosten. Ein Defizit, das man verkraften kann. In Pyhra bei St. Pölten kapitulierte man. 60.000 Euro betrug der Abgang. Dazu kam, dass man das Bad dringend hätte sanieren müssen: Der Kostenvoranschlag belief sich auf 870.000 Euro. Heuer im Frühjahr beschloss der Gemeinderat, das Bad nach 40 Jahren Betrieb für immer zu schließen.

In Oberpullendorf steckte man 600.000 Euro in das mehr als 30 Jahre alte Bad, um es halbwegs auf Vordermann zu bringen. „Die Menschen schätzen das Freibad“, sagt Geißler. „Es hätt' sicher einen Aufstand gegeben, wenn wir zugesperrt hätten.“ Natürlich könnten die Einwohner auch 15 Minuten Fahrt auf sich nehmen und die Therme Lutzmannsburg besuchen. Aber dort kostet der Eintritt für einen Tag nicht zwei oder vier Euro, sondern 26,50 Euro. „Das ist für manche einfach zu viel“, meint Geißler.

Früher veranstaltete man in dem großen Becken in Oberpullendorf noch Schwimmbewerbe. Eine Länge von 33,3 Metern hatte nicht bald ein Bad. Allein das genügte, um Besucher anzulocken. Mittlerweile muss man mehr bieten; wer nur ein Becken hat – wie etwa das Hallenbad in Bad Großpertholz im Bezirk Gmünd –, ist unattraktiv. Am Ende kamen in Bad Großpertholz noch 15, 20 zahlende Gäste pro Tag, als sich das jährliche Defizit den 100.000 Euro annäherte, sperrte man zu.

Man kann als Gemeinde auch Glück und einen Bademeister wie den eingangs erwähnten Walter Mann haben. Als das Freibad Oggau 1977 eröffnet wurde, war er dabei – und blieb es 36 Jahre lang als Bademeister. Er hat in der Zeit drei Menschen vor dem Ertrinken gerettet und reanimiert – einer kam vor ein paar Jahren zu ihm und bedankte sich („,Ich bin der, dem du vor zehn Jahren das Leben gerettet hast‘, hat er gesagt. Da läuft's einem schon kalt über den Rücken“) – und „ein paar andere rausgezogen“. Und er hat sich mit viel Einsatz um das Bad gekümmert. „Wann immer etwas zu machen war, hat der Walter das persönlich erledigt“, erklärt Bürgermeister Schmid. „Ich hab so getan, als wäre es mein eigenes Bad“, erklärt Mann. Wenn er jetzt als Pensionist allein seine morgendlichen Längen schwimmt, stimmt das.

Fakten

345 kommerzielle Freibäder gibt es in Österreich. Wie viele öffentliche Frei- und Hallenbäder die etwa 2300 Gemeinden betreiben, ist nicht erhoben.

43,8 Millionen Euro Verlust machen allein die 38 öffentlichen Bäder in Wien pro Jahr. Einnahmen von 14,1 Mio. Euro standen 2015 Ausgaben in Höhe von 57,9 Millionen Euro gegenüber.

Zwischen einem und vier Euro kostet der Eintritt beispielsweise im Freibad Oberpullendorf. In der nahen Therme Lutzmannsburg bezahlt man fast
27 Euro pro Tag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2016)

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