Die Verunsicherung der Muslime in Österreich

In der türkischen und muslimischen Community herrscht Verunsicherung.
In der türkischen und muslimischen Community herrscht Verunsicherung.(c) Clemens Fabry
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Nach den Anschlägen der vergangenen Wochen klagen Muslime über eine Zunahme von Diskriminierung und Gewalt – nicht nur in sozialen Medien, sondern auch im realen Leben.

Wien. Die Attentate und Anschläge der vergangenen Wochen haben in Europa für ein Gefühl der Unsicherheit gesorgt. Und auch dafür, dass das Misstrauen gegenüber Muslimen offenbar gestiegen ist – ungeachtet dessen, ob ein Anschlag nun aus religiösen Gründen verübt wurde, oder ob es sich um eine Tat eines psychisch Kranken handelte. Dieses Misstrauen, das sich unter anderem in Postings auf sozialen Medien zeigte, sorgt nun auch für Verunsicherung bei den Muslimen selbst.

„Wenn ein Anschlag stattfindet, verzeichnen wir mehr Meldungen“, sagt Rumeysa Dür, Mitarbeiterin bei der Dokumentationsstelle für Gewalt gegen Muslime. So habe es allein im Juni und Juli bis zu 20 Fälle gegeben, bei denen sich Betroffene gemeldet hätten. „Zum Vergleich: Im April und Mai hat es nur sehr wenige Fälle gegeben.“ Dabei reichen die Meldungen von Beschmierungen von Moscheen oder Vereinslokalen über Ungleichbehandlung – so hätten muslimische Frauen geklagt, dass sie auf dem Flughafen extra für eine Kontrolle herausgepickt worden seien – bis hin zu Gewalt.

Auf der Facebookseite der Dokustelle sorgten zuletzt einige Meldungen für Aufsehen. So wurde ein Bericht der „Niederösterreichischen Nachrichten“ zitiert, laut dem eine Türkin auf dem Friedhof in Herzogenburg von einer Frau mit einer Gießkanne attackiert und verletzt wurde. Dem Bericht zufolge soll die Frau dabei „Du bist eine Terroristin“ gerufen haben. Die Polizei in Herzogenburg ermittelt wegen Körperverletzung und Diskriminierung – auf Nachfrage der „Presse“ sehe man derzeit aber keinen Hinweis dafür, dass es sich um eine ausländerfeindlich oder rassistisch motivierte Tat gehandelt habe.

Angriff mit Hunden?

Ein anderer Fall wird vom Salzburger SPÖ-Landtagsabgeordneten Tarik Mete geschildert. So seien am Mondsee eine türkischstämmige Familie und deren Freunde attackiert worden – ein Pärchen habe sich über die „Kopftuchfrauen“ aufgeregt und drei Hunde auf sie losgelassen. Der Fall sei ihm von einer betroffenen Familie geschildert worden. Daraufhin habe er ihn auf seiner Facebookseite gepostet. Die Polizei in Mondsee schildert eine andere Version – so hätten die frei laufenden Hunde vier türkischstämmige Mütter und deren Kinder erschreckt. Die herbeigerufenen Männer hielten die Hundebesitzer fest, bis die Polizei kam. Auch hier laufen die Ermittlungen – bei der Polizei in Mondsee geht man derzeit allerdings auch von keinem ausländerfeindlichen oder rassistischen Motiv aus. Klagen sind auch zu hören, dass es nach den Demos zum Putschversuch in der Türkei Diskriminierungen gegenüber Türken gebe. Unter anderem, weil der Wiener Neustädter Bürgermeister, Klaus Schneeberger, in einem offenen Brief mitteilte, dass türkische Fahnen an Fenstern und Balkonen unerwünscht seien – und sie entfernt werden sollten.

Auch eine Aussage von Außenminister Sebastian Kurz sorgte bei Türkei-Stämmigen für Verunsicherung: „Wer sich in der türkischen Innenpolitik engagieren will, dem steht es frei, unser Land zu verlassen.“ Auch in den sozialen Medien fanden sich, vor allem gemünzt auf Erdoğan-Sympathisanten, zahlreiche Aufforderungen mit dem Tenor: „Ab in die Heimat!“

Gefühl der Unsicherheit

In Zahlen gegossene Belege dafür, dass die Anschläge der vergangenen Wochen oder der Putschversuch in der Türkei für mehr Diskriminierung von oder Aggression gegen Muslime geführt haben, gibt es freilich keine. „Die Internet-Hassbotschaften, die uns gemeldet werden, sind sowieso immer sehr zahlreich“, sagt Dina Malandi, Leiterin der Beratungsstelle Zara. Derartige Effekte würden sich meist nicht nur an einzelnen Tagen ergeben, sondern sich über Monate hinweg aufschaukeln. Und so auch bei den potenziellen Adressaten für Hassbotschaften und Diskriminierung für ein zunehmendes Gefühl der Unsicherheit sorgen.

HILFE

Dokumentationsstelle. Die Islamische Glaubensgemeinschaft hat eine Stelle eingerichtet, bei der Diskriminierung gemeldet werden kann: Tel. 0676/404 00 05 oder dokustelle.derislam.at

Meldungen sind auch möglich bei der Stelle Zara unter +43/(0)1/929 13 99 oder www.zara.or.at

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2016)

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