Anti-Terror-Übung: Polizei simuliert Anschlag in Wien

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In der Nacht auf Samstag greifen Terroristen – so die Annahme – Österreichs Hauptstadt an. Polizei, Cobra und Rettungskräfte wissen bisher nur das Nötigste zum Ablauf.

Wien. Seit dem Jahreswechsel wächst in einer kleinen und hochgradig konspirativ arbeitenden Zelle der Plan, einen Terroranschlag auf strategisch bedeutende Orte in Wien zu orchestrieren. Die handelnden Personen sind jedoch keine nach Österreich eingeschleusten Schläfer des sogenannten Islamischen Staats (IS), sondern Spezialisten des Einsatzkommandos Cobra, die dabei Unterstützung von den anderen beteiligten Einsatzorganisationen bekommen haben. Offiziell und im Auftrag des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit entwarfen sie eine Großschadenslage, einen Angriff auf Wien, der mit all seinen Details in ein dickes Drehbuch geschrieben wurde. Heute, Freitagabend, ist Premiere: In der Hauptstadt findet eine Großübung der Einsatzkräfte innerhalb eines Attentatsszenarios statt.

Möglichst nahe an der Realität

Einer der wenigen, die jetzt schon wissen, was in der Nacht auf Samstag wirklich passieren wird, ist Detlef Polay. Der Cobra-Oberst hatte während der Vorarbeiten engen Kontakt zur Planungszelle (diese heißt intern tatsächlich so), die besagtes Drehbuch entwarf. Bis es losgeht, wird er gegenüber den eingeteilten Kollegen – wie immer – freundlich sein und lächeln, aber zum Ablauf der Übung eisern schweigen. Denn: „Das Überraschungsmoment ist sehr wichtig, damit die Übung möglichst nahe an die Realität herankommt.“ Deshalb wird die Cobra diesen Freitagabend auch nicht mehr Kräfte in Bereitschaft haben als an anderen Freitagabenden auch. Selbst die Darsteller von Attentätern und Opfern wissen nur das Allernötigste.

Damit unterscheidet sich die aktuelle Übung erheblich von jenen, die für gewöhnlich für die Öffentlichkeit abgehalten werden. Im konkreten Fall ist nämlich auch die Pressestelle der Wiener Polizei integrierter Bestandteil des Schaulaufens. Im Ernstfall ist es genau diese Abteilung, die wichtige Informationen und Entwicklungen an die Bevölkerung weitergibt. Für Paul Eidenberger eine ungewohnte Rolle. Normalerweise ist er, Mitglied des Teams für Öffentlichkeitsarbeit in der Wiener Landespolizeidirektion, einer der Ersten, die Informationen über einen Zwischenfall erhalten. „In diesem Fall aber“, erzählt er, „kenne ich kein einziges Detail“.

Die Zahl der Teilnehmer ist groß. Allein Wiens Polizei, die den Einsatz für die geübte Großlage leitet, wird 300 Beamte im Einsatz haben. Hinzu kommen Cobra, Entschärfungsspezialisten, Berufsrettung sowie Rotes Kreuz, Arbeiter-Samariter-Bund, Johanniter Unfallhilfe und Malteser Hospitaldienst. Ein Freiwilliger, der für eine der genannten Organisationen als Führungsoffizier teilnehmen wird, wurde erst unmittelbar vorher über das Stattfinden der Übung informiert. „Ich weiß, dass es in Wien und am Abend stattfinden wird. Das war's dann aber auch.“ Neben dem Ausschalten von Attentätern sowie dem Bergen und Versorgen von Opfern an mehreren nicht präzisierten Schauplätzen soll die Übung vor allem Erkenntnisse darüber liefern, wie das Zusammenspiel der Führungsgremien (Stäbe) von Polizei und Einsatzorganisationen funktioniert. Und wie schnell diese und die Kräfte vor Ort aktiviert werden können. Im Anschluss soll es dann eine ausführliche Analyse des Erlebten geben.

Die letzte vergleichbare Übung fand 2005 am Flughafen Schwechat und in Wien Penzing statt. Cobra-Offizier Polay sagt, dass man im kleinen Rahmen natürlich laufend unterschiedlichste Szenarien durchspiele, die Aktivierung mehrerer und auch großer Verbände jedoch enorm viel Planungszeit und Geld koste, und dies deshalb nur selten möglich sei. Aus diesem Grund wäre das Planungsteam natürlich auf Spezifika eingegangen, wie sie bei den Anschlägen von Paris und Brüssel zu erkennen waren. Mehr werde man von ihm bis zu Übungsbeginn aber nicht erfahren. Die Wiener Polizei informierte am Donnerstag darüber, dass ein Großteil der Übung an nicht öffentlich zugänglichen Orten stattfinden werde. Dennoch würden stellenweise starke Polizeikräfte, schwer bewaffnet und auch in Schutzkleidung, zu sehen sein. Kleinere Behinderungen des Verkehrs seien zwar möglich, aber, wenn überhaupt, nur von kurzer Dauer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2016)

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