Flüchtlinge kommen nicht auf dem Arbeitsmarkt an

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Themenbild(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Falsche Prognose? Österreichweit waren beim AMS mit Stand Oktober nur 7655 Flüchtlinge mehr als im Vorjahr gemeldet. Dabei wurde die sechsfache Anzahl erwartet. Für AMS-Chef Kopf bedeutet das Verspätung bei der Integration.

Wien. Eigentlich hat AMS-Chef Johannes Kopf nach der Flüchtlingskrise im Herbst vergangenen Jahres damit gerechnet, bis Ende dieses Jahres rund 30.000 neue Kunden beim AMS zu begrüßen. Immerhin sind 2015 rund 90.000 Menschen vor allem aus Syrien, Afghanistan und dem Irak in das Land geströmt. Kopf muss sich eingestehen, dass er mit seiner Prognose weit danebenlag: Österreichweit waren am AMS mit Stand Oktober nur 7655 Flüchtlinge mehr als im Oktober 2015 gemeldet – also etwa ein Sechstel dessen, was er prophezeit hatte.

Mit den Neuankömmlingen sind somit 27.324 Menschen mit positivem Asylstatus oder subsidiärem Schutz in Österreich arbeitslos vorgemerkt, viele von ihnen sind schon lang in Österreich. Das sind 6,6 Prozent aller beim AMS gemeldeten Personen, 64,2 Prozent davon beziehen Mindestsicherung. Die größte Gruppe der neuen AMS-Kunden sind Syrer – Kopf verzeichnet einen Zuwachs von 111 Prozent seit Oktober 2015. Interessanterweise sind es bei den Afghanen nur knapp zehn Prozent – obwohl sie die größte Gruppe an Asylsuchenden vergangenes wie dieses Jahr stellen und gleichzeitig mit den Syrern kamen. Sie befinden sich offensichtlich zu einem großen Teil im Asylverfahren

Rückstau abarbeiten

Im Schnitt dauert ein Asylverfahren laut Innenministerium 8,2 Monate – warum es aber bei den einen länger dauert als bei den anderen? Man unterscheide nicht nach Nationalität, allerdings gebe es Gründe, warum Verfahren individuell länger dauern, heißt es auf „Presse“-Anfrage aus dem Innenministerium: So sei zum Beispiel der Prüfaufwand individuell – die Lage in Syrien sei viel einheitlicher als in Afghanistan. Ebenso gebe es immer wieder Prüfungen zur Altersfeststellung – aus Afghanistan kommen besonders viele unbegleitete Minderjährige. Für sie sind lang dauernde Verfahren besonders problematisch, denn wenn sie bis zur Entscheidung die Volljährigkeit erreicht haben, ist ihre Chance, die Eltern nachzuholen, praktisch null.

Insgesamt sind derzeit laut Innenministerium noch 80.000 Menschen in der Grundversorgung – bei 64.000 davon läuft das Verfahren noch. Momentan gibt es mehr abgeschlossene Verfahren als Neuanträge, das heißt, der Rückstau wird langsam abgearbeitet. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in den vergangenen zwei Jahren ihre Mitarbeiter von 500 auf 1500 aufgestockt. Kopf sieht die langen Verfahren kontraproduktiv: „Tatsächlich sind viel weniger geflüchtete Menschen bisher auf dem Arbeitsmarkt angekommen als erwartet. Das bedeutet, dass wir mit unseren Integrationsmaßnahmen in vielen Fällen noch nicht beginnen konnten.“ Während Wien Deutschkurse schon für jene anbietet, die sich im Asylverfahren befinden, verzichten die meisten Bundesländer auf derartige Integrationsmaßnahmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2016)

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