Der Tag danach im roten Flügelkampf

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Nach den personellen Veränderungen im roten Richtungsstreit begab sich die Wiener SPÖ bei ihrer Vorstandstagung in die Mühen der Ebene. Die wichtigste Landespartei von Kanzler Christian Kern schärft nun ihr rotes Profil.

Das graue Gebäude neben der U3-Station Schlachthausgasse in Wien Landstraße hat einen symbolischen Charakter. Großflächig eingerüstet, um dringende Renovierungsarbeiten durchzuführen, ist es derzeit eine Baustelle. Es ist ein Gleichnis für die Situation in der zerrütteten Wiener SPÖ, die auch am Samstag dort tagte, um sich ihrer politischen Baustelle zu widmen.

Und das an einer ebenfalls symbolträchtigen Adresse: Die in erbitterten Flügelkämpfen verstrickte Partei tagt am Alfred-Dallinger-Platz im dritten Bezirk. Also einem Ort, der nach dem am 23. Februar 1989 verstorbenen Gewerkschafter und Sozialminister Alfred Dallinger benannt ist – dem Sitz der Gewerkschaft GPA. Eine Adresse, an der die rote Gewerkschafterin Sandra Frauenberger am Tag zuvor zur Wiener Sozial- und Gesundheitsstadträtin ernannt wurde. Also ein Ressort, das die Gewerkschaft (vor allem auf Bundesebene) immer für sich beansprucht hat. Nun hat sie es auch in Wien bekommen.


Der Tag danach

Es ist der Tag nach der groß angekündigten Personalrochade in der Wiener Stadtregierung, die keine war. Frauenberger hat nur die Nachfolge für den vakanten Job von Sonja Wehsely angetreten, die zu einer Medizin-Tochterfirma von Siemens nach Deutschland geht. Im Bildungs- und Integrationsressort folgt ihr (wie berichtet) Stadtschulratspräsident Jürgen Czernohorszky, der wiederum von Heinrich Himmer ersetzt wird – einem roten Lehrergewerkschafter aus Simmering. Womit sich der Kreis zum Tagungsort, dem Sitz der Gewerkschaft der Privatangestellten, schließt.

Die große Personalrochade, die parteiinterne Kritiker im roten Flügelkampf gefordert hatten, blieb aus. Trotzdem herrschte Ruhe. Die rote Reizfigur Sonja Wehsely ist Geschichte, eine siebenköpfige Mediatorengruppe, bestehend aus Vertretern beider Fraktionen, wird sich bis zum Landesparteitag im April nur einem Thema widmen: wie beide Flügel wieder eine gemeinsame Gesprächsbasis finden können. Damit hat Häupl den Gegnern (vorerst) den Wind aus den Segeln genommen. Und nach der emotionalen Personaldiskussion beginnen die Mühen der Ebene. Also die inhaltliche, politische Diskussion – mit der Frage: Wie kann die bedeutendste Landespartei von Kanzler Christian Kern eine einheitliche Linie finden, damit sie bei der nächsten Nationalratswahl (turnusmäßig im Jahr 2018 – falls sie nicht vorgezogen wird) nicht untergeht. Und Kern mit ihr.

Die grundsätzliche inhaltliche Linie war nach Informationen der „Presse am Sonntag“ bereits am ersten Tag klar: Kampf gegen die FPÖ, Kampf gegen jeden in der Partei, der für eine rot-blaue Koalition in Wien ist. Oder diese überhaupt für denkmöglich hält. Von empörten Zwischenrufen wie „Nein!“ und „Auf keinen Fall!“ wird berichtet, als Meinungsforscher Günther Ogris Daten zu Rot-Blau im Burgenland brachte. „Diese lautstarke Ablehnung ist auch geschlossen von den Flächenbezirken gekommen“, ist in Kreisen der gegnerischen Innenbezirke zu hören: „Niemand hat sich für Rot-Blau in Wien starkgemacht.“ Daher gehe es nun um Themen und die richtige politische Positionierung – was allerdings nicht bedeutet, dass sich beide Flügel angenähert hätten. Denn gerade bei den Themen und der politischen Positionierung kracht es. Und in der Sitzung gab es die erwarteten gegenseitigen Vorwürfe, „es war klar zu sehen, dass es keine Gesprächsbasis miteinander mehr gibt“, war in SPÖ-Kreisen zu hören.


Grüne sind Hauptgegner

Der kleinste gemeinsame Nenner beider Fraktionen ist die vehemente Ablehnung einer rot-blauen Koalition, berichten Teilnehmer verschiedener Fraktionen. Passend dazu hatte Meinungsforscher Ogris eine Umfrage parat. Im Auftrag Häupls wurde erhoben, welche politischen Zweitpräferenzen SPÖ-Wähler besitzen, also mit welcher Partei die Schnittmenge der SPÖ-Wähler am größten ist – wer der SPÖ politisch am meisten Wähler abnehmen kann. Das sehr ungewöhnliche Ergebnis der Studie, die Häupls Linie voll unterstützt: „Die größte Schnittmenge gibt es mit den Grünen“, heißt es in SPÖ-Kreisen: „Danach gibt es die meisten Überschneidungen mit der ÖVP – die wenigsten mit der FPÖ.“ Demnach wäre nicht die FPÖ Häupls Hauptgegner, dem man sich annähern müsse, sondern die Grünen – weil die hohe Zahl an rot-grün-affinen Wähler dorthin abwandern könnte.

Für die Diskussion waren vier große Themenblöcke definiert worden: Integration, Gesundheit, Arbeitsmarkt und Wohnen. Und diese Themen wurden äußerst heftig diskutiert. Zu Redaktionsschluss war die Tagung noch im Gange. Aus Teilnehmerkreisen war aber zu hören: Die Außenbezirke diskutierten intensiv die Performance der Ressorts Gesundheit, Integration und Finanzen. Also die Performance von Sonja Wehsely, Sandra Frauenberger und Renate Brauner, den Vertreterinnen der Innenbezirke. Dabei ging es vor allem um Problemfelder wie den Krankenanstaltenverbund (z. B. Gangbetten). Die Innenbezirke revanchierten sich mit Diskussionen über das Ressort des prominentesten Vertreters der Außenbezirke, Wohnbaustadtrat Michael Ludwig – worauf dieser laut Sitzungsteilnehmern Zahlen auf den Tisch legte: Wiener Wohnen betreue 220.000 Gemeindewohnungen, in denen fast eine halbe Million Menschen leben. Jährlich gebe es 4360 Anliegen und Beschwerden. Bei angenommenen 430.000 Bewohnern würde sich also nur ein Prozent der Bewohner beschweren. Und hier gehe es in erster Linie um Waschküchen und die Nachbarn.

Dieser Schlagabtausch wird am Montag fortgesetzt. Dann tagt mit dem Wiener Ausschuss jenes Gremium, das Häupls Personalpaket offiziell beschließen muss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2017)

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