Wiener Beamte: Flucht in den Krankenstand

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12,5 Tage beträgt laut Statistik Austria der Krankenstand von ASVG-Bediensteten im Jahr. Bei der Stadt Wien sind es 20,4. Die SPÖ erklärt dies mit unterschiedlichen Berechnungsmethoden. Die Opposition ist empört.

Wien. Es ist erst wenige Wochen her, dass der Rechnungshof das Pensionssystem der Wiener Beamten heftig kritisiert und von Privilegien gesprochen hat. Jetzt gibt es neue Aufregung um die Gemeindebediensteten der Bundeshauptstadt: Die Krankenstände im Bereich des Magistrats liegen weit über dem der ASVG-Beschäftigten. Im Klartext: Während ein ASVG-Bediensteter laut Statistik Austria durchschnittlich 12,5 Tage im Jahr krankgemeldet ist, sind es bei der Gemeinde Wien (Beamte und Vertragsbedienstete) durchschnittlich 20,4 Tage.

Diese Zahlen gehen aus einer Anfragebeantwortung hervor, die die Wiener VP an die Beamtenstadträtin Sandra Frauenberger gerichtet hat. VP-Vizelandechef Wolfgang Ulm: „Dies beweist, dass Arbeiten bei der Stadt Wien krank macht.“ Dazu komme, so Ulm, dass dies eine starke Belastung für das Stadtbudget darstelle. Konservativ gerechnet koste eine zusätzliche Woche Krankenstand das Rathaus 50 Millionen Euro – pro Jahr.

Die Wiener SPÖ reagiert ungehalten auf diese Vorwürfe. „Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen, nur um die Bediensteten der Stadt zu diskreditieren“, so SP-Gemeinderat Franz Ekkamp, der auch Vorsitzender der Personalkommission ist. Man könne die Personalsituation in Wien, das zugleich Land und Gemeinde ist, nicht mit dem Bund oder anderen Bundesländern vergleichen. In Wien seien im Gegensatz zu den Ländern die Infrastrukturdienste – Gesundheit, Feuerwehr, Kanal – mit Gemeindemitarbeitern besetzt. „Viele Jahre am Krankenbett oder in der Kanalisation machen eher krank als ein Job an einem Schreibtisch“, so Ekkamp.

Zugleich führt die Rathaus-SP noch andere Argumente für den großen Krankenstandsunterschied an. So finde bei der Wiener Gebietskrankenkasse ein Krankenstand den Weg in die Statistik erst mit Krankmeldung, und das ist in manchen Firmen erst ab dem dritten oder vierten Tag der Fall. Bei der Gemeinde Wien dagegen werde dies ab dem ersten Tag gerechnet. Und außerdem seien in den Gemeindestatistiken Langzeitkrankenstände enthalten. In der Privatwirtschaft würden solche Leute aus dem Krankenstand fliegen und arbeitslos werden, so die SP. Ein Drittel der Beschäftigten sei sogar keinen einzigen Tag krank gewesen. Der Vergleich der VP hinke sehr stark.

Geringes Einkommen

Interessantes Detail aus der Anfragebeantwortung: Gemeindemitarbeiter mit geringem Einkommen (Gehaltsschema I, Anfangsgehalt rund 1300 Euro brutto) sind überdurchschnittlich lang krank – nämlich 31,9 Tage im Jahr. In diese Gruppe fallen offenbar viele jener Bediensteten, die die schweren Tätigkeiten verrichten.

Die neue Debatte um die erhöhte Zahl der Krankenstandstage folgt auf einen im August veröffentlichten Rechnungshofbericht, in dem das Wiener Beamtensystem äußerst kritisch beurteilt wird. Dabei hat der RH die Bundesbeamten mit den Wiener Beamten verglichen – und beanstandet, dass die Wiener Beamten um einiges teurer sind als ihre Bundeskollegen.

Am meisten stört die RH-Prüfer, dass Wien für die Umsetzung der Pensionsreform um 14 Jahre länger braucht (bis 2042) als der Bund. Das bedeute Mehrausgaben in Höhe von 130 Millionen Euro. Die Stadtregierung verteidigt die langsame Wiener Reform mit dem Argument, dass sie sozial besser verträglich sei. Und auch bei Sparpaketen und Nulllohnrunden für Beamte (siehe Salzburg-Bericht unten) wird abgewinkt. „Das kommt nicht infrage“, meint Bürgermeister Häupl dazu. Abgesehen vom Tempo der Pensionsreform stechen der Opposition auch die Frühpensionen ins Auge. So sinkt in Wien das Frühpensionsalter bei den Gemeindebediensteten – und beträgt derzeit rund 53 Jahre. Rechnet man nur die Beamten, liegt es höher – bei 57.

65.000 Mitarbeiter

Die Stadt Wien hat rund 65.000 Mitarbeiter, davon ungefähr 27.000, die beim Magistrat direkt angestellt sind, weitere 27.000 beim KAV und etwa 10.000 bei den Stadtwerken. Seit einigen Jahren versucht die Stadtregierung, die Zahl der pragmatisierten Beamten zu senken und neue Mitarbeiter nur als Vertragsbedienstete anzustellen. Das Verhältnis liegt derzeit bei etwa 45 Prozent Beamte zu 55 Prozent Vertragsbedienstete (es gibt unterschiedliche Berechnungsmethoden.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2009)

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