Fu Long ist schon sehr selbstständig

Eveline Dungl
Eveline Dungl(c) Clemens Fabry
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Die Zoologin Eveline Dungl hat den Panda Fu Long im Tiergarten Schönbrunn seit seiner Geburt begleitet. Am 18.November wird Fu Long wieder zu seinen Besitzern in die chinesische Zuchtstation geflogen.

Haben Sie in letzter Zeit geweint, wenn Sie an den Abschied von Fu Long gedacht haben, den Sie seit seiner Geburt begleitet haben?

Eveline Dungl: Geweint natürlich nicht, aber sicher ist man traurig und denkt nach, was die Zukunft für ihn bringen wird. Ich versuche, es rational zu sehen, und es steht ja in unserem Kooperationsvertrag, dass er im Alter von zwei Jahren nach China zurückgeht. Jetzt versuchen wir seit einiger Zeit, ihn auf den Transport vorzubereiten, damit die Übersiedlung so stressfrei wie möglich über die Bühne geht.

Wie viel Zeit pro Tag haben Sie am Anfang, nach Fu Longs Geburt, bei ihm verbracht?

In den ersten Tagen waren wir 24 Stunden hier und haben auch im Pandahaus geschlafen. Es war ja nicht immer ich, sondern wir waren zu viert im Team. Uns war wichtig, dass wir mitverfolgen konnten, ob er genug zu trinken bekommt, und ob sein Mutter Yang Yang mit der Situation zurechtkommt: Es war schließlich ihr erstes Junges. Tagsüber haben wir auch über Kameras und Babyfon überwacht, ob alles in Ordnung ist. In der Nacht haben wir ganz in der Nähe der Wurfbox geschlafen. Damals lag mein Schwerpunkt bei den Pandas sowohl in der Pflege als auch in der Forschung: Ich habe noch an meiner Dissertation über die visuelle Wahrnehmung der schwarzen Augenflecken beim Großen Panda gearbeitet.

Und wie viel Zeit haben Sie zuletzt mit den Pandas verbracht?

Jetzt habe ich einen normalen 40-Stunden-Job und arbeite in der Pandapflege gar nicht mehr mit. Meine Tätigkeit hat sich in Richtung Tiertraining verschoben. Dabei liegt einer der Schwerpunkte noch bei den Pandas, und auch mein Büro ist im Pandahaus. Ich arbeite aber auch mit den Giraffen, Panzernashörnern, Krokodilen, Schildkröten usw. Wir trainieren, um Untersuchungen und Behandlungen durch die Tierärzte durchführen zu können, ohne die Tiere in Narkose zu setzen. Über Belohnungen lernen die Tiere z. B. freiwillig herzukommen und stillzuhalten. So wird eine Behandlung zu einem spannenden Spiel und stellt keine unangenehme Situation dar.

Was waren Ihre Gefühle, als Sie und Ihre Kollegen im August 2007 das Pandababy entdeckt haben?

Als Erstes hat meine Kollegin die Schreie des Pandajungen gehört. Als dann sicher war, dass Pandanachwuchs da ist, waren meine Gefühle eine Mischung aus wahnsinniger Freude – wir konnten es gar nicht glauben – und auch Ängsten, wie Yang Yang mit der Situation umgehen würde. Es ist mitunter schon passiert, dass ein Pandaweibchen ihr Junges in den ersten Tagen erdrückt hat, weil Pandajunge wirklich total winzig sind. Außerdem ist die Jungensterblichkeit bei Pandas sehr hoch. Verschiedenste Gefühle sind abwechselnd hochgekommen.

Wie ist Ihnen der darauf folgende Medienrummel bekommen? Haben Sie extra ein Training gemacht, um professionell damit umzugehen?

Nein, ich habe kein Medientraining absolviert, aber der Umgang mit Medien gehört natürlich zu unserem Job. In dem Fall bin ich allerdings ins kalte Wasser gesprungen. Es waren so viele Interviews, Fernseh- und Radioaufnahmen zu bewältigen, dass keine Zeit geblieben ist, nervös zu sein. Man versucht dann, Interviews ziemlich rasch und konzentriert hinter sich zu bringen, um wieder den normalen Pflegertätigkeiten nachgehen zu können. Die Berichterstattung ist eher in Schüben gekommen. Anfangs war permanent etwas los, dann nur mehr zur Namensgebung, zum ersten und zweiten Geburtstag und jetzt eben beim bevorstehenden Abschied.

Wie haben Sie die Zeit empfunden, als die Sendung „Panda-TV“ auf ORF gesendet wurde? Fühlt man sich wie ein Star?

Nein, absolut nicht. Mich hat das Interesse von den vielen Menschen gefreut, und es war zum damaligen Zeitpunkt auch die einzige Möglichkeit, wie man die Infos über Fu Long weitergeben konnte. Das Pandahaus war ja noch gesperrt. Der ORF hatte auch schon gute Erfahrungen, weil es früher vom gleichen Team eine Doku-Soap „Ganz schön wild“ über den Tiergarten Schönbrunn gegeben hat. Bei „Panda-TV“ waren dann immer Berichte über unterschiedlichste Tiere im Tiergarten dabei, von denen einer der Panda war.

Werden Sie beim Einkaufen oder in der U-Bahn erkannt und angesprochen?

Fallweise, nicht sehr oft. Eher hier in Hietzing und in der U4 in dieser Gegend. Hin und wieder auch beim Einkaufen. Manche grüßen mich einfach, einige fragen, was es Neues von Fu Long gibt, und wie es ihm geht.

Wenn bei anderen Tierarten im Zoo Schönbrunn Nachwuchs bevorstand: Haben die anderen Tierpfleger versucht, das Erfolgsrezept der Pandas für mehr Medienaufmerksamkeit nachzumachen?

Nein, denn das ganze Medienecho wurde ja nie von uns gesteuert oder gefördert, sondern das Interesse war einfach sehr groß: Es gibt nur drei Pandahaltungen in Europa, und es war das erste Jungtier in Europa, das auf natürlichem Wege gezeugt worden ist. Kurz darauf waren in Schönbrunn die Eisbärenjungen da. Die waren für die Besucher sehr attraktiv, da es zwei waren und sie viel miteinander gespielt haben. Fu Long hat vergleichsweise viel geschlafen. Für die Medien – und natürlich auch für uns – ist trotzdem der Panda etwas Spezielles. Es gibt auch manchmal Vergleiche mit dem Eisbären Knut in Berlin. Die Situation dort war aber eine ganz andere, denn Knut war eine Handaufzucht und gerade der direkte Mensch-Tier-Kontakt ist für die Menschen besonders spannend. Wir hingegen haben so wenig wie möglich bei der Aufzucht eingegriffen.

Haben sich Ihre Familie und Freunde vernachlässigt gefühlt, als Sie ganze Tage und Wochen bei Fu Long verbracht haben?

Nie in einer Weise, dass es mir vorgeworfen wurde (lacht). Das haben alle, glaube ich, gut verstanden. Mein Umfeld hat richtig mitgelebt.

Sind diese Menschen jetzt auch traurig, dass Fu Long zurück nach China reist?

Klar, ich werde viel auf den Abschied von Fu Long angesprochen. Ich werde gefragt, wie es mir damit geht, oder wie es dort aussieht, wo er hinkommt.

Und: Wie schaut es dort aus? Fahren Sie jetzt, gemeinsam mit Fu Long, zum ersten Mal zur Pandastation in Szechuan?

Ich war schon mehrmals in China und auch 2003 dabei, als wir die Eltern von Fu Long, Long Hui und Yang Yang, in Wolong abgeholt haben. Die Forschungs- und Zuchtstation Wolong wurde leider im Mai 2008 beim großen Erdbeben zerstört. Das Epizentrum war nur 30 km entfernt. Fu Long kommt daher in eine Zweigstelle von Wolong: nach Bifengxia. Diese Zweigstelle gibt es seit 2003, ich war aber noch nie dort.

Seit Fu Long auf der Welt ist, wurden hier auch wissenschaftliche Ergebnisse über Pandajunge gewonnen, z.B. über die Lautbildung und Chronobiologie (innere Uhr der Tiere). Wie schätzen Sie die wissenschaftliche Begleitung des Pandajungen ein?

Das Spannende ist einfach, dass er ausschließlich von der Mutter aufgezogen wurde. In China gehen die Pandastationen anders mit der Aufzucht von Pandas um: Man achtet darauf, dass bei etwa bei Zwillingen beide überleben, und dass die Weibchen schon im nächsten Jahr wieder trächtig werden. Darum werden die Jungtiere spätestens nach sechs Monaten von der Mutter weggenommen und sogenannte Pandakindergärten gebildet. Auch in Amerika, in San Diego z.B., in einem Zoo, der sehr erfolgreich bei der Pandazucht ist, werden die Jungen spätestens nach eineinhalb Jahren entwöhnt. Außerdem wird das Jungtier von Anfang an regelmäßig aus der Nesthöhle genommen, untersucht und vermessen. Wir haben darauf geachtet, dass wir gerade anfangs nur Beobachter von außen sind. Es war uns wichtig, dass die Entwicklung so natürlich wie möglich abläuft. Für uns war es spannend zu sehen, wie die zwei miteinander umgehen, und wie die verschiedenen Phasen ablaufen: Wie viel Zeit verbringt Yang Yang in der Höhle bei dem Jungen? Wie oft wird er gesäugt? Yang Yang hat sich als besonders fürsorgliche Mutter erwiesen.

Macht es das nicht noch schwerer, dass Sie die beiden jetzt trennen müssen?

Nein, Fu Long ist schon sehr selbstständig. Es gibt keine Probleme zwischen den beiden, aber sie suchen auch nicht pausenlos nacheinander. Wir trennen sie mittlerweile fallweise, v.a., wenn wir mit Fu Long Transportkistentrainings machen, oder wenn wir Yang Yang und Long Hui wieder zeitweise zusammenlassen. Keiner der beiden wird dabei unruhig oder sucht nach dem anderen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2009)

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